wicklung interesselos, langweilig. Das Langweilige ist häßlich oder vielmehr die Häßlichkeit des Todten, Leeren, Tauto¬ logischen erzeugt in uns das Gefühl der Langenweile. Das Schöne läßt uns die Zeit vergessen, weil es als ein Ewiges, sich selbst Genügendes, uns auch in die Ewigkeit versetzt und uns mit Seligkeit erfüllt. Wird nun die Leerheit einer Anschauung so groß, daß wir auf die Zeit als Zeit merken, so empfinden wir die Inhaltlosigkeit der reinen Zeit und dies Gefühl ist die Langeweile. Diese an sich ist daher keines¬ wegs komisch, aber der Wendepunct ins Komische, wenn nämlich das Tautologische und Langweilige als Selbstpa¬ rodie oder als Ironie producirt wird und eine ganze schreck¬ liche Ballade nur in diesen Versen besteht:
Eduard und Kunigunde, Kunigunde, Eduard; Eduard und Kunigunde, Kunigunde, Eduard!
III.Das Scheußliche.
Vereint das Schöne die Lieblichkeit der zierlichen Ge¬ stalt mit dem graziösen Spiel der Bewegung, so wird es reizend. Es ist nicht nothwendig, daß dies Spiel ein agi¬ tirtes sei; es kann die größte Ruhe darin herrschen; es muß aber den seelenvollen Ausdruck der Freiheit des Lebens dar¬ stellen. Erinnern wir uns einer jener schlafenden Nymphen, wie die Alten, wie Tizian, wie Netscher, Rubens, sie ge¬ malt haben, so ist der Schlaf kein Tod; auch in der schlafen¬ den spannt die Fülle des Lebens die weiche Haut, hebt und senkt den Busen, ebbt und fluthet durch den leise geöffneten
wicklung intereſſelos, langweilig. Das Langweilige iſt häßlich oder vielmehr die Häßlichkeit des Todten, Leeren, Tauto¬ logiſchen erzeugt in uns das Gefühl der Langenweile. Das Schöne läßt uns die Zeit vergeſſen, weil es als ein Ewiges, ſich ſelbſt Genügendes, uns auch in die Ewigkeit verſetzt und uns mit Seligkeit erfüllt. Wird nun die Leerheit einer Anſchauung ſo groß, daß wir auf die Zeit als Zeit merken, ſo empfinden wir die Inhaltloſigkeit der reinen Zeit und dies Gefühl iſt die Langeweile. Dieſe an ſich iſt daher keines¬ wegs komiſch, aber der Wendepunct ins Komiſche, wenn nämlich das Tautologiſche und Langweilige als Selbſtpa¬ rodie oder als Ironie producirt wird und eine ganze ſchreck¬ liche Ballade nur in dieſen Verſen beſteht:
Eduard und Kunigunde, Kunigunde, Eduard; Eduard und Kunigunde, Kunigunde, Eduard!
III.Das Scheußliche.
