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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718.

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sondern der Debitor auch wohl das Grund-
stück in Steuern, Zinsen und andern Oneribus
erhalten muß. Ja es kömmt wohl dahin, daß
die Obrigkeit solches zu verwilligen hinter-
gangen und von dem rechten Brauch nicht
gründlich unterrichtet wird, da der Schuldner
allzusehr lamentiret, sonst kein Geld zu finden,
und also sich weder zu rathen noch zu helffen
weiß, als durch einen solchen Wiederkauff.
Da wird denen die Ungewißheit der jährlichen
Nutzung, die auch befürchtenden Miß-Jahre,
die Arbeit und Cultivirung so groß gemacht,
und derjenige, so borgen will, muß selbst den
Ertrag des Guths oder Pfands extenuiren.
Wenn eine Unter-Obrigkeit aus wohlgemein-
ten Absehen einen solchen Consens versaget, so
muß sie sich beschuldigen, auch wohl gar verkla-
gen lassen, daß sie ihren Unterthanen nicht helf-
fen, sondern an besserer Nahrung verhinderlich
seyn wolle. Oeffters wird auch das Lehn-
Geld, (bey solchen Wiederkauffe) oder ein an-
der Absehen wegen einiger Zinsen und Dienst-
Resten oder besorgender Retardaten so schein-
bar gemacht, daß der Consens darüber erfol-
get, welcher dem armen Schuldner, und nach-
gehends, wenn dieser darbey noch mehr verar-
met, dem Lehns-Herrn selbst mehr schädlich als
nützlich ist.

§. 29.



ſondern der Debitor auch wohl das Grund-
ſtuͤck in Steuern, Zinſen und andern Oneribus
erhalten muß. Ja es koͤmmt wohl dahin, daß
die Obrigkeit ſolches zu verwilligen hinter-
gangen und von dem rechten Brauch nicht
gruͤndlich unterrichtet wird, da der Schuldner
allzuſehr lamentiret, ſonſt kein Geld zu finden,
und alſo ſich weder zu rathen noch zu helffen
weiß, als durch einen ſolchen Wiederkauff.
Da wird denen die Ungewißheit der jaͤhrlichen
Nutzung, die auch befuͤrchtenden Miß-Jahre,
die Arbeit und Cultivirung ſo groß gemacht,
und derjenige, ſo borgen will, muß ſelbſt den
Ertrag des Guths oder Pfands extenuiren.
Wenn eine Unter-Obrigkeit aus wohlgemein-
ten Abſehen einen ſolchen Conſens verſaget, ſo
muß ſie ſich beſchuldigen, auch wohl gar verkla-
gen laſſen, daß ſie ihren Unterthanen nicht helf-
fen, ſondern an beſſerer Nahrung verhinderlich
ſeyn wolle. Oeffters wird auch das Lehn-
Geld, (bey ſolchen Wiederkauffe) oder ein an-
der Abſehen wegen einiger Zinſen und Dienſt-
Reſten oder beſorgender Retardaten ſo ſchein-
bar gemacht, daß der Conſens daruͤber erfol-
get, welcher dem armen Schuldner, und nach-
gehends, wenn dieſer darbey noch mehr verar-
met, dem Lehns-Herrn ſelbſt mehr ſchaͤdlich als
nuͤtzlich iſt.

§. 29.
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[512/0532] ſondern der Debitor auch wohl das Grund- ſtuͤck in Steuern, Zinſen und andern Oneribus erhalten muß. Ja es koͤmmt wohl dahin, daß die Obrigkeit ſolches zu verwilligen hinter- gangen und von dem rechten Brauch nicht gruͤndlich unterrichtet wird, da der Schuldner allzuſehr lamentiret, ſonſt kein Geld zu finden, und alſo ſich weder zu rathen noch zu helffen weiß, als durch einen ſolchen Wiederkauff. Da wird denen die Ungewißheit der jaͤhrlichen Nutzung, die auch befuͤrchtenden Miß-Jahre, die Arbeit und Cultivirung ſo groß gemacht, und derjenige, ſo borgen will, muß ſelbſt den Ertrag des Guths oder Pfands extenuiren. Wenn eine Unter-Obrigkeit aus wohlgemein- ten Abſehen einen ſolchen Conſens verſaget, ſo muß ſie ſich beſchuldigen, auch wohl gar verkla- gen laſſen, daß ſie ihren Unterthanen nicht helf- fen, ſondern an beſſerer Nahrung verhinderlich ſeyn wolle. Oeffters wird auch das Lehn- Geld, (bey ſolchen Wiederkauffe) oder ein an- der Abſehen wegen einiger Zinſen und Dienſt- Reſten oder beſorgender Retardaten ſo ſchein- bar gemacht, daß der Conſens daruͤber erfol- get, welcher dem armen Schuldner, und nach- gehends, wenn dieſer darbey noch mehr verar- met, dem Lehns-Herrn ſelbſt mehr ſchaͤdlich als nuͤtzlich iſt. §. 29.

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 512. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/532>, abgerufen am 22.11.2024.