ganzen Umrisse darstellen zu können, namentlich wenn die umstehenden Bäume derselben Art sind; findet man dagegen einen ganz frei stehenden Baum, so ist man wieder in einer andern Gefahr, nämlich in der, daß der Baum durch seine Erwachsung im vollkommen freien Stande einen ungewöhnlichen Charakter angenommen hat und daher keineswegs als Musterbild seiner Art gelten kann.
Es war bei der Auswahl unsrer Bilder sehr schwer, diesen von beiden Seiten drohenden Klippen auszuweichen. Es war unerläßlich nothwendig, wenigstens ziemlich frei stehende Bäume zu wählen und dabei doch solche zu vermeiden, welche diese ihre freie Stellung zu sehr benutzt hatten zu einer ungewöhnlichen schrankenlosen Gestaltung. Es ist daher bei der Beurtheilung unsrer Bilder hierauf Rücksicht zu nehmen. Wir haben eben so oft uns mit Gewalt zu halten gehabt, einen höchst malerischen Baum nicht zu wählen, als neben zahllos in dichtem Schlusse erwachsenen einen solchen zu finden, der seinen ruhigen, ihm seiner Art nach zukommenden, Entwicklungsdrang hinlänglich hatte geltend machen können.
Diejenigen meiner Leser und Leserinnen, welche sich in der ange- deutenden Weise in den Waldgenuß vertiefen wollen, werden, wenn sie nicht bereits eine vollständige Baumkenntniß besitzen, wahrscheinlich immer in der Lage sein, einen kundigen Freund zu finden, der ihre Baumstudien leitet, und wie ich ausdrücklich wiederhole, im Winter, oder wenigstens vor dem Ausschlag der Knospen beginnen.
Man thut wohl, wenn man diese Studien mit der genauen Unter- scheidung der Knospen und was damit zusammenhängt beginnt, wozu die bereits vorstehenden und die nachfolgenden Abbildungen hinreichende An- leitung geben werden. Man lernt alsdann sehr leicht die Knospen als die Grundlage der Baumarchitektur kennen. Hat man anstatt im ersten Frühjahr bald nach dem Laubfall diese Knospenstudien begonnen, wie sehr anzurathen ist, so hat man bis zum nächsten Ausbrechen des Laubes nicht blos hinlänglich Zeit zu diesen Knospenstudien, sondern da die durch größere Schönheit abziehenden Blätter und Blüthen nicht da sind, auch die Rothwendigkeit, auf jene immer und immer wieder zurückzu- kommen und sich dieselben zuletzt vollständig zu eigen zu machen.
ganzen Umriſſe darſtellen zu können, namentlich wenn die umſtehenden Bäume derſelben Art ſind; findet man dagegen einen ganz frei ſtehenden Baum, ſo iſt man wieder in einer andern Gefahr, nämlich in der, daß der Baum durch ſeine Erwachſung im vollkommen freien Stande einen ungewöhnlichen Charakter angenommen hat und daher keineswegs als Muſterbild ſeiner Art gelten kann.
Es war bei der Auswahl unſrer Bilder ſehr ſchwer, dieſen von beiden Seiten drohenden Klippen auszuweichen. Es war unerläßlich nothwendig, wenigſtens ziemlich frei ſtehende Bäume zu wählen und dabei doch ſolche zu vermeiden, welche dieſe ihre freie Stellung zu ſehr benutzt hatten zu einer ungewöhnlichen ſchrankenloſen Geſtaltung. Es iſt daher bei der Beurtheilung unſrer Bilder hierauf Rückſicht zu nehmen. Wir haben eben ſo oft uns mit Gewalt zu halten gehabt, einen höchſt maleriſchen Baum nicht zu wählen, als neben zahllos in dichtem Schluſſe erwachſenen einen ſolchen zu finden, der ſeinen ruhigen, ihm ſeiner Art nach zukommenden, Entwicklungsdrang hinlänglich hatte geltend machen können.
