Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718.

Bild:
<< vorherige Seite



willen er wäre genöthiget worden, in diese Con-
ditiones
einzuwilligen, sondern es hat ihm
frey gestanden, nicht darein zu consentiren und
mit Gewalt sie zur Raison und zum Gehorsam
zu bringen. So lange nun der Regent so viel
Macht hat, daß er dieselbe den Rebellen entge-
gen setzen kan, so lange kan man nicht sagen, daß
dergleichen Pacta aus Furcht extorquiret, weil
es in seiner Willkühr gestanden, sie nicht zu
schliessen, da er sie doch lieber des Friedens und
Ruhe-Standes wegen eingehen, als mit so vie-
len Blutvergiessen seiner Unterthanen die tran-
quilli
tät redimiren wollen. Wenn aber der
Regente von den Rebellen in solche Enge getrie-
ben worden, daß er weder ihnen resistiren noch
sich aus ihren Händen entledigen kan, so ist er
bey diesem Fall zu Haltung der Pactorum nicht
mehr verbunden, als wenn einer einem Stras-
sen-Räuber bey der plötzlichen Gefahr entwe-
der um sein Leben oder doch um seine Güter zu
kommen, etwas versprochen hätte.

§. 19. Es kan sich auch wohl bißweilen
zutragen, daß eine oder die andere Provintz dem
Landes-Fürsten resistiret und durchaus zum
Gehorsam nicht wieder zubringen ist, in wel-
chem Fall ist es besser, damit die übrigen das
Joch nicht auch abschütteln, und die gantze Re-
public Gefahr hierdurch leiden möge, daß diese

Pro-
N n 2



willen er waͤre genoͤthiget worden, in dieſe Con-
ditiones
einzuwilligen, ſondern es hat ihm
frey geſtanden, nicht darein zu conſentiren und
mit Gewalt ſie zur Raiſon und zum Gehorſam
zu bringen. So lange nun der Regent ſo viel
Macht hat, daß er dieſelbe den Rebellen entge-
gen ſetzen kan, ſo lange kan man nicht ſagen, daß
dergleichen Pacta aus Furcht extorquiret, weil
es in ſeiner Willkuͤhr geſtanden, ſie nicht zu
ſchlieſſen, da er ſie doch lieber des Friedens und
Ruhe-Standes wegen eingehen, als mit ſo vie-
len Blutvergieſſen ſeiner Unterthanen die tran-
quilli
taͤt redimiren wollen. Wenn aber der
Regente von den Rebellen in ſolche Enge getrie-
ben worden, daß er weder ihnen reſiſtiren noch
ſich aus ihren Haͤnden entledigen kan, ſo iſt er
bey dieſem Fall zu Haltung der Pactorum nicht
mehr verbunden, als wenn einer einem Straſ-
ſen-Raͤuber bey der ploͤtzlichen Gefahr entwe-
der um ſein Leben oder doch um ſeine Guͤter zu
kommen, etwas verſprochen haͤtte.

§. 19. Es kan ſich auch wohl bißweilen
zutragen, daß eine oder die andere Provintz dem
Landes-Fuͤrſten reſiſtiret und durchaus zum
Gehorſam nicht wieder zubringen iſt, in wel-
chem Fall iſt es beſſer, damit die uͤbrigen das
Joch nicht auch abſchuͤtteln, und die gantze Re-
public Gefahr hierdurch leiden moͤge, daß dieſe

