an denen der Branntweiner nun seine zweite Ernte hält.
Jedes Weib räth dem Mann, er möge nicht den Weg über den Tann nehmen, der sei so finster und uneben, er sei auch weiter. Der Mann sieht's ein, hat auch gar nichts auf dem Tann zu thun, aber -- 's ist eben ein wandelbar Ding, die Ge- sundheit -- wie er so hinschreitet, da empfindet er jählings so ein Drücken in der Gurgel, ein Grim- men im Bauch -- ein schlimmes Grimmen, schier wie die Magengicht. Pechöl hat er keines bei sich, da weiß er nur noch Ein Mittel und -- er nimmt den Weg über den Tann. -- "Das erste Gläschen -- sagt der Rüppel -- lindert den Schmerz; das zweite macht warm im Herz; das dritte macht noch wärmer; das vierte macht den Beutel nicht mehr ärmer; das fünfte mag erst recht die Glieder spannen; bei dem sechsten wackeln schon die Tannen; bei dem siebenten geht es glühheiß durch den Leib; bei dem achten verlangt sich's nach dem Weib."
Heimwärts wankend aber flucht der gute Mann über das "schlechte" Weib, daß es ihm in diesem schaudervollen Nebel mit keinem Licht ent- gegenkommt; und wenn er endlich -- den Hut tief und schief in die Stirne gedrückt, zur Hütte hereintorkelt, so weiß das Weib schon, was es ge- schlagen hat und was es noch schlagen könnte, wenn
an denen der Branntweiner nun ſeine zweite Ernte hält.
Jedes Weib räth dem Mann, er möge nicht den Weg über den Tann nehmen, der ſei ſo finſter und uneben, er ſei auch weiter. Der Mann ſieht’s ein, hat auch gar nichts auf dem Tann zu thun, aber — ’s iſt eben ein wandelbar Ding, die Ge- ſundheit — wie er ſo hinſchreitet, da empfindet er jählings ſo ein Drücken in der Gurgel, ein Grim- men im Bauch — ein ſchlimmes Grimmen, ſchier wie die Magengicht. Pechöl hat er keines bei ſich, da weiß er nur noch Ein Mittel und — er nimmt den Weg über den Tann. — „Das erſte Gläschen — ſagt der Rüppel — lindert den Schmerz; das zweite macht warm im Herz; das dritte macht noch wärmer; das vierte macht den Beutel nicht mehr ärmer; das fünfte mag erſt recht die Glieder ſpannen; bei dem ſechsten wackeln ſchon die Tannen; bei dem ſiebenten geht es glühheiß durch den Leib; bei dem achten verlangt ſich’s nach dem Weib.“
Heimwärts wankend aber flucht der gute Mann über das „ſchlechte“ Weib, daß es ihm in dieſem ſchaudervollen Nebel mit keinem Licht ent- gegenkommt; und wenn er endlich — den Hut tief und ſchief in die Stirne gedrückt, zur Hütte hereintorkelt, ſo weiß das Weib ſchon, was es ge- ſchlagen hat und was es noch ſchlagen könnte, wenn
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an denen der Branntweiner nun ſeine zweite
Ernte hält.
Jedes Weib räth dem Mann, er möge nicht
den Weg über den Tann nehmen, der ſei ſo finſter
und uneben, er ſei auch weiter. Der Mann ſieht’s
ein, hat auch gar nichts auf dem Tann zu thun,
aber — ’s iſt eben ein wandelbar Ding, die Ge-
ſundheit — wie er ſo hinſchreitet, da empfindet er
jählings ſo ein Drücken in der Gurgel, ein Grim-
men im Bauch — ein ſchlimmes Grimmen, ſchier
wie die Magengicht. Pechöl hat er keines bei ſich,
da weiß er nur noch Ein Mittel und — er nimmt
den Weg über den Tann. — „Das erſte Gläschen
— ſagt der Rüppel — lindert den Schmerz; das
zweite macht warm im Herz; das dritte macht
noch wärmer; das vierte macht den Beutel nicht
mehr ärmer; das fünfte mag erſt recht die Glieder
ſpannen; bei dem ſechsten wackeln ſchon die Tannen;
bei dem ſiebenten geht es glühheiß durch den Leib;
bei dem achten verlangt ſich’s nach dem Weib.“
Heimwärts wankend aber flucht der gute
Mann über das „ſchlechte“ Weib, daß es ihm in
dieſem ſchaudervollen Nebel mit keinem Licht ent-
gegenkommt; und wenn er endlich — den Hut
tief und ſchief in die Stirne gedrückt, zur Hütte
hereintorkelt, ſo weiß das Weib ſchon, was es ge-
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Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/115>, abgerufen am 23.11.2024.
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