Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

Dritte Betr. Daß der Mensch zur Erk.
solchen Lastern ergeben, die mit der aufrichtigen
Verehrung Gottes unmöglich bestehen können. Die
Zöllner aber, und andere Personen von einem un-
ordentlichen Lebenswandel schienen offenbare Ver-
ächter Gottes und seiner Gebote zu seyn. Und
dennoch waren sie im Grunde des Herzens weit
nicht so schlimm, als iene dem äußerlichen Ansehen
nach so heilige Leute. Ja, sie waren es eben, die
zu allererst den Ermahnungen zur Buße gehorchten,
und auf die Predigt Johannis sich beßerten, so daß
wirklich andere durch ihr Beyspiel beschämt werden
konnten.

Was Jesus den Hohenpriestern und Aeltesten
des Volks erst gleichnisweise gesagt hatte, das
sagt er ihnen noch freyer mit klaren Worten:
Warlich, ich sage euch, die Zöllner und Huren
mögen wohl eher ins Himmelreich kommen
denn ihr.
Man kan sich leicht vorstellen, daß
diese Worte ihnen äußerst empfindlich müßen gewe-
sen seyn; und ohne Zweifel schien diese Rede auch
manchen von dem gegenwärtigen Volke zu hart zu
seyn. Man denke nur: Die Zöllner, diese wegen
ihrer Ungerechtigkeiten und Betriegereyen so berüch-
tigte, und einem ieden ehrlichen Juden verhaste
Leute; Huren, und andere Personen von einer
unordentlichen Lebensart; Sünder, die in den Au-
gen der mehrsten Personen von gutem Ruf und Le-
bensart so verächtlich waren, daß man sich schämte
mit ihnen zu eßen, oder sonst einigen Umgang mit
ihnen zu haben -- diese verächtliche, und wegen
ihrer großen Sünden berüchtigte Leute, werden nicht
nur mit ienen ansehnlichen, wegen ihrer großen

Ein-

Dritte Betr. Daß der Menſch zur Erk.
ſolchen Laſtern ergeben, die mit der aufrichtigen
Verehrung Gottes unmöglich beſtehen können. Die
Zöllner aber, und andere Perſonen von einem un-
ordentlichen Lebenswandel ſchienen offenbare Ver-
ächter Gottes und ſeiner Gebote zu ſeyn. Und
dennoch waren ſie im Grunde des Herzens weit
nicht ſo ſchlimm, als iene dem äußerlichen Anſehen
nach ſo heilige Leute. Ja, ſie waren es eben, die
zu allererſt den Ermahnungen zur Buße gehorchten,
und auf die Predigt Johannis ſich beßerten, ſo daß
wirklich andere durch ihr Beyſpiel beſchämt werden
konnten.

Was Jeſus den Hohenprieſtern und Aelteſten
des Volks erſt gleichnisweiſe geſagt hatte, das
ſagt er ihnen noch freyer mit klaren Worten:
Warlich, ich ſage euch, die Zöllner und Huren
mögen wohl eher ins Himmelreich kommen
denn ihr.
Man kan ſich leicht vorſtellen, daß
dieſe Worte ihnen äußerſt empfindlich müßen gewe-
ſen ſeyn; und ohne Zweifel ſchien dieſe Rede auch
manchen von dem gegenwärtigen Volke zu hart zu
ſeyn. Man denke nur: Die Zöllner, dieſe wegen
ihrer Ungerechtigkeiten und Betriegereyen ſo berüch-
tigte, und einem ieden ehrlichen Juden verhaſte
Leute; Huren, und andere Perſonen von einer
unordentlichen Lebensart; Sünder, die in den Au-
gen der mehrſten Perſonen von gutem Ruf und Le-
bensart ſo verächtlich waren, daß man ſich ſchämte
mit ihnen zu eßen, oder ſonſt einigen Umgang mit
ihnen zu haben — dieſe verächtliche, und wegen
ihrer großen Sünden berüchtigte Leute, werden nicht
nur mit ienen anſehnlichen, wegen ihrer großen

