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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718.

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haben können, sondern auf andere Art ihr
Brod mit erwerben müssen, so daß die Schul-
Meister auf einigen Dörffern, die ich auch wohl
nennen könte, im Sommer Vieh-Hirten abge-
ben, und im Winter die Kinder informiren
müssen. Da aber solches eine höchst-ärgerli-
che Sache, und die Kinder dasjenige, was sie
in dem Winter gelernet, im Sommer wieder
vergessen müssen, so hat die Obrigkeit Ursache,
diesem Mangel abzuhelffen, und darauf bedacht
zu seyn, daß die Schul-Meister Winters- und
Sommers-Zeit ihren Schul-Dienst gebüh-
rend abwarten, aber auch mit nothdürfftigen
Unterhalt versorget seyn, und nicht nöthig ha-
ben, auf andere Art ihr Brod zu erwerben.

§. 64. Es ist an vielen Dörffern gewöhn-
lich, daß die Schul-Meister gewisse Handwer-
cke zugleich mit exerciren, und sonderlich das
Schneider-Handwerck. Nun könte man
zwar solches an denjenigen Orten, da sie ohn-
dem bey dem Schul-Dienst sich kümmerlich
erhalten könten, wohl passiren lassen, und ihnen
vergönnen, daß sie sich auch auf andere Art et-
was verdienten. Da aber der Schul-Dienst
von den meisten auf solche Art versäumet wird,
sonderlich bey Annäherung der hohen Fest-Ta-
ge, wenn sie etwan viel zu arbeiten haben, so daß
sie entweder die Schule deswegen aussetzen,

oder



haben koͤnnen, ſondern auf andere Art ihr
Brod mit erwerben muͤſſen, ſo daß die Schul-
Meiſter auf einigen Doͤrffern, die ich auch wohl
nennen koͤnte, im Sommer Vieh-Hirten abge-
ben, und im Winter die Kinder informiren
muͤſſen. Da aber ſolches eine hoͤchſt-aͤrgerli-
che Sache, und die Kinder dasjenige, was ſie
in dem Winter gelernet, im Sommer wieder
vergeſſen muͤſſen, ſo hat die Obrigkeit Urſache,
dieſem Mangel abzuhelffen, und darauf bedacht
zu ſeyn, daß die Schul-Meiſter Winters- und
Sommers-Zeit ihren Schul-Dienſt gebuͤh-
rend abwarten, aber auch mit nothduͤrfftigen
Unterhalt verſorget ſeyn, und nicht noͤthig ha-
ben, auf andere Art ihr Brod zu erwerben.

§. 64. Es iſt an vielen Doͤrffern gewoͤhn-
lich, daß die Schul-Meiſter gewiſſe Handwer-
cke zugleich mit exerciren, und ſonderlich das
Schneider-Handwerck. Nun koͤnte man
zwar ſolches an denjenigen Orten, da ſie ohn-
dem bey dem Schul-Dienſt ſich kuͤmmerlich
erhalten koͤnten, wohl paſſiren laſſen, und ihnen
vergoͤnnen, daß ſie ſich auch auf andere Art et-
was verdienten. Da aber der Schul-Dienſt
von den meiſten auf ſolche Art verſaͤumet wird,
ſonderlich bey Annaͤherung der hohen Feſt-Ta-
ge, wenn ſie etwan viel zu arbeiten haben, ſo daß
ſie entweder die Schule deswegen ausſetzen,

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[671/0691] haben koͤnnen, ſondern auf andere Art ihr Brod mit erwerben muͤſſen, ſo daß die Schul- Meiſter auf einigen Doͤrffern, die ich auch wohl nennen koͤnte, im Sommer Vieh-Hirten abge- ben, und im Winter die Kinder informiren muͤſſen. Da aber ſolches eine hoͤchſt-aͤrgerli- che Sache, und die Kinder dasjenige, was ſie in dem Winter gelernet, im Sommer wieder vergeſſen muͤſſen, ſo hat die Obrigkeit Urſache, dieſem Mangel abzuhelffen, und darauf bedacht zu ſeyn, daß die Schul-Meiſter Winters- und Sommers-Zeit ihren Schul-Dienſt gebuͤh- rend abwarten, aber auch mit nothduͤrfftigen Unterhalt verſorget ſeyn, und nicht noͤthig ha- ben, auf andere Art ihr Brod zu erwerben. §. 64. Es iſt an vielen Doͤrffern gewoͤhn- lich, daß die Schul-Meiſter gewiſſe Handwer- cke zugleich mit exerciren, und ſonderlich das Schneider-Handwerck. Nun koͤnte man zwar ſolches an denjenigen Orten, da ſie ohn- dem bey dem Schul-Dienſt ſich kuͤmmerlich erhalten koͤnten, wohl paſſiren laſſen, und ihnen vergoͤnnen, daß ſie ſich auch auf andere Art et- was verdienten. Da aber der Schul-Dienſt von den meiſten auf ſolche Art verſaͤumet wird, ſonderlich bey Annaͤherung der hohen Feſt-Ta- ge, wenn ſie etwan viel zu arbeiten haben, ſo daß ſie entweder die Schule deswegen ausſetzen, oder

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 671. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/691>, abgerufen am 28.09.2024.