Diejenigen meiner Leſer und Leſerinnen, welche ſich in der ange- deutenden Weiſe in den Waldgenuß vertiefen wollen, werden, wenn ſie nicht bereits eine vollſtändige Baumkenntniß beſitzen, wahrſcheinlich immer in der Lage ſein, einen kundigen Freund zu finden, der ihre Baumſtudien leitet, und wie ich ausdrücklich wiederhole, im Winter, oder wenigſtens vor dem Ausſchlag der Knospen beginnen.
Man thut wohl, wenn man dieſe Studien mit der genauen Unter- ſcheidung der Knospen und was damit zuſammenhängt beginnt, wozu die bereits vorſtehenden und die nachfolgenden Abbildungen hinreichende An- leitung geben werden. Man lernt alsdann ſehr leicht die Knospen als die Grundlage der Baumarchitektur kennen. Hat man anſtatt im erſten Frühjahr bald nach dem Laubfall dieſe Knospenſtudien begonnen, wie ſehr anzurathen iſt, ſo hat man bis zum nächſten Ausbrechen des Laubes nicht blos hinlänglich Zeit zu dieſen Knospenſtudien, ſondern da die durch größere Schönheit abziehenden Blätter und Blüthen nicht da ſind, auch die Rothwendigkeit, auf jene immer und immer wieder zurückzu- kommen und ſich dieſelben zuletzt vollſtändig zu eigen zu machen.
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ganzen Umriſſe darſtellen zu können, namentlich wenn die umſtehenden
Bäume derſelben Art ſind; findet man dagegen einen ganz frei ſtehenden
Baum, ſo iſt man wieder in einer andern Gefahr, nämlich in der, daß
der Baum durch ſeine Erwachſung im vollkommen freien Stande einen
ungewöhnlichen Charakter angenommen hat und daher keineswegs als
Muſterbild ſeiner Art gelten kann.
Es war bei der Auswahl unſrer Bilder ſehr ſchwer, dieſen von
beiden Seiten drohenden Klippen auszuweichen. Es war unerläßlich
nothwendig, wenigſtens ziemlich frei ſtehende Bäume zu wählen und dabei
doch ſolche zu vermeiden, welche dieſe ihre freie Stellung zu ſehr benutzt
hatten zu einer ungewöhnlichen ſchrankenloſen Geſtaltung. Es iſt daher
bei der Beurtheilung unſrer Bilder hierauf Rückſicht zu nehmen. Wir
haben eben ſo oft uns mit Gewalt zu halten gehabt, einen höchſt
maleriſchen Baum nicht zu wählen, als neben zahllos in dichtem Schluſſe
erwachſenen einen ſolchen zu finden, der ſeinen ruhigen, ihm ſeiner Art
nach zukommenden, Entwicklungsdrang hinlänglich hatte geltend machen
können.
Diejenigen meiner Leſer und Leſerinnen, welche ſich in der ange-
deutenden Weiſe in den Waldgenuß vertiefen wollen, werden, wenn ſie
nicht bereits eine vollſtändige Baumkenntniß beſitzen, wahrſcheinlich immer
in der Lage ſein, einen kundigen Freund zu finden, der ihre Baumſtudien
leitet, und wie ich ausdrücklich wiederhole, im Winter, oder wenigſtens
vor dem Ausſchlag der Knospen beginnen.
Man thut wohl, wenn man dieſe Studien mit der genauen Unter-
ſcheidung der Knospen und was damit zuſammenhängt beginnt, wozu die
bereits vorſtehenden und die nachfolgenden Abbildungen hinreichende An-
leitung geben werden. Man lernt alsdann ſehr leicht die Knospen als
die Grundlage der Baumarchitektur kennen. Hat man anſtatt im erſten
Frühjahr bald nach dem Laubfall dieſe Knospenſtudien begonnen, wie ſehr
anzurathen iſt, ſo hat man bis zum nächſten Ausbrechen des Laubes
nicht blos hinlänglich Zeit zu dieſen Knospenſtudien, ſondern da die
durch größere Schönheit abziehenden Blätter und Blüthen nicht da ſind,
auch die Rothwendigkeit, auf jene immer und immer wieder zurückzu-
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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/258>, abgerufen am 23.12.2024.
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