willen er wäre genöthiget worden, in diese Con- ditiones einzuwilligen, sondern es hat ihm frey gestanden, nicht darein zu consentiren und mit Gewalt sie zur Raison und zum Gehorsam zu bringen. So lange nun der Regent so viel Macht hat, daß er dieselbe den Rebellen entge- gen setzen kan, so lange kan man nicht sagen, daß dergleichen Pacta aus Furcht extorquiret, weil es in seiner Willkühr gestanden, sie nicht zu schliessen, da er sie doch lieber des Friedens und Ruhe-Standes wegen eingehen, als mit so vie- len Blutvergiessen seiner Unterthanen die tran- quillität redimiren wollen. Wenn aber der Regente von den Rebellen in solche Enge getrie- ben worden, daß er weder ihnen resistiren noch sich aus ihren Händen entledigen kan, so ist er bey diesem Fall zu Haltung der Pactorum nicht mehr verbunden, als wenn einer einem Stras- sen-Räuber bey der plötzlichen Gefahr entwe- der um sein Leben oder doch um seine Güter zu kommen, etwas versprochen hätte.
§. 19. Es kan sich auch wohl bißweilen zutragen, daß eine oder die andere Provintz dem Landes-Fürsten resistiret und durchaus zum Gehorsam nicht wieder zubringen ist, in wel- chem Fall ist es besser, damit die übrigen das Joch nicht auch abschütteln, und die gantze Re- public Gefahr hierdurch leiden möge, daß diese
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willen er waͤre genoͤthiget worden, in dieſe Con- ditiones einzuwilligen, ſondern es hat ihm frey geſtanden, nicht darein zu conſentiren und mit Gewalt ſie zur Raiſon und zum Gehorſam zu bringen. So lange nun der Regent ſo viel Macht hat, daß er dieſelbe den Rebellen entge- gen ſetzen kan, ſo lange kan man nicht ſagen, daß dergleichen Pacta aus Furcht extorquiret, weil es in ſeiner Willkuͤhr geſtanden, ſie nicht zu ſchlieſſen, da er ſie doch lieber des Friedens und Ruhe-Standes wegen eingehen, als mit ſo vie- len Blutvergieſſen ſeiner Unterthanen die tran- quillitaͤt redimiren wollen. Wenn aber der Regente von den Rebellen in ſolche Enge getrie- ben worden, daß er weder ihnen reſiſtiren noch ſich aus ihren Haͤnden entledigen kan, ſo iſt er bey dieſem Fall zu Haltung der Pactorum nicht mehr verbunden, als wenn einer einem Straſ- ſen-Raͤuber bey der ploͤtzlichen Gefahr entwe- der um ſein Leben oder doch um ſeine Guͤter zu kommen, etwas verſprochen haͤtte.
§. 19. Es kan ſich auch wohl bißweilen zutragen, daß eine oder die andere Provintz dem Landes-Fuͤrſten reſiſtiret und durchaus zum Gehorſam nicht wieder zubringen iſt, in wel- chem Fall iſt es beſſer, damit die uͤbrigen das Joch nicht auch abſchuͤtteln, und die gantze Re- public Gefahr hierdurch leiden moͤge, daß dieſe
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willen er waͤre genoͤthiget worden, in dieſe Con-
ditiones einzuwilligen, ſondern es hat ihm
frey geſtanden, nicht darein zu conſentiren und
mit Gewalt ſie zur Raiſon und zum Gehorſam
zu bringen. So lange nun der Regent ſo viel
Macht hat, daß er dieſelbe den Rebellen entge-
gen ſetzen kan, ſo lange kan man nicht ſagen, daß
dergleichen Pacta aus Furcht extorquiret, weil
es in ſeiner Willkuͤhr geſtanden, ſie nicht zu
ſchlieſſen, da er ſie doch lieber des Friedens und
Ruhe-Standes wegen eingehen, als mit ſo vie-
len Blutvergieſſen ſeiner Unterthanen die tran-
quillitaͤt redimiren wollen. Wenn aber der
Regente von den Rebellen in ſolche Enge getrie-
ben worden, daß er weder ihnen reſiſtiren noch
ſich aus ihren Haͤnden entledigen kan, ſo iſt er
bey dieſem Fall zu Haltung der Pactorum nicht
mehr verbunden, als wenn einer einem Straſ-
ſen-Raͤuber bey der ploͤtzlichen Gefahr entwe-
der um ſein Leben oder doch um ſeine Guͤter zu
kommen, etwas verſprochen haͤtte.
§. 19. Es kan ſich auch wohl bißweilen
zutragen, daß eine oder die andere Provintz dem
Landes-Fuͤrſten reſiſtiret und durchaus zum
Gehorſam nicht wieder zubringen iſt, in wel-
chem Fall iſt es beſſer, damit die uͤbrigen das
Joch nicht auch abſchuͤtteln, und die gantze Re-
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 563. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/583>, abgerufen am 22.11.2024.
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