Reichs-Abschiede, Landes-Constitutionum, auch einiger Statutorum ansiehet, der unzehli- gen und zum Theil unmäßigen Commenta- rien, deren man doch zu gründlicher Wissen- schafft der Rechte eine ziemliche Anzahl sich be- kannt machen muß, zu geschweigen, so kan men leicht ermessen, wie schwer die Erlernung und wie verwirret die Praxis seyn müsse. Man muß dem Platoni Beyfall geben, welcher sagt, die Menge der Gesetze sey ein Zeichen eines ver- derbten gemeinen Wesens, weil bey uns die Bedeutung mit ermeldten Zeichen so genau überein trifft. Daß aber unsere Gesetze gar füglich auf eine unglaublich geringere Anzahl gesetzt werden könten, würde sich gnugsam zei- gen, wenn iemand sich die Mühe nehmen wolte, eine Probe davon zu machen. Wenn man nemlich aus den Voluminibus der einheimi- schen und fremden Rechte erstlich die übel zu- sammenhängenden und offtermahls gantz ge- geneinander lauffenden Grund-Sätze, her- nach die unzehligen und erschrecklichen verwirr- te unnöthige Exceptionen der Regeln, ferner diejenigen Dinge, welche heut zu Tage keinen Nutzen haben, weiter die wunderlichen Subti- litäten, welche zu nichts als zu Vermehrung der Chicanen taugen, und endlich die vielfälti- gen Wiederhohlungen, da man zuweilen einerley
Sachen
Reichs-Abſchiede, Landes-Conſtitutionum, auch einiger Statutorum anſiehet, der unzehli- gen und zum Theil unmaͤßigen Commenta- rien, deren man doch zu gruͤndlicher Wiſſen- ſchafft der Rechte eine ziemliche Anzahl ſich be- kannt machen muß, zu geſchweigen, ſo kan men leicht ermeſſen, wie ſchwer die Erlernung und wie verwirret die Praxis ſeyn muͤſſe. Man muß dem Platoni Beyfall geben, welcher ſagt, die Menge der Geſetze ſey ein Zeichen eines ver- derbten gemeinen Weſens, weil bey uns die Bedeutung mit ermeldten Zeichen ſo genau uͤberein trifft. Daß aber unſere Geſetze gar fuͤglich auf eine unglaublich geringere Anzahl geſetzt werden koͤnten, wuͤrde ſich gnugſam zei- gen, wenn iemand ſich die Muͤhe nehmen wolte, eine Probe davon zu machen. Wenn man nemlich aus den Voluminibus der einheimi- ſchen und fremden Rechte erſtlich die uͤbel zu- ſammenhaͤngenden und offtermahls gantz ge- geneinander lauffenden Grund-Saͤtze, her- nach die unzehligen und erſchrecklichen verwirr- te unnoͤthige Exceptionen der Regeln, ferner diejenigen Dinge, welche heut zu Tage keinen Nutzen haben, weiter die wunderlichen Subti- litaͤten, welche zu nichts als zu Vermehrung der Chicanen taugen, und endlich die vielfaͤlti- gen Wiederhohlungen, da man zuweilen einerley
Sachen
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0596"n="576"/><fwplace="top"type="header"><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/></fw> Reichs-Abſchiede, Landes-<hirendition="#aq">Conſtitutionum,</hi><lb/>
auch einiger <hirendition="#aq">Statutorum</hi> anſiehet, der unzehli-<lb/>
gen und zum Theil unmaͤßigen <hirendition="#aq">Commenta-<lb/>
ri</hi>en, deren man doch zu gruͤndlicher Wiſſen-<lb/>ſchafft der Rechte eine ziemliche Anzahl ſich be-<lb/>
kannt machen muß, zu geſchweigen, ſo kan men<lb/>
leicht ermeſſen, wie ſchwer die Erlernung und<lb/>
wie verwirret die <hirendition="#aq">Praxis</hi>ſeyn muͤſſe. Man<lb/>
muß dem <hirendition="#aq">Platoni</hi> Beyfall geben, welcher ſagt,<lb/>
die Menge der Geſetze ſey ein Zeichen eines ver-<lb/>
derbten gemeinen Weſens, weil bey uns die<lb/>
Bedeutung mit ermeldten Zeichen ſo genau<lb/>
uͤberein trifft. Daß aber unſere Geſetze gar<lb/>
fuͤglich auf eine unglaublich geringere Anzahl<lb/>
geſetzt werden koͤnten, wuͤrde ſich gnugſam zei-<lb/>
gen, wenn iemand ſich die Muͤhe nehmen wolte,<lb/>
eine Probe davon zu machen. Wenn man<lb/>
nemlich aus den <hirendition="#aq">Voluminibus</hi> der einheimi-<lb/>ſchen und fremden Rechte erſtlich die uͤbel zu-<lb/>ſammenhaͤngenden und offtermahls gantz ge-<lb/>
geneinander lauffenden Grund-Saͤtze, her-<lb/>
nach die unzehligen und erſchrecklichen verwirr-<lb/>
te unnoͤthige <hirendition="#aq">Exception</hi>en der Regeln, ferner<lb/>
diejenigen Dinge, welche heut zu Tage keinen<lb/>
Nutzen haben, weiter die wunderlichen <hirendition="#aq">Subti-<lb/>
li</hi>taͤten, welche zu nichts als zu Vermehrung<lb/>
der <hirendition="#aq">Chican</hi>en taugen, und endlich die vielfaͤlti-<lb/>
gen Wiederhohlungen, da man zuweilen einerley<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Sachen</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[576/0596]
Reichs-Abſchiede, Landes-Conſtitutionum,
auch einiger Statutorum anſiehet, der unzehli-
gen und zum Theil unmaͤßigen Commenta-
rien, deren man doch zu gruͤndlicher Wiſſen-
ſchafft der Rechte eine ziemliche Anzahl ſich be-
kannt machen muß, zu geſchweigen, ſo kan men
leicht ermeſſen, wie ſchwer die Erlernung und
wie verwirret die Praxis ſeyn muͤſſe. Man
muß dem Platoni Beyfall geben, welcher ſagt,
die Menge der Geſetze ſey ein Zeichen eines ver-
derbten gemeinen Weſens, weil bey uns die
Bedeutung mit ermeldten Zeichen ſo genau
uͤberein trifft. Daß aber unſere Geſetze gar
fuͤglich auf eine unglaublich geringere Anzahl
geſetzt werden koͤnten, wuͤrde ſich gnugſam zei-
gen, wenn iemand ſich die Muͤhe nehmen wolte,
eine Probe davon zu machen. Wenn man
nemlich aus den Voluminibus der einheimi-
ſchen und fremden Rechte erſtlich die uͤbel zu-
ſammenhaͤngenden und offtermahls gantz ge-
geneinander lauffenden Grund-Saͤtze, her-
nach die unzehligen und erſchrecklichen verwirr-
te unnoͤthige Exceptionen der Regeln, ferner
diejenigen Dinge, welche heut zu Tage keinen
Nutzen haben, weiter die wunderlichen Subti-
litaͤten, welche zu nichts als zu Vermehrung
der Chicanen taugen, und endlich die vielfaͤlti-
gen Wiederhohlungen, da man zuweilen einerley
Sachen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 576. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/596>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.