Ein-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0042" n="30"/><fw place="top" type="header">Dritte Betr. Daß der Men&#x017F;ch zur Erk.</fw><lb/>
&#x017F;olchen La&#x017F;tern ergeben, die mit der aufrichtigen<lb/>
Verehrung Gottes unmöglich be&#x017F;tehen können. Die<lb/>
Zöllner aber, und andere Per&#x017F;onen von einem un-<lb/>
ordentlichen Lebenswandel &#x017F;chienen offenbare Ver-<lb/>
ächter Gottes und &#x017F;einer Gebote zu &#x017F;eyn. Und<lb/>
dennoch waren &#x017F;ie im Grunde des Herzens weit<lb/>
nicht &#x017F;o &#x017F;chlimm, als iene dem äußerlichen An&#x017F;ehen<lb/>
nach &#x017F;o heilige Leute. Ja, &#x017F;ie waren es eben, die<lb/>
zu allerer&#x017F;t den Ermahnungen zur Buße gehorchten,<lb/>
und auf die Predigt Johannis &#x017F;ich beßerten, &#x017F;o daß<lb/>
wirklich andere durch ihr Bey&#x017F;piel be&#x017F;chämt werden<lb/>
konnten.</p><lb/>
        <p>Was Je&#x017F;us den Hohenprie&#x017F;tern und Aelte&#x017F;ten<lb/>
des Volks er&#x017F;t gleichniswei&#x017F;e ge&#x017F;agt hatte, das<lb/>
&#x017F;agt er ihnen noch freyer mit klaren Worten:<lb/><hi rendition="#fr">Warlich, ich &#x017F;age euch, die Zöllner und Huren<lb/>
mögen wohl eher ins Himmelreich kommen<lb/>
denn ihr.</hi> Man kan &#x017F;ich leicht vor&#x017F;tellen, daß<lb/>
die&#x017F;e Worte ihnen äußer&#x017F;t empfindlich müßen gewe-<lb/>
&#x017F;en &#x017F;eyn; und ohne Zweifel &#x017F;chien die&#x017F;e Rede auch<lb/>
manchen von dem gegenwärtigen Volke zu hart zu<lb/>
&#x017F;eyn. Man denke nur: Die <hi rendition="#fr">Zöllner,</hi> die&#x017F;e wegen<lb/>
ihrer Ungerechtigkeiten und Betriegereyen &#x017F;o berüch-<lb/>
tigte, und einem ieden ehrlichen Juden verha&#x017F;te<lb/>
Leute; <hi rendition="#fr">Huren,</hi> und andere Per&#x017F;onen von einer<lb/>
unordentlichen Lebensart; <hi rendition="#fr">Sünder,</hi> die in den Au-<lb/>
gen der mehr&#x017F;ten Per&#x017F;onen von gutem Ruf und Le-<lb/>
bensart &#x017F;o verächtlich waren, daß man &#x017F;ich &#x017F;chämte<lb/>
mit ihnen zu eßen, oder &#x017F;on&#x017F;t einigen Umgang mit<lb/>
ihnen zu haben &#x2014; die&#x017F;e verächtliche, und wegen<lb/>
ihrer großen Sünden berüchtigte Leute, werden nicht<lb/>
nur mit ienen an&#x017F;ehnlichen, wegen ihrer großen<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Ein-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[30/0042] Dritte Betr. Daß der Menſch zur Erk. ſolchen Laſtern ergeben, die mit der aufrichtigen Verehrung Gottes unmöglich beſtehen können. Die Zöllner aber, und andere Perſonen von einem un- ordentlichen Lebenswandel ſchienen offenbare Ver- ächter Gottes und ſeiner Gebote zu ſeyn. Und dennoch waren ſie im Grunde des Herzens weit nicht ſo ſchlimm, als iene dem äußerlichen Anſehen nach ſo heilige Leute. Ja, ſie waren es eben, die zu allererſt den Ermahnungen zur Buße gehorchten, und auf die Predigt Johannis ſich beßerten, ſo daß wirklich andere durch ihr Beyſpiel beſchämt werden konnten. Was Jeſus den Hohenprieſtern und Aelteſten des Volks erſt gleichnisweiſe geſagt hatte, das ſagt er ihnen noch freyer mit klaren Worten: Warlich, ich ſage euch, die Zöllner und Huren mögen wohl eher ins Himmelreich kommen denn ihr. Man kan ſich leicht vorſtellen, daß dieſe Worte ihnen äußerſt empfindlich müßen gewe- ſen ſeyn; und ohne Zweifel ſchien dieſe Rede auch manchen von dem gegenwärtigen Volke zu hart zu ſeyn. Man denke nur: Die Zöllner, dieſe wegen ihrer Ungerechtigkeiten und Betriegereyen ſo berüch- tigte, und einem ieden ehrlichen Juden verhaſte Leute; Huren, und andere Perſonen von einer unordentlichen Lebensart; Sünder, die in den Au- gen der mehrſten Perſonen von gutem Ruf und Le- bensart ſo verächtlich waren, daß man ſich ſchämte mit ihnen zu eßen, oder ſonſt einigen Umgang mit ihnen zu haben — dieſe verächtliche, und wegen ihrer großen Sünden berüchtigte Leute, werden nicht nur mit ienen anſehnlichen, wegen ihrer großen Ein-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rosenmueller_betrachtungen_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rosenmueller_betrachtungen_1789/42
Zitationshilfe: Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenmueller_betrachtungen_1789/42>, abgerufen am 01.06.2024.