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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863.

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darum, daß der Wald durch diese Einflüsse so vollständig vernichtet wird,
daß sein Holzvorrath völlig verloren geht, was selbst durch Waldbrände
nur selten vollständig geschieht, indem auch in ihnen wenigstens ein großer
Theil der angekohlten Stämme bleibt. Im Gegentheil spricht sich die
Benachtheiligung der Waldungen durch die genannten Einflüsse mehr
durch eine Störung in der Waldbenutzung und durch eine Verschlechterung
der Güte und Benutzbarkeit des Holzes aus.

Wir wollen den Umstand, daß alle Benachtheiligungen des Waldes
sich am stärksten in den Nadelwaldungen aussprechen, dazu benutzen, diese
schädlichen Einflüsse auf die Waldungen überhaupt an dieser Stelle
kurz zu besprechen und uns dabei besonders auch klar werden, warum die-
selben sich im Nadelholz einflußreicher zeigen, als in Laubwaldungen.

Was zuerst den Einfluß der Stürme betrifft, so zeigt sich derselbe
bekanntlich im Durchschnitt am häufigsten im Spätherbst und im ersten
Frühjahr. Um diese Zeit stehen die Laubwaldungen ohne Laub da und
bieten darum dem Anprall des Sturmwindes eine geringere Fläche dar,
können daher auch weniger leicht vom Sturm gepackt und geworfen
werden. Die Nadelwaldungen dagegen haben zu allen Zeiten ihre volle
Benadlung und sind also auch zu allen Zeiten gleich angreifbar für die
Gewalt der Winde. Hierzu kommt noch, daß die Nadelbäume im Allge-
meinen nicht so tief wurzeln, als es bei den meisten Laubhölzern der
Fall ist, ja die Fichte, der am häufigsten dichtgeschlossene, beständebildende
Nadelbaum, so seicht im Boden streichende Wurzeln hat, daß sie gewisser-
maßen mehr blos mit einem breiten, weitausgreifenden Wurzelgestell auf
dem Boden steht, als mit ihm verflochten ist. Daher kommt es, daß ein
Sturm ganze Fichtenstämme wie Kartenhäuser umwirft und von jedem
Baum die Bodenfläche, in der er wurzelt, mit losgerissen wird und
ein einzelner solcher Baum an einen umgestürzten Leuchter erinnert.

Was den Insektenschaden in den Waldungen betrifft, so sind
nicht nur die Nadelhölzer einer größeren Anzahl schädlicher Insekten preis-
gegeben, sondern soweit diese nadelfressende sind, benachtheiligen sie diese
auch dadurch mehr, daß die Nadelhölzer mit wenigen Ausnahmen und nur
theilweise ihre Nadeln, die sie verloren haben, wieder ersetzen können,
während ein entlaubter Laubholzbaum bekanntermaßen im folgenden,
oft schon in demselben Jahre, das verlorene Laub durch Neues wieder ersetzt.

darum, daß der Wald durch dieſe Einflüſſe ſo vollſtändig vernichtet wird,
daß ſein Holzvorrath völlig verloren geht, was ſelbſt durch Waldbrände
nur ſelten vollſtändig geſchieht, indem auch in ihnen wenigſtens ein großer
Theil der angekohlten Stämme bleibt. Im Gegentheil ſpricht ſich die
Benachtheiligung der Waldungen durch die genannten Einflüſſe mehr
durch eine Störung in der Waldbenutzung und durch eine Verſchlechterung
der Güte und Benutzbarkeit des Holzes aus.

Wir wollen den Umſtand, daß alle Benachtheiligungen des Waldes
ſich am ſtärkſten in den Nadelwaldungen ausſprechen, dazu benutzen, dieſe
ſchädlichen Einflüſſe auf die Waldungen überhaupt an dieſer Stelle
kurz zu beſprechen und uns dabei beſonders auch klar werden, warum die-
ſelben ſich im Nadelholz einflußreicher zeigen, als in Laubwaldungen.

