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Roquette, Otto: Die Schlangenkönigin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 221–335. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Morgendufte. Nähere Baumgruppen hoben sich in saftigster Frische hervor, oder zeichneten sich, vor die Sonne tretend, in dunkeln Umrissen ab.

Da erscholl ein hellstimmiger Chorgesang. Es war ein religiöses Lied mit innig schöner Melodie. Und als wir aus den hohen Grasufern des Verbindungskanals jetzt in den Fluß einbogen, kam uns auf unzähligen Kähnen die Kirchenwallfahrt der Gemeinde entgegengeschwommen. Voran der Lehrer mit den singenden Schulkindern; dann in größeren Kähnen alte Frauen, Männer und Kinder; Gruppen von jungen Mädchen, die sich zusammen gethan hatten, geführt von einem schlanken Burschen, der, stolz im Fahrzeug aufrecht stehend, den Nachen dahin gleiten ließ. Kleine schmale Kähnchen umkreisten sie im Wetteifer, oder machten das Gefolge der größeren. Bald war es eine kühne, geputzte Dirne, die allein auf ihrer Nußschale daher schwamm, bald ein Bursche, der von Nachen zu Nacken schoß und den Mädchen lustige Worte zurief. Sie schlugen die Augen auf das Gesangbuch nieder, denn sie waren ja auf der Kirchfahrt. Unabsehbar schien der Zug in seiner mannichfaltigen Farbenpracht. Die weißen Haubenkrausen der Frauen, die sich breit und gesteift von den Schläfen herab um das Kinn zogen, die bunten Kopftücher, die rothen, grünen und blauen Röcke, die hundert Gestalten in ihren verschiedenen Stellungen, die der Wasserspiegel wiedergab, das Alles wob sich mit der morgenhellen Landschaft zu

Morgendufte. Nähere Baumgruppen hoben sich in saftigster Frische hervor, oder zeichneten sich, vor die Sonne tretend, in dunkeln Umrissen ab.

Da erscholl ein hellstimmiger Chorgesang. Es war ein religiöses Lied mit innig schöner Melodie. Und als wir aus den hohen Grasufern des Verbindungskanals jetzt in den Fluß einbogen, kam uns auf unzähligen Kähnen die Kirchenwallfahrt der Gemeinde entgegengeschwommen. Voran der Lehrer mit den singenden Schulkindern; dann in größeren Kähnen alte Frauen, Männer und Kinder; Gruppen von jungen Mädchen, die sich zusammen gethan hatten, geführt von einem schlanken Burschen, der, stolz im Fahrzeug aufrecht stehend, den Nachen dahin gleiten ließ. Kleine schmale Kähnchen umkreisten sie im Wetteifer, oder machten das Gefolge der größeren. Bald war es eine kühne, geputzte Dirne, die allein auf ihrer Nußschale daher schwamm, bald ein Bursche, der von Nachen zu Nacken schoß und den Mädchen lustige Worte zurief. Sie schlugen die Augen auf das Gesangbuch nieder, denn sie waren ja auf der Kirchfahrt. Unabsehbar schien der Zug in seiner mannichfaltigen Farbenpracht. Die weißen Haubenkrausen der Frauen, die sich breit und gesteift von den Schläfen herab um das Kinn zogen, die bunten Kopftücher, die rothen, grünen und blauen Röcke, die hundert Gestalten in ihren verschiedenen Stellungen, die der Wasserspiegel wiedergab, das Alles wob sich mit der morgenhellen Landschaft zu

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[0036] Morgendufte. Nähere Baumgruppen hoben sich in saftigster Frische hervor, oder zeichneten sich, vor die Sonne tretend, in dunkeln Umrissen ab. Da erscholl ein hellstimmiger Chorgesang. Es war ein religiöses Lied mit innig schöner Melodie. Und als wir aus den hohen Grasufern des Verbindungskanals jetzt in den Fluß einbogen, kam uns auf unzähligen Kähnen die Kirchenwallfahrt der Gemeinde entgegengeschwommen. Voran der Lehrer mit den singenden Schulkindern; dann in größeren Kähnen alte Frauen, Männer und Kinder; Gruppen von jungen Mädchen, die sich zusammen gethan hatten, geführt von einem schlanken Burschen, der, stolz im Fahrzeug aufrecht stehend, den Nachen dahin gleiten ließ. Kleine schmale Kähnchen umkreisten sie im Wetteifer, oder machten das Gefolge der größeren. Bald war es eine kühne, geputzte Dirne, die allein auf ihrer Nußschale daher schwamm, bald ein Bursche, der von Nachen zu Nacken schoß und den Mädchen lustige Worte zurief. Sie schlugen die Augen auf das Gesangbuch nieder, denn sie waren ja auf der Kirchfahrt. Unabsehbar schien der Zug in seiner mannichfaltigen Farbenpracht. Die weißen Haubenkrausen der Frauen, die sich breit und gesteift von den Schläfen herab um das Kinn zogen, die bunten Kopftücher, die rothen, grünen und blauen Röcke, die hundert Gestalten in ihren verschiedenen Stellungen, die der Wasserspiegel wiedergab, das Alles wob sich mit der morgenhellen Landschaft zu

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T10:15:33Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Roquette, Otto: Die Schlangenkönigin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 221–335. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roquette_schlangenkoenigin_1910/36>, abgerufen am 21.11.2024.