§. 15. Man siehet hin und wieder, daß nicht allein Zahn-Aertzte, sondern auch Schäfer, alte Weiber, und andere Leute, die die Medicin nicht studieret, sich so wohl der innerlichen als äusserlichen Curen bey denen Patienten anzu- massen pflegen. Ob es nun zwar wohl an dem ist, daß die medicinische Gelehrsamkeit und Erfahrung nicht allezeit an die Universitäten ge- bunden, so ist dennoch gewiß, daß diejenigen, so die Medicin nach den Regeln der Kunst gehöri- ger Massen gelernet, und berühmte und bewähr- te Medicos zu ihren Lehrmeistern gehabt, eine grössere praesumption ihrer medicinischen Wissenschafft vor sich haben, denn andere, die entweder auff ein blosses Gerathewohl etwas probiren, und auf das Leben und Tod ihrer Patienten loß ihre experimenta anstellen, oder ohne mündliche Anweisung aus medicinischen Büchern, da sie das zehende nicht einmahl recht daraus verstehen, etwas nehmen, und sich da- durch des Curirens anmassen wollen. Gleich- wie man aber nicht selten siehet, daß es mit den angestellten Curen solcher unerfahrnen und un- geschickten Aertzte einen gar schlimmen Aus- gang gewinnet, also ist das Curiren, denen, so dasselbe nicht gehöriger Massen erlernet, nicht leichtlich zu verstatten. Wo man von derglei- chen Leuten Nachricht erlangt, muß man sie von
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§. 15. Man ſiehet hin und wieder, daß nicht allein Zahn-Aertzte, ſondern auch Schaͤfer, alte Weiber, und andere Leute, die die Medicin nicht ſtudieret, ſich ſo wohl der innerlichen als aͤuſſerlichen Curen bey denen Patienten anzu- maſſen pflegen. Ob es nun zwar wohl an dem iſt, daß die mediciniſche Gelehrſamkeit und Erfahrung nicht allezeit an die Univerſitaͤten ge- bunden, ſo iſt dennoch gewiß, daß diejenigen, ſo die Medicin nach den Regeln der Kunſt gehoͤri- ger Maſſen gelernet, und beruͤhmte und bewaͤhr- te Medicos zu ihren Lehrmeiſtern gehabt, eine groͤſſere præſumption ihrer mediciniſchen Wiſſenſchafft vor ſich haben, denn andere, die entweder auff ein bloſſes Gerathewohl etwas probiren, und auf das Leben und Tod ihrer Patienten loß ihre experimenta anſtellen, oder ohne muͤndliche Anweiſung aus mediciniſchen Buͤchern, da ſie das zehende nicht einmahl recht daraus verſtehen, etwas nehmen, und ſich da- durch des Curirens anmaſſen wollen. Gleich- wie man aber nicht ſelten ſiehet, daß es mit den angeſtellten Curen ſolcher unerfahrnen und un- geſchickten Aertzte einen gar ſchlimmen Aus- gang gewinnet, alſo iſt das Curiren, denen, ſo daſſelbe nicht gehoͤriger Maſſen erlernet, nicht leichtlich zu verſtatten. Wo man von derglei- chen Leuten Nachricht erlangt, muß man ſie von
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§. 15. Man ſiehet hin und wieder, daß nicht
allein Zahn-Aertzte, ſondern auch Schaͤfer, alte
Weiber, und andere Leute, die die Medicin
nicht ſtudieret, ſich ſo wohl der innerlichen als
aͤuſſerlichen Curen bey denen Patienten anzu-
maſſen pflegen. Ob es nun zwar wohl an dem
iſt, daß die mediciniſche Gelehrſamkeit und
Erfahrung nicht allezeit an die Univerſitaͤten ge-
bunden, ſo iſt dennoch gewiß, daß diejenigen, ſo
die Medicin nach den Regeln der Kunſt gehoͤri-
ger Maſſen gelernet, und beruͤhmte und bewaͤhr-
te Medicos zu ihren Lehrmeiſtern gehabt, eine
groͤſſere præſumption ihrer mediciniſchen
Wiſſenſchafft vor ſich haben, denn andere, die
entweder auff ein bloſſes Gerathewohl etwas
probiren, und auf das Leben und Tod ihrer
Patienten loß ihre experimenta anſtellen, oder
ohne muͤndliche Anweiſung aus mediciniſchen
Buͤchern, da ſie das zehende nicht einmahl recht
daraus verſtehen, etwas nehmen, und ſich da-
durch des Curirens anmaſſen wollen. Gleich-
wie man aber nicht ſelten ſiehet, daß es mit den
angeſtellten Curen ſolcher unerfahrnen und un-
geſchickten Aertzte einen gar ſchlimmen Aus-
gang gewinnet, alſo iſt das Curiren, denen, ſo
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 755. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/775>, abgerufen am 22.11.2024.
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