Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778.Dritte Betr. Daß der Mensch zur Erk. so verständige, heilige und fromme Leute, die Ho-henpriester und Aeltesten des Volks, verachteten die Ermahnungen Johannis des Täufers, und blieben nach wie vor. Ihre vermeinte Gottesfurcht war zwar nichts als Einbildung und Heucheley; denn sie glaubten wenn sie nur gewiße Gebräuche und von Menschen ausgedachte Gewohnheiten beobachteten, so habe es dann nichts zu bedeuten, wenn gleich ih- re Herzen mit Ungerechtigkeit, Neid, Falschheit, Haß, Unbarmherzigkeit und aller Bosheit erfüllt wären. Aber sie glaubten nicht, daß diese Sünden so groß wären, wie sie vom Johanne vorgestellt wur- den. Sie verachteten alle Ermahnungen des from- men Lehrers, beßerten sich nicht, und blieben auf ihrem verstockten Sinn. Hieraus lernen wir, wie äußerst viel daran lichen
Dritte Betr. Daß der Menſch zur Erk. ſo verſtändige, heilige und fromme Leute, die Ho-henprieſter und Aelteſten des Volks, verachteten die Ermahnungen Johannis des Täufers, und blieben nach wie vor. Ihre vermeinte Gottesfurcht war zwar nichts als Einbildung und Heucheley; denn ſie glaubten wenn ſie nur gewiße Gebräuche und von Menſchen ausgedachte Gewohnheiten beobachteten, ſo habe es dann nichts zu bedeuten, wenn gleich ih- re Herzen mit Ungerechtigkeit, Neid, Falſchheit, Haß, Unbarmherzigkeit und aller Bosheit erfüllt wären. Aber ſie glaubten nicht, daß dieſe Sünden ſo groß wären, wie ſie vom Johanne vorgeſtellt wur- den. Sie verachteten alle Ermahnungen des from- men Lehrers, beßerten ſich nicht, und blieben auf ihrem verſtockten Sinn. Hieraus lernen wir, wie äußerſt viel daran lichen
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0044" n="32"/><fw place="top" type="header">Dritte Betr. Daß der Menſch zur Erk.</fw><lb/> ſo verſtändige, heilige und fromme Leute, die Ho-<lb/> henprieſter und Aelteſten des Volks, verachteten die<lb/> Ermahnungen Johannis des Täufers, und blieben<lb/> nach wie vor. Ihre vermeinte Gottesfurcht war<lb/> zwar nichts als Einbildung und Heucheley; denn<lb/> ſie glaubten wenn ſie nur gewiße Gebräuche und von<lb/> Menſchen ausgedachte Gewohnheiten beobachteten,<lb/> ſo habe es dann nichts zu bedeuten, wenn gleich ih-<lb/> re Herzen mit Ungerechtigkeit, Neid, Falſchheit,<lb/> Haß, Unbarmherzigkeit und aller Bosheit erfüllt<lb/> wären. Aber ſie glaubten nicht, daß dieſe Sünden<lb/> ſo groß wären, wie ſie vom Johanne vorgeſtellt wur-<lb/> den. Sie verachteten alle Ermahnungen des from-<lb/> men Lehrers, beßerten ſich nicht, und blieben auf<lb/> ihrem verſtockten Sinn.</p><lb/> <p>Hieraus lernen wir, wie äußerſt viel daran<lb/> gelegen ſey, daß der Menſch ſich ſelbſt recht kennen<lb/> lerne. Denn was war doch die Urſache, daß ſo<lb/> viele vornehme, angeſehene, und bey iedermann<lb/> in Achtung ſtehende Männer von dem Reiche Got-<lb/> tes ausgeſchloßen wurden? Die erſte und nächſte<lb/> Quelle ihres Unglücks war dieſe, daß ſie ſich ſchon<lb/> für fromm und rechtſchaffen hielten, da ſie es doch<lb/> nicht waren. Weil ſie keine Räuber, Diebe, Ehe-<lb/> brecher waren, weil man ſie keiner Betriegerey öf-<lb/> fentlich überführt hatte, weil iedermann eine vor-<lb/> theilhafte Meinung von ihnen hegte, ohne zu un-<lb/> terſuchen, ob ſie die ihnen erwieſene Ehre verdien-<lb/> ten oder nicht, ſo betrachteten ſie ſich ſelbſt mit ei-<lb/> ner gewißen Selbſtzufriedenheit, die ihnen nie er-<lb/> laubte in das Innerſte ihrer Herzen hineinzuſchauen,<lb/> und ihr Verhalten nach den Vorſchriften des gött-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">lichen</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [32/0044]
Dritte Betr. Daß der Menſch zur Erk.
ſo verſtändige, heilige und fromme Leute, die Ho-
henprieſter und Aelteſten des Volks, verachteten die
Ermahnungen Johannis des Täufers, und blieben
nach wie vor. Ihre vermeinte Gottesfurcht war
zwar nichts als Einbildung und Heucheley; denn
ſie glaubten wenn ſie nur gewiße Gebräuche und von
Menſchen ausgedachte Gewohnheiten beobachteten,
ſo habe es dann nichts zu bedeuten, wenn gleich ih-
re Herzen mit Ungerechtigkeit, Neid, Falſchheit,
Haß, Unbarmherzigkeit und aller Bosheit erfüllt
wären. Aber ſie glaubten nicht, daß dieſe Sünden
ſo groß wären, wie ſie vom Johanne vorgeſtellt wur-
den. Sie verachteten alle Ermahnungen des from-
men Lehrers, beßerten ſich nicht, und blieben auf
ihrem verſtockten Sinn.
Hieraus lernen wir, wie äußerſt viel daran
gelegen ſey, daß der Menſch ſich ſelbſt recht kennen
lerne. Denn was war doch die Urſache, daß ſo
viele vornehme, angeſehene, und bey iedermann
in Achtung ſtehende Männer von dem Reiche Got-
tes ausgeſchloßen wurden? Die erſte und nächſte
Quelle ihres Unglücks war dieſe, daß ſie ſich ſchon
für fromm und rechtſchaffen hielten, da ſie es doch
nicht waren. Weil ſie keine Räuber, Diebe, Ehe-
brecher waren, weil man ſie keiner Betriegerey öf-
fentlich überführt hatte, weil iedermann eine vor-
theilhafte Meinung von ihnen hegte, ohne zu un-
terſuchen, ob ſie die ihnen erwieſene Ehre verdien-
ten oder nicht, ſo betrachteten ſie ſich ſelbſt mit ei-
ner gewißen Selbſtzufriedenheit, die ihnen nie er-
laubte in das Innerſte ihrer Herzen hineinzuſchauen,
und ihr Verhalten nach den Vorſchriften des gött-
lichen
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern:
Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |