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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863.

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Es wurde oben schon angedeutet, daß der Auenwald auch die blüthen-
reichste Form des Waldes ist. Da sich die Laubwälder im Allgemeinen
lichter stellen als die Nadelwälder, mithin keine so dunkle Beschattung
des Bodens stattfindet, so bleibt kein Fuß breit Boden von dem niederen
Völkchen der Kräuter und Gräser unbenutzt. Darunter ist manches
stattliche Gewächs, sei es durch bunten Blüthenschmuck, sei es durch
saftige Blätterfülle aus dem undurchdringlichen Kräuterdickicht hervortretend.

Der Auenwald ist daher auch der Lieblingsaufenthalt für die tief am
Boden nistenden Singvögel, voran die Nachtigall, welche in ihrer kurzen
Liederzeit ihren Gesang aus dem dichten Gezweig des Unterholzes, oder
von einem niedern Baumaste herab erschallen läßt.

Ganz andere Gefühle und Gedanken weckt die Heide in uns.
Wir schleppen uns in Gedanken im tiefen Sande des Fahrwegs oder
schreiten über den sonndurchglühten, von niederen Sandpflanzen kaum
verhüllten Heideboden, dessen verkrüppelte Kiefern und Birken uns die
unerquickliche Aussicht kaum beeinträchtigen. Ganz so schlimm ist es aber
nicht immer. Wenn wir die mit diesem Namen officiell benannten Heiden,
die Lüneburger, die Dübener, die Görlitzer, die Dresdener und andere
mit einander vergleichen, so finden wir nicht nur eine sehr große Ver-
schiedenheit in der Wüchsigkeit ihrer Waldbestände, sondern wir finden
auch, daß sie hinsichtlich ihrer Bodenverhältnisse auf zwei ganz ver-
schiedenen, einander entgegengesetzten Bedingungen beruhen: auf Sand
und auf Moor. Zwei so verschiedene Ursachen rufen dieselbe Wirkung
hervor, wenn auch das Zusammenwerfen der Sandheiden und der Moor-
heiden in mehr als einer Hinsicht nicht gerechtfertigt ist, da sie nicht nur
verschiedene landschaftliche Bilder geben, sondern auch forstlich sich sehr
verschieden von einander verhalten.

So grell der Unterschied zwischen Heide und Auenwald auch erscheint,
so ist doch die erstere, wenn sie Moorheide ist, dem letzteren physisch
nahe verwandt, denn sie ist wie dieser durch Wasserreichthum des Bodens
bedingt und findet sich eben so vorzugsweise in der Ebene, jedoch eben
sowohl auf der Hoch- wie in der Tief-Ebene. Der Unterschied zwischen
beiden beruht in dem tiefen Untergrunde, welcher bei der Moorheide das
überschüssige Wasser nicht in die Tiefen des Grundes hinabtreten läßt,
sondern durch eine Thon- oder eine andere undurchdringliche Schicht in

Es wurde oben ſchon angedeutet, daß der Auenwald auch die blüthen-
reichſte Form des Waldes iſt. Da ſich die Laubwälder im Allgemeinen
lichter ſtellen als die Nadelwälder, mithin keine ſo dunkle Beſchattung
des Bodens ſtattfindet, ſo bleibt kein Fuß breit Boden von dem niederen
Völkchen der Kräuter und Gräſer unbenutzt. Darunter iſt manches
ſtattliche Gewächs, ſei es durch bunten Blüthenſchmuck, ſei es durch
ſaftige Blätterfülle aus dem undurchdringlichen Kräuterdickicht hervortretend.

Der Auenwald iſt daher auch der Lieblingsaufenthalt für die tief am
Boden niſtenden Singvögel, voran die Nachtigall, welche in ihrer kurzen
Liederzeit ihren Geſang aus dem dichten Gezweig des Unterholzes, oder
von einem niedern Baumaſte herab erſchallen läßt.