Pro-
N n 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0583" n="563"/><fw place="top" type="header"><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/></fw> willen er wa&#x0364;re geno&#x0364;thiget worden, in die&#x017F;e <hi rendition="#aq">Con-<lb/>
ditiones</hi> einzuwilligen, &#x017F;ondern es hat ihm<lb/>
frey ge&#x017F;tanden, nicht darein zu <hi rendition="#aq">con&#x017F;enti</hi>ren und<lb/>
mit Gewalt &#x017F;ie zur <hi rendition="#aq">Rai&#x017F;on</hi> und zum Gehor&#x017F;am<lb/>
zu bringen. So lange nun der Regent &#x017F;o viel<lb/>
Macht hat, daß er die&#x017F;elbe den Rebellen entge-<lb/>
gen &#x017F;etzen kan, &#x017F;o lange kan man nicht &#x017F;agen, daß<lb/>
dergleichen <hi rendition="#aq">Pacta</hi> aus Furcht <hi rendition="#aq">extorqui</hi>ret, weil<lb/>
es in &#x017F;einer Willku&#x0364;hr ge&#x017F;tanden, &#x017F;ie nicht zu<lb/>
&#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en, da er &#x017F;ie doch lieber des Friedens und<lb/>
Ruhe-Standes wegen eingehen, als mit &#x017F;o vie-<lb/>
len Blutvergie&#x017F;&#x017F;en &#x017F;einer Unterthanen die <hi rendition="#aq">tran-<lb/>
quilli</hi>ta&#x0364;t <hi rendition="#aq">redimi</hi>ren wollen. Wenn aber der<lb/>
Regente von den Rebellen in &#x017F;olche Enge getrie-<lb/>
ben worden, daß er weder ihnen <hi rendition="#aq">re&#x017F;i&#x017F;ti</hi>ren noch<lb/>
&#x017F;ich aus ihren Ha&#x0364;nden entledigen kan, &#x017F;o i&#x017F;t er<lb/>
bey die&#x017F;em Fall zu Haltung der <hi rendition="#aq">Pactorum</hi> nicht<lb/>
mehr verbunden, als wenn einer einem Stra&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en-Ra&#x0364;uber bey der plo&#x0364;tzlichen Gefahr entwe-<lb/>
der um &#x017F;ein Leben oder doch um &#x017F;eine Gu&#x0364;ter zu<lb/>
kommen, etwas ver&#x017F;prochen ha&#x0364;tte.</p><lb/>
        <p>§. 19. Es kan &#x017F;ich auch wohl bißweilen<lb/>
zutragen, daß eine oder die andere Provintz dem<lb/>
Landes-Fu&#x0364;r&#x017F;ten <hi rendition="#aq">re&#x017F;i&#x017F;ti</hi>ret und durchaus zum<lb/>
Gehor&#x017F;am nicht wieder zubringen i&#x017F;t, in wel-<lb/>
chem Fall i&#x017F;t es be&#x017F;&#x017F;er, damit die u&#x0364;brigen das<lb/>
Joch nicht auch ab&#x017F;chu&#x0364;tteln, und die gantze Re-<lb/>
public Gefahr hierdurch leiden mo&#x0364;ge, daß die&#x017F;e<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">N n 2</fw><fw place="bottom" type="catch">Pro-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[563/0583] willen er waͤre genoͤthiget worden, in dieſe Con- ditiones einzuwilligen, ſondern es hat ihm frey geſtanden, nicht darein zu conſentiren und mit Gewalt ſie zur Raiſon und zum Gehorſam zu bringen. So lange nun der Regent ſo viel Macht hat, daß er dieſelbe den Rebellen entge- gen ſetzen kan, ſo lange kan man nicht ſagen, daß dergleichen Pacta aus Furcht extorquiret, weil es in ſeiner Willkuͤhr geſtanden, ſie nicht zu ſchlieſſen, da er ſie doch lieber des Friedens und Ruhe-Standes wegen eingehen, als mit ſo vie- len Blutvergieſſen ſeiner Unterthanen die tran- quillitaͤt redimiren wollen. Wenn aber der Regente von den Rebellen in ſolche Enge getrie- ben worden, daß er weder ihnen reſiſtiren noch ſich aus ihren Haͤnden entledigen kan, ſo iſt er bey dieſem Fall zu Haltung der Pactorum nicht mehr verbunden, als wenn einer einem Straſ- ſen-Raͤuber bey der ploͤtzlichen Gefahr entwe- der um ſein Leben oder doch um ſeine Guͤter zu kommen, etwas verſprochen haͤtte. §. 19. Es kan ſich auch wohl bißweilen zutragen, daß eine oder die andere Provintz dem Landes-Fuͤrſten reſiſtiret und durchaus zum Gehorſam nicht wieder zubringen iſt, in wel- chem Fall iſt es beſſer, damit die uͤbrigen das Joch nicht auch abſchuͤtteln, und die gantze Re- public Gefahr hierdurch leiden moͤge, daß dieſe Pro- N n 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/583
Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 563. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/583>, abgerufen am 26.06.2024.