angekommen. -- Der junge, gnädige Herr von Schrankenheim, seit längerer Zeit schon an einer großen Schwermut leidend, sei in Verlust gerathen. Aller Wahrscheinlichkeit nach sei er in das Gebirge gezogen, denn er habe sich mit Kleidern versehen, wie sie Bergreisende tragen. -- Und nun sind die Kleider, ist mein ganzer, lieber Zögling Hermann beschrieben gewesen, so genau wie ein entsprungener Sträfling.
Gut, er wird ja zurückkehren. Er hat seine Waldbesitzungen bereist, was weiter? Sollt' er denn just in der Weise der Reichen reisen? Sollte ein Schrankenheim denn niemals aus seinen Schranken treten dürfen?
Das ist einmal ein Herr für Winkelsteg, Gott sei Dank!
Und mir ist Heil widerfahren, ist ja doch der Berthold und seine Familie gerettet. Ich habe die Leute so schwer auf meinem Gewissen getragen.
Die unklaren Worte unseres Waldherrn, die er mir bei seinem Abschiede gesagt, sind zum Theile klar geworden. Die Waldlilie besucht das Schul- haus und wir üben uns im Lesen und Schreiben und Allem, was daranhängt, so weit ich selber Bescheid weiß. Sie ist gar fleißig und gelehrig, kann selbstständig denken und wird von Tag zu Tag schöner.
angekommen. — Der junge, gnädige Herr von Schrankenheim, ſeit längerer Zeit ſchon an einer großen Schwermut leidend, ſei in Verluſt gerathen. Aller Wahrſcheinlichkeit nach ſei er in das Gebirge gezogen, denn er habe ſich mit Kleidern verſehen, wie ſie Bergreiſende tragen. — Und nun ſind die Kleider, iſt mein ganzer, lieber Zögling Hermann beſchrieben geweſen, ſo genau wie ein entſprungener Sträfling.
Gut, er wird ja zurückkehren. Er hat ſeine Waldbeſitzungen bereiſt, was weiter? Sollt’ er denn juſt in der Weiſe der Reichen reiſen? Sollte ein Schrankenheim denn niemals aus ſeinen Schranken treten dürfen?
Das iſt einmal ein Herr für Winkelſteg, Gott ſei Dank!
Und mir iſt Heil widerfahren, iſt ja doch der Berthold und ſeine Familie gerettet. Ich habe die Leute ſo ſchwer auf meinem Gewiſſen getragen.
Die unklaren Worte unſeres Waldherrn, die er mir bei ſeinem Abſchiede geſagt, ſind zum Theile klar geworden. Die Waldlilie beſucht das Schul- haus und wir üben uns im Leſen und Schreiben und Allem, was daranhängt, ſo weit ich ſelber Beſcheid weiß. Sie iſt gar fleißig und gelehrig, kann ſelbſtſtändig denken und wird von Tag zu Tag ſchöner.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0419"n="409"/>
angekommen. — Der junge, gnädige Herr von<lb/>
Schrankenheim, ſeit längerer Zeit ſchon an einer<lb/>
großen Schwermut leidend, ſei in Verluſt gerathen.<lb/>
Aller Wahrſcheinlichkeit nach ſei er in das Gebirge<lb/>
gezogen, denn er habe ſich mit Kleidern verſehen,<lb/>
wie ſie Bergreiſende tragen. — Und nun ſind die<lb/>
Kleider, iſt mein ganzer, lieber Zögling Hermann<lb/>
beſchrieben geweſen, ſo genau wie ein entſprungener<lb/>
Sträfling.</p><lb/><p>Gut, er wird ja zurückkehren. Er hat ſeine<lb/>
Waldbeſitzungen bereiſt, was weiter? Sollt’ er denn<lb/>
juſt in der Weiſe der Reichen reiſen? Sollte ein<lb/>
Schrankenheim denn niemals aus ſeinen Schranken<lb/>
treten dürfen?</p><lb/><p>Das iſt einmal ein Herr für Winkelſteg, Gott<lb/>ſei Dank!</p><lb/><p>Und mir iſt Heil widerfahren, iſt ja doch der<lb/>
Berthold und ſeine Familie gerettet. Ich habe die<lb/>
Leute ſo ſchwer auf meinem Gewiſſen getragen.</p><lb/><p>Die unklaren Worte unſeres Waldherrn, die<lb/>
er mir bei ſeinem Abſchiede geſagt, ſind zum Theile<lb/>
klar geworden. Die Waldlilie beſucht das Schul-<lb/>
haus und wir üben uns im Leſen und Schreiben<lb/>
und Allem, was daranhängt, ſo weit ich ſelber<lb/>
Beſcheid weiß. Sie iſt gar fleißig und gelehrig,<lb/>
kann ſelbſtſtändig denken und wird von Tag zu<lb/>
Tag ſchöner.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[409/0419]
angekommen. — Der junge, gnädige Herr von
Schrankenheim, ſeit längerer Zeit ſchon an einer
großen Schwermut leidend, ſei in Verluſt gerathen.
Aller Wahrſcheinlichkeit nach ſei er in das Gebirge
gezogen, denn er habe ſich mit Kleidern verſehen,
wie ſie Bergreiſende tragen. — Und nun ſind die
Kleider, iſt mein ganzer, lieber Zögling Hermann
beſchrieben geweſen, ſo genau wie ein entſprungener
Sträfling.
Gut, er wird ja zurückkehren. Er hat ſeine
Waldbeſitzungen bereiſt, was weiter? Sollt’ er denn
juſt in der Weiſe der Reichen reiſen? Sollte ein
Schrankenheim denn niemals aus ſeinen Schranken
treten dürfen?
Das iſt einmal ein Herr für Winkelſteg, Gott
ſei Dank!
Und mir iſt Heil widerfahren, iſt ja doch der
Berthold und ſeine Familie gerettet. Ich habe die
Leute ſo ſchwer auf meinem Gewiſſen getragen.
Die unklaren Worte unſeres Waldherrn, die
er mir bei ſeinem Abſchiede geſagt, ſind zum Theile
klar geworden. Die Waldlilie beſucht das Schul-
haus und wir üben uns im Leſen und Schreiben
und Allem, was daranhängt, ſo weit ich ſelber
Beſcheid weiß. Sie iſt gar fleißig und gelehrig,
kann ſelbſtſtändig denken und wird von Tag zu
Tag ſchöner.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 409. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/419>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.