Roquette, Otto: Die Schlangenkönigin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 221–335. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.habene kennt, auch an der einfachen Anmuth noch eine Fülle der Freude finden. Stunden waren uns im träumerischen Hingleiten vergangen. Wir hatten sie nicht gezählt, ganz dem Eindrücke dieser erquickenden Waldesruhe hingegeben. Selbst Victor war still geworden, lag ausgestreckt im Kahne und ließ die Hand im Wasser spielen, oder nach einer schwimmenden Blume haschen. Immer einsamer wurde es, kein Nachen begegnete uns mehr, die Dämmerung webte schon einen dichten Flor um uns her Es mußte schwül im freien Felde sein, denn wenn wir zuweilen aus den Bäumen heraus und durch eine freiere Lichtung glitten, wehten uns warme Lustwellen entgegen. Schon hob sich über der Wiese die große rothe Mondesscheibe empor, und als wir von Neuem in das Dickicht einfuhren, war tiefe Nacht um uns her. Ich hatte inzwischen erkennen müssen, daß ich vollkommen verirrt war, und sah voraus, daß, wenn der Zufall uns nicht Hülfe schickte, wir noch Stunden lang, möglicherweise die ganze Nacht mit unserem Kahne umherkreuzen könnten. Mein Begleiter nahm diese Besorgniß indessen mit größerer Ruhe auf, als ich befürchtete. Was thut's? rief er, kann man zu Nacht besser eingewiegt schlafen? Und wenn Elfen und Kobolde erscheinen, uns zu necken, so soll mir die neue Bekanntschaft willkommen sein! Ein helles Wetterleuchten und fernes Gewitterdröhnen gab eine drohende Antwort auf seine Heraus- habene kennt, auch an der einfachen Anmuth noch eine Fülle der Freude finden. Stunden waren uns im träumerischen Hingleiten vergangen. Wir hatten sie nicht gezählt, ganz dem Eindrücke dieser erquickenden Waldesruhe hingegeben. Selbst Victor war still geworden, lag ausgestreckt im Kahne und ließ die Hand im Wasser spielen, oder nach einer schwimmenden Blume haschen. Immer einsamer wurde es, kein Nachen begegnete uns mehr, die Dämmerung webte schon einen dichten Flor um uns her Es mußte schwül im freien Felde sein, denn wenn wir zuweilen aus den Bäumen heraus und durch eine freiere Lichtung glitten, wehten uns warme Lustwellen entgegen. Schon hob sich über der Wiese die große rothe Mondesscheibe empor, und als wir von Neuem in das Dickicht einfuhren, war tiefe Nacht um uns her. Ich hatte inzwischen erkennen müssen, daß ich vollkommen verirrt war, und sah voraus, daß, wenn der Zufall uns nicht Hülfe schickte, wir noch Stunden lang, möglicherweise die ganze Nacht mit unserem Kahne umherkreuzen könnten. Mein Begleiter nahm diese Besorgniß indessen mit größerer Ruhe auf, als ich befürchtete. Was thut's? rief er, kann man zu Nacht besser eingewiegt schlafen? Und wenn Elfen und Kobolde erscheinen, uns zu necken, so soll mir die neue Bekanntschaft willkommen sein! Ein helles Wetterleuchten und fernes Gewitterdröhnen gab eine drohende Antwort auf seine Heraus- <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="2"> <p><pb facs="#f0020"/> habene kennt, auch an der einfachen Anmuth noch eine Fülle der Freude finden.</p><lb/> <p>Stunden waren uns im träumerischen Hingleiten vergangen. Wir hatten sie nicht gezählt, ganz dem Eindrücke dieser erquickenden Waldesruhe hingegeben. Selbst Victor war still geworden, lag ausgestreckt im Kahne und ließ die Hand im Wasser spielen, oder nach einer schwimmenden Blume haschen. Immer einsamer wurde es, kein Nachen begegnete uns mehr, die Dämmerung webte schon einen dichten Flor um uns her Es mußte schwül im freien Felde sein, denn wenn wir zuweilen aus den Bäumen heraus und durch eine freiere Lichtung glitten, wehten uns warme Lustwellen entgegen. Schon hob sich über der Wiese die große rothe Mondesscheibe empor, und als wir von Neuem in das Dickicht einfuhren, war tiefe Nacht um uns her.</p><lb/> <p>Ich hatte inzwischen erkennen müssen, daß ich vollkommen verirrt war, und sah voraus, daß, wenn der Zufall uns nicht Hülfe schickte, wir noch Stunden lang, möglicherweise die ganze Nacht mit unserem Kahne umherkreuzen könnten. Mein Begleiter nahm diese Besorgniß indessen mit größerer Ruhe auf, als ich befürchtete. Was thut's? rief er, kann man zu Nacht besser eingewiegt schlafen? Und wenn Elfen und Kobolde erscheinen, uns zu necken, so soll mir die neue Bekanntschaft willkommen sein!</p><lb/> <p>Ein helles Wetterleuchten und fernes Gewitterdröhnen gab eine drohende Antwort auf seine Heraus-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0020]
habene kennt, auch an der einfachen Anmuth noch eine Fülle der Freude finden.
Stunden waren uns im träumerischen Hingleiten vergangen. Wir hatten sie nicht gezählt, ganz dem Eindrücke dieser erquickenden Waldesruhe hingegeben. Selbst Victor war still geworden, lag ausgestreckt im Kahne und ließ die Hand im Wasser spielen, oder nach einer schwimmenden Blume haschen. Immer einsamer wurde es, kein Nachen begegnete uns mehr, die Dämmerung webte schon einen dichten Flor um uns her Es mußte schwül im freien Felde sein, denn wenn wir zuweilen aus den Bäumen heraus und durch eine freiere Lichtung glitten, wehten uns warme Lustwellen entgegen. Schon hob sich über der Wiese die große rothe Mondesscheibe empor, und als wir von Neuem in das Dickicht einfuhren, war tiefe Nacht um uns her.
Ich hatte inzwischen erkennen müssen, daß ich vollkommen verirrt war, und sah voraus, daß, wenn der Zufall uns nicht Hülfe schickte, wir noch Stunden lang, möglicherweise die ganze Nacht mit unserem Kahne umherkreuzen könnten. Mein Begleiter nahm diese Besorgniß indessen mit größerer Ruhe auf, als ich befürchtete. Was thut's? rief er, kann man zu Nacht besser eingewiegt schlafen? Und wenn Elfen und Kobolde erscheinen, uns zu necken, so soll mir die neue Bekanntschaft willkommen sein!
Ein helles Wetterleuchten und fernes Gewitterdröhnen gab eine drohende Antwort auf seine Heraus-
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