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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853.

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des Mignonliedes anhebt: "Nach Italjen, nach Italjen,
Möcht' ich, Alter, nur einmalgen!", so ist das Zeitwort:
einmaligen, ein unerhörtes, unmögliches. Aber die burleske
Laune wagt sich damit hervor und fordert unser Lachen
heraus.

Wegen der Verwandtschaft, worin das Bizarre, Ba¬
rocke, Groteske und Burleske unter einander stehen, wird
die Posse, die komische Oper und der komische Roman sie
uns in den mannigfaltigsten Uebergängen vorführen. Cramer,
Jean Paul und Tieck bei uns, Smollet und Sterne bei den
Briten, Scarron und Paul de Kock unter den Franzosen,
haben uns solche Verschmelzungen gegeben. Tieck ist hierbei
weniger in der Anlage des Ganzen, desto mehr im Detail
glücklich. Welch' ein barocker Einfall, in der Novelle: die
Gesellschaft auf dem Lande, den Accusativ als einen
anmuthigen, freundlich entgegenkommenden Jüngling, den
Dativ als einen sitzenden, bärtigen, verdrießlich auf seinen
Schooß niederschauenden Alten zu bilden. Dazu aber die
burleske Rechtfertigung, die in pathetischem Ton ausführt,
daß mit dieser Erfindung den bildenden Künsten, die sich an
der antiken und Nordischen und christlichen Mythologie er¬
schöpft hätten, ein ganz neues Feld aufgethan sei. Welch'
eine Zukunft, wo auch der fürstliche Infinitiv, der souve¬
raine Imperativ von Bildhauern und Malern würden ver¬
herrlicht werden! Diese Rede ist eine Meisterstück der feinsten
Burleske. Paul de Kock steht in dem Ruf, frivol zu
sein. Er ist es auch, allein er ist dennoch weit weniger ge¬
fährlich, als so manche andere wohlgelittene Schriftsteller,
weil er nämlich komisch, weil er vor allen Dingen grotesk
und burlesk ist. So läßt er z. B. in einem seiner Romane
einen jungen Mann endlich ein Rendezvous mit seiner Ge¬

Rosenkranz, Aesthetik des Häßlichen. 15

des Mignonliedes anhebt: „Nach Italjen, nach Italjen,
Möcht' ich, Alter, nur einmalgen!“, ſo iſt das Zeitwort:
einmaligen, ein unerhörtes, unmögliches. Aber die burleske
Laune wagt ſich damit hervor und fordert unſer Lachen
heraus.

Wegen der Verwandtſchaft, worin das Bizarre, Ba¬
rocke, Groteske und Burleske unter einander ſtehen, wird
die Poſſe, die komiſche Oper und der komiſche Roman ſie
uns in den mannigfaltigſten Uebergängen vorführen. Cramer,
Jean Paul und Tieck bei uns, Smollet und Sterne bei den
Briten, Scarron und Paul de Kock unter den Franzoſen,
haben uns ſolche Verſchmelzungen gegeben. Tieck iſt hierbei
weniger in der Anlage des Ganzen, deſto mehr im Detail
glücklich. Welch' ein barocker Einfall, in der Novelle: die
Geſellſchaft auf dem Lande, den Accuſativ als einen
anmuthigen, freundlich entgegenkommenden Jüngling, den
Dativ als einen ſitzenden, bärtigen, verdrießlich auf ſeinen
Schooß niederſchauenden Alten zu bilden. Dazu aber die
burleske Rechtfertigung, die in pathetiſchem Ton ausführt,
daß mit dieſer Erfindung den bildenden Künſten, die ſich an
der antiken und Nordiſchen und chriſtlichen Mythologie er¬
ſchöpft hätten, ein ganz neues Feld aufgethan ſei. Welch'
eine Zukunft, wo auch der fürſtliche Infinitiv, der ſouve¬
raine Imperativ von Bildhauern und Malern würden ver¬
herrlicht werden! Dieſe Rede iſt eine Meiſterſtück der feinſten
Burleske. Paul de Kock ſteht in dem Ruf, frivol zu
ſein. Er iſt es auch, allein er iſt dennoch weit weniger ge¬
fährlich, als ſo manche andere wohlgelittene Schriftſteller,
weil er nämlich komiſch, weil er vor allen Dingen grotesk
und burlesk iſt. So läßt er z. B. in einem ſeiner Romane
einen jungen Mann endlich ein Rendezvous mit ſeiner Ge¬

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[225/0247] des Mignonliedes anhebt: „Nach Italjen, nach Italjen, Möcht' ich, Alter, nur einmalgen!“, ſo iſt das Zeitwort: einmaligen, ein unerhörtes, unmögliches. Aber die burleske Laune wagt ſich damit hervor und fordert unſer Lachen heraus. Wegen der Verwandtſchaft, worin das Bizarre, Ba¬ rocke, Groteske und Burleske unter einander ſtehen, wird die Poſſe, die komiſche Oper und der komiſche Roman ſie uns in den mannigfaltigſten Uebergängen vorführen. Cramer, Jean Paul und Tieck bei uns, Smollet und Sterne bei den Briten, Scarron und Paul de Kock unter den Franzoſen, haben uns ſolche Verſchmelzungen gegeben. Tieck iſt hierbei weniger in der Anlage des Ganzen, deſto mehr im Detail glücklich. Welch' ein barocker Einfall, in der Novelle: die Geſellſchaft auf dem Lande, den Accuſativ als einen anmuthigen, freundlich entgegenkommenden Jüngling, den Dativ als einen ſitzenden, bärtigen, verdrießlich auf ſeinen Schooß niederſchauenden Alten zu bilden. Dazu aber die burleske Rechtfertigung, die in pathetiſchem Ton ausführt, daß mit dieſer Erfindung den bildenden Künſten, die ſich an der antiken und Nordiſchen und chriſtlichen Mythologie er¬ ſchöpft hätten, ein ganz neues Feld aufgethan ſei. Welch' eine Zukunft, wo auch der fürſtliche Infinitiv, der ſouve¬ raine Imperativ von Bildhauern und Malern würden ver¬ herrlicht werden! Dieſe Rede iſt eine Meiſterſtück der feinſten Burleske. Paul de Kock ſteht in dem Ruf, frivol zu ſein. Er iſt es auch, allein er iſt dennoch weit weniger ge¬ fährlich, als ſo manche andere wohlgelittene Schriftſteller, weil er nämlich komiſch, weil er vor allen Dingen grotesk und burlesk iſt. So läßt er z. B. in einem ſeiner Romane einen jungen Mann endlich ein Rendezvous mit ſeiner Ge¬ Roſenkranz, Aeſthetik des Häßlichen. 15

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Zitationshilfe: Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/247>, abgerufen am 22.11.2024.