Vereint das Schöne die Lieblichkeit der zierlichen Ge¬ ſtalt mit dem graziöſen Spiel der Bewegung, ſo wird es reizend. Es iſt nicht nothwendig, daß dies Spiel ein agi¬ tirtes ſei; es kann die größte Ruhe darin herrſchen; es muß aber den ſeelenvollen Ausdruck der Freiheit des Lebens dar¬ ſtellen. Erinnern wir uns einer jener ſchlafenden Nymphen, wie die Alten, wie Tizian, wie Netſcher, Rubens, ſie ge¬ malt haben, ſo iſt der Schlaf kein Tod; auch in der ſchlafen¬ den ſpannt die Fülle des Lebens die weiche Haut, hebt und ſenkt den Buſen, ebbt und fluthet durch den leiſe geöffneten
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0320"n="298"/>
wicklung intereſſelos, langweilig. Das Langweilige iſt häßlich<lb/>
oder vielmehr die Häßlichkeit des Todten, Leeren, Tauto¬<lb/>
logiſchen erzeugt in uns das Gefühl der Langenweile. Das<lb/>
Schöne läßt uns die Zeit vergeſſen, weil es als ein Ewiges,<lb/>ſich ſelbſt Genügendes, uns auch in die Ewigkeit verſetzt<lb/>
und uns mit Seligkeit erfüllt. Wird nun die Leerheit einer<lb/>
Anſchauung ſo groß, daß wir auf die Zeit als Zeit merken,<lb/>ſo empfinden wir die Inhaltloſigkeit der reinen Zeit und dies<lb/>
Gefühl iſt die Langeweile. Dieſe an ſich iſt daher keines¬<lb/>
wegs komiſch, aber der Wendepunct ins Komiſche, wenn<lb/>
nämlich das Tautologiſche und Langweilige als Selbſtpa¬<lb/>
rodie oder als Ironie producirt wird und eine ganze ſchreck¬<lb/>
liche Ballade nur in dieſen Verſen beſteht:</p><lb/><lgtype="poem"><l>Eduard und Kunigunde,</l><lb/><l>Kunigunde, Eduard;</l><lb/><l>Eduard und Kunigunde,</l><lb/><l>Kunigunde, Eduard!</l><lb/></lg><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div><divn="4"><head><hirendition="#aq #b">III</hi><hirendition="#b">.</hi><hirendition="#b #g">Das Scheußliche</hi><hirendition="#b">.</hi><lb/></head><p>Vereint das Schöne die Lieblichkeit der zierlichen Ge¬<lb/>ſtalt mit dem graziöſen Spiel der Bewegung, ſo wird es<lb/>
reizend. Es iſt nicht nothwendig, daß dies Spiel ein agi¬<lb/>
tirtes ſei; es kann die größte Ruhe darin herrſchen; es muß<lb/>
aber den ſeelenvollen Ausdruck der Freiheit des Lebens dar¬<lb/>ſtellen. Erinnern wir uns einer jener ſchlafenden Nymphen,<lb/>
wie die Alten, wie Tizian, wie Netſcher, Rubens, ſie ge¬<lb/>
malt haben, ſo iſt der Schlaf kein Tod; auch in der ſchlafen¬<lb/>
den ſpannt die Fülle des Lebens die weiche Haut, hebt und<lb/>ſenkt den Buſen, ebbt und fluthet durch den leiſe geöffneten<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[298/0320]
wicklung intereſſelos, langweilig. Das Langweilige iſt häßlich
oder vielmehr die Häßlichkeit des Todten, Leeren, Tauto¬
logiſchen erzeugt in uns das Gefühl der Langenweile. Das
Schöne läßt uns die Zeit vergeſſen, weil es als ein Ewiges,
ſich ſelbſt Genügendes, uns auch in die Ewigkeit verſetzt
und uns mit Seligkeit erfüllt. Wird nun die Leerheit einer
Anſchauung ſo groß, daß wir auf die Zeit als Zeit merken,
ſo empfinden wir die Inhaltloſigkeit der reinen Zeit und dies
Gefühl iſt die Langeweile. Dieſe an ſich iſt daher keines¬
wegs komiſch, aber der Wendepunct ins Komiſche, wenn
nämlich das Tautologiſche und Langweilige als Selbſtpa¬
rodie oder als Ironie producirt wird und eine ganze ſchreck¬
liche Ballade nur in dieſen Verſen beſteht:
Eduard und Kunigunde,
Kunigunde, Eduard;
Eduard und Kunigunde,
Kunigunde, Eduard!
III. Das Scheußliche.
Vereint das Schöne die Lieblichkeit der zierlichen Ge¬
ſtalt mit dem graziöſen Spiel der Bewegung, ſo wird es
reizend. Es iſt nicht nothwendig, daß dies Spiel ein agi¬
tirtes ſei; es kann die größte Ruhe darin herrſchen; es muß
aber den ſeelenvollen Ausdruck der Freiheit des Lebens dar¬
ſtellen. Erinnern wir uns einer jener ſchlafenden Nymphen,
wie die Alten, wie Tizian, wie Netſcher, Rubens, ſie ge¬
malt haben, ſo iſt der Schlaf kein Tod; auch in der ſchlafen¬
den ſpannt die Fülle des Lebens die weiche Haut, hebt und
ſenkt den Buſen, ebbt und fluthet durch den leiſe geöffneten
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/320>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.