Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718.

Bild:
<< vorherige Seite



ret, und um Profits willen unter die Hand-
wercks- und Arbeits-Leute gegeben werden,
welche, wenn sie nicht gar verruffen sind, dennoch
niemand gern vor voll annimmt, auch wohl
derjenige selbst nicht, so sie doch vor voll in der
Bezahlung ausbringt, und wenn er sie hernach
wieder auswechseln soll, ein merckliches weni-
ger davor giebt, welches gewiß eine subtile,
aber sehr penetrante Art von Wucher ist, da-
durch das Armuth vollends ausgesogen wird.

§. 30. Nun sind zwar wider die wucherli-
chen Contracte unterschiedene heilsame Reichs-
und Landes-Constitutionen verordnet, aber
der Effect zeiget, daß es nur an Leuten fehlen
müsse, welche solche in der Observanz erhalten,
oder wieder darein bringen wolten. Von In-
quisition
en wider die Wucherer und deren
Bestraffung höret man heutigs Tags gar we-
nig, an Statt des solcher Art Leuten hiebevor
versagten ehrlichen Begräbnisses werden ihnen
wohl heutigs Tags die grösten Lob-Reden ge-
halten. Ja es finden sich vielleicht hie und da
solche, die, an Statt daß sie den wucherlichen
Contracten wehren solten, mit ihren Capita-
lien selbst wuchern und den Leuten unbilligen
Zinß abfordern. Da nun mancher ehrlicher
Mann in der Republic dadurch verarmet und
um seine Nahrung gebracht wird, so solten die

hohen



ret, und um Profits willen unter die Hand-
wercks- und Arbeits-Leute gegeben werden,
welche, weñ ſie nicht gar verruffen ſind, dennoch
niemand gern vor voll annimmt, auch wohl
derjenige ſelbſt nicht, ſo ſie doch vor voll in der
Bezahlung ausbringt, und wenn er ſie hernach
wieder auswechſeln ſoll, ein merckliches weni-
ger davor giebt, welches gewiß eine ſubtile,
aber ſehr penetrante Art von Wucher iſt, da-
durch das Armuth vollends ausgeſogen wird.

§. 30. Nun ſind zwar wider die wucherli-
chen Contracte unterſchiedene heilſame Reichs-
und Landes-Conſtitutionen verordnet, aber
der Effect zeiget, daß es nur an Leuten fehlen
muͤſſe, welche ſolche in der Obſervanz erhalten,
oder wieder darein bringen wolten. Von In-
quiſition
en wider die Wucherer und deren
Beſtraffung hoͤret man heutigs Tags gar we-
nig, an Statt des ſolcher Art Leuten hiebevor
verſagten ehrlichen Begraͤbniſſes werden ihnen
wohl heutigs Tags die groͤſten Lob-Reden ge-
halten. Ja es finden ſich vielleicht hie und da
ſolche, die, an Statt daß ſie den wucherlichen
Contracten wehren ſolten, mit ihren Capita-
lien ſelbſt wuchern und den Leuten unbilligen
Zinß abfordern. Da nun mancher ehrlicher
Mann in der Republic dadurch verarmet und
um ſeine Nahrung gebracht wird, ſo ſolten die

hohen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0534" n="514"/><fw place="top" type="header"><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/></fw> ret, und um Profits willen unter die Hand-<lb/>
wercks- und Arbeits-Leute gegeben werden,<lb/>
welche, wen&#x0303; &#x017F;ie nicht gar verruffen &#x017F;ind, dennoch<lb/>
niemand gern vor voll annimmt, auch wohl<lb/>
derjenige &#x017F;elb&#x017F;t nicht, &#x017F;o &#x017F;ie doch vor voll in der<lb/>
Bezahlung ausbringt, und wenn er &#x017F;ie hernach<lb/>
wieder auswech&#x017F;eln &#x017F;oll, ein merckliches weni-<lb/>
ger davor giebt, welches gewiß eine <hi rendition="#aq">&#x017F;ubtile,</hi><lb/>
aber &#x017F;ehr <hi rendition="#aq">penetrante</hi> Art von Wucher i&#x017F;t, da-<lb/>
durch das Armuth vollends ausge&#x017F;ogen wird.</p><lb/>
        <p>§. 30. Nun &#x017F;ind zwar wider die wucherli-<lb/>
chen <hi rendition="#aq">Contracte</hi> unter&#x017F;chiedene heil&#x017F;ame Reichs-<lb/>
und Landes-<hi rendition="#aq">Con&#x017F;titution</hi>en verordnet, aber<lb/>
der <hi rendition="#aq">Effect</hi> zeiget, daß es nur an Leuten fehlen<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, welche &#x017F;olche in der <hi rendition="#aq">Ob&#x017F;ervanz</hi> erhalten,<lb/>
oder wieder darein bringen wolten. Von <hi rendition="#aq">In-<lb/>
qui&#x017F;ition</hi>en wider die Wucherer und deren<lb/>
Be&#x017F;traffung ho&#x0364;ret man heutigs Tags gar we-<lb/>
nig, an Statt des &#x017F;olcher Art Leuten hiebevor<lb/>
ver&#x017F;agten ehrlichen Begra&#x0364;bni&#x017F;&#x017F;es werden ihnen<lb/>
wohl heutigs Tags die gro&#x0364;&#x017F;ten Lob-Reden ge-<lb/>
halten. Ja es finden &#x017F;ich vielleicht hie und da<lb/>
&#x017F;olche, die, an Statt daß &#x017F;ie den wucherlichen<lb/><hi rendition="#aq">Contract</hi>en wehren &#x017F;olten, mit ihren Capita-<lb/>
lien &#x017F;elb&#x017F;t wuchern und den Leuten unbilligen<lb/>
Zinß abfordern. Da nun mancher ehrlicher<lb/>
Mann in der Republic dadurch verarmet und<lb/>
um &#x017F;eine Nahrung gebracht wird, &#x017F;o &#x017F;olten die<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">hohen</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[514/0534] ret, und um Profits willen unter die Hand- wercks- und Arbeits-Leute gegeben werden, welche, weñ ſie nicht gar verruffen ſind, dennoch niemand gern vor voll annimmt, auch wohl derjenige ſelbſt nicht, ſo ſie doch vor voll in der Bezahlung ausbringt, und wenn er ſie hernach wieder auswechſeln ſoll, ein merckliches weni- ger davor giebt, welches gewiß eine ſubtile, aber ſehr penetrante Art von Wucher iſt, da- durch das Armuth vollends ausgeſogen wird. §. 30. Nun ſind zwar wider die wucherli- chen Contracte unterſchiedene heilſame Reichs- und Landes-Conſtitutionen verordnet, aber der Effect zeiget, daß es nur an Leuten fehlen muͤſſe, welche ſolche in der Obſervanz erhalten, oder wieder darein bringen wolten. Von In- quiſitionen wider die Wucherer und deren Beſtraffung hoͤret man heutigs Tags gar we- nig, an Statt des ſolcher Art Leuten hiebevor verſagten ehrlichen Begraͤbniſſes werden ihnen wohl heutigs Tags die groͤſten Lob-Reden ge- halten. Ja es finden ſich vielleicht hie und da ſolche, die, an Statt daß ſie den wucherlichen Contracten wehren ſolten, mit ihren Capita- lien ſelbſt wuchern und den Leuten unbilligen Zinß abfordern. Da nun mancher ehrlicher Mann in der Republic dadurch verarmet und um ſeine Nahrung gebracht wird, ſo ſolten die hohen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/534
Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 514. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/534>, abgerufen am 22.11.2024.