Was zuerſt den Einfluß der Stürme betrifft, ſo zeigt ſich derſelbe
bekanntlich im Durchſchnitt am häufigſten im Spätherbſt und im erſten
Frühjahr. Um dieſe Zeit ſtehen die Laubwaldungen ohne Laub da und
bieten darum dem Anprall des Sturmwindes eine geringere Fläche dar,
können daher auch weniger leicht vom Sturm gepackt und geworfen
werden. Die Nadelwaldungen dagegen haben zu allen Zeiten ihre volle
Benadlung und ſind alſo auch zu allen Zeiten gleich angreifbar für die
Gewalt der Winde. Hierzu kommt noch, daß die Nadelbäume im Allge-
meinen nicht ſo tief wurzeln, als es bei den meiſten Laubhölzern der
Fall iſt, ja die Fichte, der am häufigſten dichtgeſchloſſene, beſtändebildende
Nadelbaum, ſo ſeicht im Boden ſtreichende Wurzeln hat, daß ſie gewiſſer-
maßen mehr blos mit einem breiten, weitausgreifenden Wurzelgeſtell auf
dem Boden ſteht, als mit ihm verflochten iſt. Daher kommt es, daß ein
Sturm ganze Fichtenſtämme wie Kartenhäuſer umwirft und von jedem
Baum die Bodenfläche, in der er wurzelt, mit losgeriſſen wird und
ein einzelner ſolcher Baum an einen umgeſtürzten Leuchter erinnert.

Was den Inſektenſchaden in den Waldungen betrifft, ſo ſind
nicht nur die Nadelhölzer einer größeren Anzahl ſchädlicher Inſekten preis-
gegeben, ſondern ſoweit dieſe nadelfreſſende ſind, benachtheiligen ſie dieſe
auch dadurch mehr, daß die Nadelhölzer mit wenigen Ausnahmen und nur
theilweiſe ihre Nadeln, die ſie verloren haben, wieder erſetzen können,
während ein entlaubter Laubholzbaum bekanntermaßen im folgenden,
oft ſchon in demſelben Jahre, das verlorene Laub durch Neues wieder erſetzt.

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[247/0271] darum, daß der Wald durch dieſe Einflüſſe ſo vollſtändig vernichtet wird, daß ſein Holzvorrath völlig verloren geht, was ſelbſt durch Waldbrände nur ſelten vollſtändig geſchieht, indem auch in ihnen wenigſtens ein großer Theil der angekohlten Stämme bleibt. Im Gegentheil ſpricht ſich die Benachtheiligung der Waldungen durch die genannten Einflüſſe mehr durch eine Störung in der Waldbenutzung und durch eine Verſchlechterung der Güte und Benutzbarkeit des Holzes aus. Wir wollen den Umſtand, daß alle Benachtheiligungen des Waldes ſich am ſtärkſten in den Nadelwaldungen ausſprechen, dazu benutzen, dieſe ſchädlichen Einflüſſe auf die Waldungen überhaupt an dieſer Stelle kurz zu beſprechen und uns dabei beſonders auch klar werden, warum die- ſelben ſich im Nadelholz einflußreicher zeigen, als in Laubwaldungen. Was zuerſt den Einfluß der Stürme betrifft, ſo zeigt ſich derſelbe bekanntlich im Durchſchnitt am häufigſten im Spätherbſt und im erſten Frühjahr. Um dieſe Zeit ſtehen die Laubwaldungen ohne Laub da und bieten darum dem Anprall des Sturmwindes eine geringere Fläche dar, können daher auch weniger leicht vom Sturm gepackt und geworfen werden. Die Nadelwaldungen dagegen haben zu allen Zeiten ihre volle Benadlung und ſind alſo auch zu allen Zeiten gleich angreifbar für die Gewalt der Winde. Hierzu kommt noch, daß die Nadelbäume im Allge- meinen nicht ſo tief wurzeln, als es bei den meiſten Laubhölzern der Fall iſt, ja die Fichte, der am häufigſten dichtgeſchloſſene, beſtändebildende Nadelbaum, ſo ſeicht im Boden ſtreichende Wurzeln hat, daß ſie gewiſſer- maßen mehr blos mit einem breiten, weitausgreifenden Wurzelgeſtell auf dem Boden ſteht, als mit ihm verflochten iſt. Daher kommt es, daß ein Sturm ganze Fichtenſtämme wie Kartenhäuſer umwirft und von jedem Baum die Bodenfläche, in der er wurzelt, mit losgeriſſen wird und ein einzelner ſolcher Baum an einen umgeſtürzten Leuchter erinnert. Was den Inſektenſchaden in den Waldungen betrifft, ſo ſind nicht nur die Nadelhölzer einer größeren Anzahl ſchädlicher Inſekten preis- gegeben, ſondern ſoweit dieſe nadelfreſſende ſind, benachtheiligen ſie dieſe auch dadurch mehr, daß die Nadelhölzer mit wenigen Ausnahmen und nur theilweiſe ihre Nadeln, die ſie verloren haben, wieder erſetzen können, während ein entlaubter Laubholzbaum bekanntermaßen im folgenden, oft ſchon in demſelben Jahre, das verlorene Laub durch Neues wieder erſetzt.

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Zitationshilfe: Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/271>, abgerufen am 17.06.2024.