ist der Branntweiner. Er trägt ein feineres Tuch, wie die Andern und schneidet allwöchentlich seinen Bart. Er trägt allerwege so ein Fläschchen mit sich herum, mit dem er vertraulich Jedem aufwartet, der ihm in den Weg kommt. "Du," sagt er zum Wurzner, zum Pecher, wenn es heißer Sommer ist, "du, ein süß, frisch Tröpfel hätt ich da!" Und wenn es kalter Winter ist: "Du, los (horch) auf, das höllisch Feuer hätt' ich da!"
Wer trinkt, der ist ihm verschrieben, verfallen, der kommt ihm in die Schenke.
Der Branntweiner erntet zweimal. Für's Erste von den Ebereschen die rothen Beeren, von den Hagebutten, Wachholdersträuchen, vom Heidekraut, von Allem, was hier Früchte hervorbringt. Der Branntweiner glaubt an den Geist der Natur, der in allen Geschöpfen lebt, und beschwört ihn hervor aus den Früchten des Waldes, und -- wie jener Zauberer im Märchen -- hinein in die Flasche; -- flugs den Stöpsel darauf, daß er gefangen ist. Seine Brennerei ist ein förmlicher Zauberkreis unter dem hohen, finsteren Tann, ein Kreis, wie ihn auch die Spinne zieht und einwebt. Bald sind ein par Fliegen da und zappeln in dem Netze. Die Waldleute, wie sie herum- und ihren Geschäften nachgehen, zuletzt aber kleben bleiben in der Schenke -- das sind der Spinne die Fliegen,
iſt der Branntweiner. Er trägt ein feineres Tuch, wie die Andern und ſchneidet allwöchentlich ſeinen Bart. Er trägt allerwege ſo ein Fläſchchen mit ſich herum, mit dem er vertraulich Jedem aufwartet, der ihm in den Weg kommt. „Du,“ ſagt er zum Wurzner, zum Pecher, wenn es heißer Sommer iſt, „du, ein ſüß, friſch Tröpfel hätt ich da!“ Und wenn es kalter Winter iſt: „Du, los (horch) auf, das hölliſch Feuer hätt’ ich da!“
Wer trinkt, der iſt ihm verſchrieben, verfallen, der kommt ihm in die Schenke.
Der Branntweiner erntet zweimal. Für’s Erſte von den Ebereſchen die rothen Beeren, von den Hagebutten, Wachholderſträuchen, vom Heidekraut, von Allem, was hier Früchte hervorbringt. Der Branntweiner glaubt an den Geiſt der Natur, der in allen Geſchöpfen lebt, und beſchwört ihn hervor aus den Früchten des Waldes, und — wie jener Zauberer im Märchen — hinein in die Flaſche; — flugs den Stöpſel darauf, daß er gefangen iſt. Seine Brennerei iſt ein förmlicher Zauberkreis unter dem hohen, finſteren Tann, ein Kreis, wie ihn auch die Spinne zieht und einwebt. Bald ſind ein par Fliegen da und zappeln in dem Netze. Die Waldleute, wie ſie herum- und ihren Geſchäften nachgehen, zuletzt aber kleben bleiben in der Schenke — das ſind der Spinne die Fliegen,
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iſt der Branntweiner. Er trägt ein feineres Tuch,
wie die Andern und ſchneidet allwöchentlich ſeinen
Bart. Er trägt allerwege ſo ein Fläſchchen mit ſich
herum, mit dem er vertraulich Jedem aufwartet,
der ihm in den Weg kommt. „Du,“ ſagt er zum
Wurzner, zum Pecher, wenn es heißer Sommer iſt,
„du, ein ſüß, friſch Tröpfel hätt ich da!“ Und
wenn es kalter Winter iſt: „Du, los (horch) auf,
das hölliſch Feuer hätt’ ich da!“
Wer trinkt, der iſt ihm verſchrieben, verfallen,
der kommt ihm in die Schenke.
Der Branntweiner erntet zweimal. Für’s Erſte
von den Ebereſchen die rothen Beeren, von den
Hagebutten, Wachholderſträuchen, vom Heidekraut,
von Allem, was hier Früchte hervorbringt. Der
Branntweiner glaubt an den Geiſt der Natur, der
in allen Geſchöpfen lebt, und beſchwört ihn hervor
aus den Früchten des Waldes, und — wie jener
Zauberer im Märchen — hinein in die Flaſche;
— flugs den Stöpſel darauf, daß er gefangen iſt.
Seine Brennerei iſt ein förmlicher Zauberkreis
unter dem hohen, finſteren Tann, ein Kreis, wie
ihn auch die Spinne zieht und einwebt. Bald
ſind ein par Fliegen da und zappeln in dem
Netze. Die Waldleute, wie ſie herum- und ihren
Geſchäften nachgehen, zuletzt aber kleben bleiben in
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Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/114>, abgerufen am 23.11.2024.
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