Wildschütz bin ich gewesen; viel Rehe und Hirschen hab' ich dem Waldherrn gestohlen."
Hier bricht der Köhler plötzlich ab.
"Und weiter?" frägt der Pfarrer.
"So! und ist Ihm das noch nicht genug?" ruft der Alte, "aufrichtig, Herr Pfarrer, sonst weiß ich nichts. -- Meine Bitt' wär' halt nachher die, daß mir der Herr Pfarrer bei dem Waldherrn mein Unrecht wollt' abbitten. -- Hätt's wol lang selber schon gethan, hab' mir aber allfort gedacht, ein Weilchen wartest noch zu; könntest leicht wieder was brauchen vom Wald herein, müßtest später noch einmal abbitten, wär' mir unlieb. Desweg wart' ein wenig und thu's nachher mit Einem ab. -- Allzulang hab' ich gewartet; jetzt kann ich nimmer. Der Waldherr ist, wer weiß wo, zu weitest weg. Aber gelt, der Herr Pfarrer ist so gut, und gleicht's bei ihm aus mit einer christlichen Red' und thut sagen, ich hätt's wol bereut, könnt' es aber nicht anders mehr machen. -- Jetzt, gewesen ist's halt so: die Kohlenbrennerei gibt wol ein schwarz Stückel Brot, aber wenn Einer zum Feiertag einmal so einen Bissen Fleisch dazu wollt' beißen, so muß man schnurg'rad mit der Büchs hinaus in den Wald. Man kann's nicht lassen, und wenn sich Einer noch so lang spreizt, 's ist gar Schad, man kann's nicht lassen. -- Wenn sie mich etwan einmal erwischt
Wildſchütz bin ich geweſen; viel Rehe und Hirſchen hab’ ich dem Waldherrn geſtohlen.“
Hier bricht der Köhler plötzlich ab.
„Und weiter?“ frägt der Pfarrer.
„So! und iſt Ihm das noch nicht genug?“ ruft der Alte, „aufrichtig, Herr Pfarrer, ſonſt weiß ich nichts. — Meine Bitt’ wär’ halt nachher die, daß mir der Herr Pfarrer bei dem Waldherrn mein Unrecht wollt’ abbitten. — Hätt’s wol lang ſelber ſchon gethan, hab’ mir aber allfort gedacht, ein Weilchen warteſt noch zu; könnteſt leicht wieder was brauchen vom Wald herein, müßteſt ſpäter noch einmal abbitten, wär’ mir unlieb. Desweg wart’ ein wenig und thu’s nachher mit Einem ab. — Allzulang hab’ ich gewartet; jetzt kann ich nimmer. Der Waldherr iſt, wer weiß wo, zu weiteſt weg. Aber gelt, der Herr Pfarrer iſt ſo gut, und gleicht’s bei ihm aus mit einer chriſtlichen Red’ und thut ſagen, ich hätt’s wol bereut, könnt’ es aber nicht anders mehr machen. — Jetzt, geweſen iſt’s halt ſo: die Kohlenbrennerei gibt wol ein ſchwarz Stückel Brot, aber wenn Einer zum Feiertag einmal ſo einen Biſſen Fleiſch dazu wollt’ beißen, ſo muß man ſchnurg’rad mit der Büchs hinaus in den Wald. Man kann’s nicht laſſen, und wenn ſich Einer noch ſo lang ſpreizt, ’s iſt gar Schad, man kann’s nicht laſſen. — Wenn ſie mich etwan einmal erwiſcht
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Wildſchütz bin ich geweſen; viel Rehe und Hirſchen
hab’ ich dem Waldherrn geſtohlen.“
Hier bricht der Köhler plötzlich ab.
„Und weiter?“ frägt der Pfarrer.
„So! und iſt Ihm das noch nicht genug?“
ruft der Alte, „aufrichtig, Herr Pfarrer, ſonſt weiß
ich nichts. — Meine Bitt’ wär’ halt nachher die,
daß mir der Herr Pfarrer bei dem Waldherrn mein
Unrecht wollt’ abbitten. — Hätt’s wol lang ſelber
ſchon gethan, hab’ mir aber allfort gedacht, ein
Weilchen warteſt noch zu; könnteſt leicht wieder was
brauchen vom Wald herein, müßteſt ſpäter noch
einmal abbitten, wär’ mir unlieb. Desweg wart’
ein wenig und thu’s nachher mit Einem ab. —
Allzulang hab’ ich gewartet; jetzt kann ich nimmer.
Der Waldherr iſt, wer weiß wo, zu weiteſt weg.
Aber gelt, der Herr Pfarrer iſt ſo gut, und gleicht’s
bei ihm aus mit einer chriſtlichen Red’ und thut
ſagen, ich hätt’s wol bereut, könnt’ es aber nicht
anders mehr machen. — Jetzt, geweſen iſt’s halt ſo:
die Kohlenbrennerei gibt wol ein ſchwarz Stückel
Brot, aber wenn Einer zum Feiertag einmal ſo einen
Biſſen Fleiſch dazu wollt’ beißen, ſo muß man
ſchnurg’rad mit der Büchs hinaus in den Wald.
Man kann’s nicht laſſen, und wenn ſich Einer noch
ſo lang ſpreizt, ’s iſt gar Schad, man kann’s nicht
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Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 361. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/371>, abgerufen am 21.11.2024.
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