Ganz andere Gefühle und Gedanken weckt die Heide in uns.
Wir ſchleppen uns in Gedanken im tiefen Sande des Fahrwegs oder
ſchreiten über den ſonndurchglühten, von niederen Sandpflanzen kaum
verhüllten Heideboden, deſſen verkrüppelte Kiefern und Birken uns die
unerquickliche Ausſicht kaum beeinträchtigen. Ganz ſo ſchlimm iſt es aber
nicht immer. Wenn wir die mit dieſem Namen officiell benannten Heiden,
die Lüneburger, die Dübener, die Görlitzer, die Dresdener und andere
mit einander vergleichen, ſo finden wir nicht nur eine ſehr große Ver-
ſchiedenheit in der Wüchſigkeit ihrer Waldbeſtände, ſondern wir finden
auch, daß ſie hinſichtlich ihrer Bodenverhältniſſe auf zwei ganz ver-
ſchiedenen, einander entgegengeſetzten Bedingungen beruhen: auf Sand
und auf Moor. Zwei ſo verſchiedene Urſachen rufen dieſelbe Wirkung
hervor, wenn auch das Zuſammenwerfen der Sandheiden und der Moor-
heiden in mehr als einer Hinſicht nicht gerechtfertigt iſt, da ſie nicht nur
verſchiedene landſchaftliche Bilder geben, ſondern auch forſtlich ſich ſehr
verſchieden von einander verhalten.

So grell der Unterſchied zwiſchen Heide und Auenwald auch erſcheint,
ſo iſt doch die erſtere, wenn ſie Moorheide iſt, dem letzteren phyſiſch
nahe verwandt, denn ſie iſt wie dieſer durch Waſſerreichthum des Bodens
bedingt und findet ſich eben ſo vorzugsweiſe in der Ebene, jedoch eben
ſowohl auf der Hoch- wie in der Tief-Ebene. Der Unterſchied zwiſchen
beiden beruht in dem tiefen Untergrunde, welcher bei der Moorheide das
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ſondern durch eine Thon- oder eine andere undurchdringliche Schicht in

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[557/0613] Es wurde oben ſchon angedeutet, daß der Auenwald auch die blüthen- reichſte Form des Waldes iſt. Da ſich die Laubwälder im Allgemeinen lichter ſtellen als die Nadelwälder, mithin keine ſo dunkle Beſchattung des Bodens ſtattfindet, ſo bleibt kein Fuß breit Boden von dem niederen Völkchen der Kräuter und Gräſer unbenutzt. Darunter iſt manches ſtattliche Gewächs, ſei es durch bunten Blüthenſchmuck, ſei es durch ſaftige Blätterfülle aus dem undurchdringlichen Kräuterdickicht hervortretend. Der Auenwald iſt daher auch der Lieblingsaufenthalt für die tief am Boden niſtenden Singvögel, voran die Nachtigall, welche in ihrer kurzen Liederzeit ihren Geſang aus dem dichten Gezweig des Unterholzes, oder von einem niedern Baumaſte herab erſchallen läßt. Ganz andere Gefühle und Gedanken weckt die Heide in uns. Wir ſchleppen uns in Gedanken im tiefen Sande des Fahrwegs oder ſchreiten über den ſonndurchglühten, von niederen Sandpflanzen kaum verhüllten Heideboden, deſſen verkrüppelte Kiefern und Birken uns die unerquickliche Ausſicht kaum beeinträchtigen. Ganz ſo ſchlimm iſt es aber nicht immer. Wenn wir die mit dieſem Namen officiell benannten Heiden, die Lüneburger, die Dübener, die Görlitzer, die Dresdener und andere mit einander vergleichen, ſo finden wir nicht nur eine ſehr große Ver- ſchiedenheit in der Wüchſigkeit ihrer Waldbeſtände, ſondern wir finden auch, daß ſie hinſichtlich ihrer Bodenverhältniſſe auf zwei ganz ver- ſchiedenen, einander entgegengeſetzten Bedingungen beruhen: auf Sand und auf Moor. Zwei ſo verſchiedene Urſachen rufen dieſelbe Wirkung hervor, wenn auch das Zuſammenwerfen der Sandheiden und der Moor- heiden in mehr als einer Hinſicht nicht gerechtfertigt iſt, da ſie nicht nur verſchiedene landſchaftliche Bilder geben, ſondern auch forſtlich ſich ſehr verſchieden von einander verhalten. So grell der Unterſchied zwiſchen Heide und Auenwald auch erſcheint, ſo iſt doch die erſtere, wenn ſie Moorheide iſt, dem letzteren phyſiſch nahe verwandt, denn ſie iſt wie dieſer durch Waſſerreichthum des Bodens bedingt und findet ſich eben ſo vorzugsweiſe in der Ebene, jedoch eben ſowohl auf der Hoch- wie in der Tief-Ebene. Der Unterſchied zwiſchen beiden beruht in dem tiefen Untergrunde, welcher bei der Moorheide das überſchüſſige Waſſer nicht in die Tiefen des Grundes hinabtreten läßt, ſondern durch eine Thon- oder eine andere undurchdringliche Schicht in

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Zitationshilfe: Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 557. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/613>, abgerufen am 17.06.2024.