kommen lassen? Dieser Meinung würden die zahllosen Stellen der Aesthetik widersprechen, in denen er sich für die Bewunderung Shakespeares gar nicht genug thun kann und für den vorliegenden Fall die bestimmte Aeußerung III., 571. ff. Was sollen wir also denken? Unstreitig müssen wir zugeben, daß Hegel diejenige Handlung, in welcher die Collision von durchaus sittlich berechtigten, affirmativen Mächten ausgeht, unbedingt poetisch höher gestanden hat, als eine solche, worin das Negative als ein Hebel ausge¬ nommen ist. Seine grenzenlose Verehrung der Antigone erklärte dieselbe eben aus diesem Grunde für das "vortreff¬ lichste, befriedigendste Kunstwerk" überhaupt, Aesthetik III., 556. Wir müssen ferner zugeben, daß er zwar der abge¬ sagteste Feind alles strohernen Moralisirens, namentlich des sophistischen Geschwätzes der schlaffen, verzeihungslüsternen Moral eines Iffland und Kotzebue, aber doch und eben deswegen ein Mann der äußersten ethischen Gravität war, dem in einem dem Platonischen Genius verwandten Sinne das Unsittliche bis zur Unerträglichkeit empörend war und dem für die komische Behandlung des Bösen, die während des christlichen Mittelalters sich ausbildete, der Sinn fehlte. Auch die Ironie der romantischen Schule zerfiel ihm wesent¬ lich in "platte Späße". Die Niederländische Genremalerei allein hatte bei ihm das Privilegium, von dem Hohen und Würdigen des Inhalts abzusehen, worauf er sonst unablässig drang. Die Alten, die Hegel hier auch accentuirt, konnten wegen der Idee des Schicksals das Böse noch nicht in freier subjectiver Form darstellen; die Modernen, wie Hegel an andern Orten sehr wohl auseinanderzusetzen weiß, mußten das Böse wegen der Idee der Freiheit, von welcher ihre Weltanschauung durch die Vermittelung des Christenthums
kommen laſſen? Dieſer Meinung würden die zahlloſen Stellen der Aeſthetik widerſprechen, in denen er ſich für die Bewunderung Shakeſpeares gar nicht genug thun kann und für den vorliegenden Fall die beſtimmte Aeußerung III., 571. ff. Was ſollen wir alſo denken? Unſtreitig müſſen wir zugeben, daß Hegel diejenige Handlung, in welcher die Colliſion von durchaus ſittlich berechtigten, affirmativen Mächten ausgeht, unbedingt poetiſch höher geſtanden hat, als eine ſolche, worin das Negative als ein Hebel ausge¬ nommen iſt. Seine grenzenloſe Verehrung der Antigone erklärte dieſelbe eben aus dieſem Grunde für das „vortreff¬ lichſte, befriedigendſte Kunſtwerk“ überhaupt, Aeſthetik III., 556. Wir müſſen ferner zugeben, daß er zwar der abge¬ ſagteſte Feind alles ſtrohernen Moraliſirens, namentlich des ſophiſtiſchen Geſchwätzes der ſchlaffen, verzeihungslüſternen Moral eines Iffland und Kotzebue, aber doch und eben deswegen ein Mann der äußerſten ethiſchen Gravität war, dem in einem dem Platoniſchen Genius verwandten Sinne das Unſittliche bis zur Unerträglichkeit empörend war und dem für die komiſche Behandlung des Böſen, die während des chriſtlichen Mittelalters ſich ausbildete, der Sinn fehlte. Auch die Ironie der romantiſchen Schule zerfiel ihm weſent¬ lich in „platte Späße“. Die Niederländiſche Genremalerei allein hatte bei ihm das Privilegium, von dem Hohen und Würdigen des Inhalts abzuſehen, worauf er ſonſt unabläſſig drang. Die Alten, die Hegel hier auch accentuirt, konnten wegen der Idee des Schickſals das Böſe noch nicht in freier ſubjectiver Form darſtellen; die Modernen, wie Hegel an andern Orten ſehr wohl auseinanderzuſetzen weiß, mußten das Böſe wegen der Idee der Freiheit, von welcher ihre Weltanſchauung durch die Vermittelung des Chriſtenthums
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kommen laſſen? Dieſer Meinung würden die zahlloſen
Stellen der Aeſthetik widerſprechen, in denen er ſich für die
Bewunderung Shakeſpeares gar nicht genug thun kann und
für den vorliegenden Fall die beſtimmte Aeußerung III.,
571. ff. Was ſollen wir alſo denken? Unſtreitig müſſen
wir zugeben, daß Hegel diejenige Handlung, in welcher die
Colliſion von durchaus ſittlich berechtigten, affirmativen
Mächten ausgeht, unbedingt poetiſch höher geſtanden hat,
als eine ſolche, worin das Negative als ein Hebel ausge¬
nommen iſt. Seine grenzenloſe Verehrung der Antigone
erklärte dieſelbe eben aus dieſem Grunde für das „vortreff¬
lichſte, befriedigendſte Kunſtwerk“ überhaupt, Aeſthetik III.,
556. Wir müſſen ferner zugeben, daß er zwar der abge¬
ſagteſte Feind alles ſtrohernen Moraliſirens, namentlich des
ſophiſtiſchen Geſchwätzes der ſchlaffen, verzeihungslüſternen
Moral eines Iffland und Kotzebue, aber doch und eben
deswegen ein Mann der äußerſten ethiſchen Gravität war,
dem in einem dem Platoniſchen Genius verwandten Sinne
das Unſittliche bis zur Unerträglichkeit empörend war und
dem für die komiſche Behandlung des Böſen, die während
des chriſtlichen Mittelalters ſich ausbildete, der Sinn fehlte.
Auch die Ironie der romantiſchen Schule zerfiel ihm weſent¬
lich in „platte Späße“. Die Niederländiſche Genremalerei
allein hatte bei ihm das Privilegium, von dem Hohen und
Würdigen des Inhalts abzuſehen, worauf er ſonſt unabläſſig
drang. Die Alten, die Hegel hier auch accentuirt, konnten
wegen der Idee des Schickſals das Böſe noch nicht in freier
ſubjectiver Form darſtellen; die Modernen, wie Hegel an
andern Orten ſehr wohl auseinanderzuſetzen weiß, mußten
das Böſe wegen der Idee der Freiheit, von welcher ihre
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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 362. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/384>, abgerufen am 24.11.2024.
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