Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718.Richter auf die Art gestrafft werden, davon wird man sehr wenig Exempel finden. Es solten die hohe Landes-Obrigkeiten billig wider dergleichen Richter inquiriren, und sie zur ge- hörigen Straffe ziehen. Wenn ein Richter aus Unverstand und Unwissenheit ein Urtheil wider die Rechte gesprochen, so muste er die Sache und den Proceß selbst über sich nehmen, das ist, er ward aus dem Richter Beklagter. Heutiges Tags soll nach dem Zeugniß der Rechts-Gelahrten diese Straffe auch nicht mehr gebräuchlich seyn. Denn weil an un- terschiedenen Orten in Teutschland die richter- lichen Chargen zwar nicht verkaufft, iedoch von denjenigen, die bey dem Landes-Fürsten viel zu sprechen haben, vielmahls an andere Leute, um gewisser Discretionen willen überlassen wer- den, so geschicht es nicht selten, daß diejenigen richterliche Personen in der Welt abgeben müs- sen, die weder in den Römischen noch Provin- cial-Gesetzen was rechts gethan. Wenn man nun alle die unverständigen Richter auf die Art bestraffte, so würden sie andere, die auch nicht viel gelehrter wären denn sie, incitiret, daß sie die Nasen besser in die Bücher steckten, und sich nicht solchen Bedienungen unterzögen, zu deren Verwaltung sie nicht fähig wären. §. 22.
Richter auf die Art geſtrafft werden, davon wird man ſehr wenig Exempel finden. Es ſolten die hohe Landes-Obrigkeiten billig wider dergleichen Richter inquiriren, und ſie zur ge- hoͤrigen Straffe ziehen. Wenn ein Richter aus Unverſtand und Unwiſſenheit ein Urtheil wider die Rechte geſprochen, ſo muſte er die Sache und den Proceß ſelbſt uͤber ſich nehmen, das iſt, er ward aus dem Richter Beklagter. Heutiges Tags ſoll nach dem Zeugniß der Rechts-Gelahrten dieſe Straffe auch nicht mehr gebraͤuchlich ſeyn. Denn weil an un- terſchiedenen Orten in Teutſchland die richter- lichen Chargen zwar nicht verkaufft, iedoch von denjenigen, die bey dem Landes-Fuͤrſten viel zu ſprechen haben, vielmahls an andere Leute, um gewiſſer Diſcretionen willen uͤberlaſſen wer- den, ſo geſchicht es nicht ſelten, daß diejenigen richterliche Perſonen in der Welt abgeben muͤſ- ſen, die weder in den Roͤmiſchen noch Provin- cial-Geſetzen was rechts gethan. Wenn man nun alle die unverſtaͤndigen Richter auf die Art beſtraffte, ſo wuͤrden ſie andere, die auch nicht viel gelehrter waͤren denn ſie, incitiret, daß ſie die Naſen beſſer in die Buͤcher ſteckten, und ſich nicht ſolchen Bedienungen unterzoͤgen, zu deren Verwaltung ſie nicht faͤhig waͤren. §. 22.
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heutiges Tags die ungerechten und geitzigen
Richter auf die Art geſtrafft werden, davon
wird man ſehr wenig Exempel finden. Es
ſolten die hohe Landes-Obrigkeiten billig wider
dergleichen Richter inquiriren, und ſie zur ge-
hoͤrigen Straffe ziehen. Wenn ein Richter
aus Unverſtand und Unwiſſenheit ein Urtheil
wider die Rechte geſprochen, ſo muſte er die
Sache und den Proceß ſelbſt uͤber ſich nehmen,
das iſt, er ward aus dem Richter Beklagter.
Heutiges Tags ſoll nach dem Zeugniß der
Rechts-Gelahrten dieſe Straffe auch nicht
mehr gebraͤuchlich ſeyn. Denn weil an un-
terſchiedenen Orten in Teutſchland die richter-
lichen Chargen zwar nicht verkaufft, iedoch von
denjenigen, die bey dem Landes-Fuͤrſten viel zu
ſprechen haben, vielmahls an andere Leute, um
gewiſſer Diſcretionen willen uͤberlaſſen wer-
den, ſo geſchicht es nicht ſelten, daß diejenigen
richterliche Perſonen in der Welt abgeben muͤſ-
ſen, die weder in den Roͤmiſchen noch Provin-
cial-Geſetzen was rechts gethan. Wenn man
nun alle die unverſtaͤndigen Richter auf die Art
beſtraffte, ſo wuͤrden ſie andere, die auch nicht
viel gelehrter waͤren denn ſie, incitiret, daß ſie
die Naſen beſſer in die Buͤcher ſteckten, und ſich
nicht ſolchen Bedienungen unterzoͤgen, zu deren
Verwaltung ſie nicht faͤhig waͤren.
§. 22.
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