Am Morgen, da schreit die helle Sonne zum Fenster herein. Sie schreit, es sei Zeit! da will die Sennin mit dem Kübel in den Stall, wo unter vier Füßen die weißen Milch- und Butterbrünnlein fließen. Auf die Milch wartet schon die Flamme des Herdes und auf die Suppe der Hirtenbursche. Er jodelt und jauchzt, da vergeht die Zeit. Das Einfachste aber ist schon, wie's der Berthold macht: er legt sich unter die Bäuche der Kühe und trinkt das Frühstück gleich aus dem Euter heraus.
Just bei dem Berthold und der Aga in der Miesenbachhütte hab ich meine Erfahrungen gemacht. -- Nimmt nach der Morgensuppe die Aga den Korb auf den Rücken und steigt hinab gegen die Futterwiese der Thalmulde, auf daß sie als sorgliche Hausfrau ihrem vierfüßigen Gesinde den Tisch bereite, bei dem es sich melken läßt. Mahl hält die Herde den ganzen Tag; schon zur Morgenfrühe leitet sie der Berthold auf die thau- frische Weide.
Ich habe zu solcher Stunde einmal der Aga zugehört. Sie trillert und singt; es ist ein wunder- sam Liedchen:
"Wan da Winkelboch va Milch wa, Und da Hochkogl va Butta, Und 's Winkelthol vul Sterz dazua, Dös war a Fress'n mei Bua!"
Am Morgen, da ſchreit die helle Sonne zum Fenſter herein. Sie ſchreit, es ſei Zeit! da will die Sennin mit dem Kübel in den Stall, wo unter vier Füßen die weißen Milch- und Butterbrünnlein fließen. Auf die Milch wartet ſchon die Flamme des Herdes und auf die Suppe der Hirtenburſche. Er jodelt und jauchzt, da vergeht die Zeit. Das Einfachſte aber iſt ſchon, wie’s der Berthold macht: er legt ſich unter die Bäuche der Kühe und trinkt das Frühſtück gleich aus dem Euter heraus.
Juſt bei dem Berthold und der Aga in der Mieſenbachhütte hab ich meine Erfahrungen gemacht. — Nimmt nach der Morgenſuppe die Aga den Korb auf den Rücken und ſteigt hinab gegen die Futterwieſe der Thalmulde, auf daß ſie als ſorgliche Hausfrau ihrem vierfüßigen Geſinde den Tiſch bereite, bei dem es ſich melken läßt. Mahl hält die Herde den ganzen Tag; ſchon zur Morgenfrühe leitet ſie der Berthold auf die thau- friſche Weide.
Ich habe zu ſolcher Stunde einmal der Aga zugehört. Sie trillert und ſingt; es iſt ein wunder- ſam Liedchen:
„Wan da Winkelboch va Milch wa, Und da Hochkogl va Butta, Und ’s Winkelthol vul Sterz dazua, Dös war a Freſſ’n mei Bua!“
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0098"n="88"/><p>Am Morgen, da ſchreit die helle Sonne zum<lb/>
Fenſter herein. Sie ſchreit, es ſei Zeit! da will die<lb/>
Sennin mit dem Kübel in den Stall, wo unter<lb/>
vier Füßen die weißen Milch- und Butterbrünnlein<lb/>
fließen. Auf die Milch wartet ſchon die Flamme<lb/>
des Herdes und auf die Suppe der Hirtenburſche.<lb/>
Er jodelt und jauchzt, da vergeht die Zeit. Das<lb/>
Einfachſte aber iſt ſchon, wie’s der Berthold macht:<lb/>
er legt ſich unter die Bäuche der Kühe und<lb/>
trinkt das Frühſtück gleich aus dem Euter heraus.</p><lb/><p>Juſt bei dem Berthold und der Aga in<lb/>
der Mieſenbachhütte hab ich meine Erfahrungen<lb/>
gemacht. — Nimmt nach der Morgenſuppe die<lb/>
Aga den Korb auf den Rücken und ſteigt hinab<lb/>
gegen die Futterwieſe der Thalmulde, auf daß ſie<lb/>
als ſorgliche Hausfrau ihrem vierfüßigen Geſinde<lb/>
den Tiſch bereite, bei dem es ſich melken läßt.<lb/>
Mahl hält die Herde den ganzen Tag; ſchon zur<lb/>
Morgenfrühe leitet ſie der Berthold auf die thau-<lb/>
friſche Weide.</p><lb/><p>Ich habe zu ſolcher Stunde einmal der Aga<lb/>
zugehört. Sie trillert und ſingt; es iſt ein wunder-<lb/>ſam Liedchen:</p><lb/><lgtype="poem"><l>„Wan da Winkelboch va Milch wa,</l><lb/><l>Und da Hochkogl va Butta,</l><lb/><l>Und ’s Winkelthol vul Sterz dazua,</l><lb/><l>Dös war a Freſſ’n mei Bua!“</l></lg><lb/></div></div></body></text></TEI>
[88/0098]
Am Morgen, da ſchreit die helle Sonne zum
Fenſter herein. Sie ſchreit, es ſei Zeit! da will die
Sennin mit dem Kübel in den Stall, wo unter
vier Füßen die weißen Milch- und Butterbrünnlein
fließen. Auf die Milch wartet ſchon die Flamme
des Herdes und auf die Suppe der Hirtenburſche.
Er jodelt und jauchzt, da vergeht die Zeit. Das
Einfachſte aber iſt ſchon, wie’s der Berthold macht:
er legt ſich unter die Bäuche der Kühe und
trinkt das Frühſtück gleich aus dem Euter heraus.
Juſt bei dem Berthold und der Aga in
der Mieſenbachhütte hab ich meine Erfahrungen
gemacht. — Nimmt nach der Morgenſuppe die
Aga den Korb auf den Rücken und ſteigt hinab
gegen die Futterwieſe der Thalmulde, auf daß ſie
als ſorgliche Hausfrau ihrem vierfüßigen Geſinde
den Tiſch bereite, bei dem es ſich melken läßt.
Mahl hält die Herde den ganzen Tag; ſchon zur
Morgenfrühe leitet ſie der Berthold auf die thau-
friſche Weide.
Ich habe zu ſolcher Stunde einmal der Aga
zugehört. Sie trillert und ſingt; es iſt ein wunder-
ſam Liedchen:
„Wan da Winkelboch va Milch wa,
Und da Hochkogl va Butta,
Und ’s Winkelthol vul Sterz dazua,
Dös war a Freſſ’n mei Bua!“
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/98>, abgerufen am 16.05.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.