sie sich im vollen Circul ihrer wiederstrahlenden Herrlichkeit sahe: Und Diana hat den Endy- mion nicht zärtlicher caressiren können, wenn sie sich herab liesse, diesen schönen jungen Schäfer zu küssen, als sich unsere Madame Charlton ihres unbekannten Galans wegen anietzo liebkosete.
Nun der längst erwünschte Tag brach endlich an; nur die langsame Stunden verweileten das ernstliche und sehnliche Verlangen der Madame Charlton zu erfüllen. Die Glocke hatte nicht so bald dreye geschlagen, so ruffte sie ihrem Mägd- gen, mit deme sie, so geschwind als möglich, nach St. Jacobs-Park zueylete, und indem sie längst der Mall hinspatzierete, und kaum erwarten kunnte, wie es ablauffen werde, schickte sie ihre Augen, als schnelle Vorbothen ihres unruhigen Gemüthes, im- mer voran, das vortreffliche Wildpret auszuspä- hen; Aber, O! wie erschrack sie nicht, als sie gera- de vor dem St. Jacobs Pallast den Herrn Tho- mas Wagstaff erblickte, der auf einer Banck saß, sich in einer gantz melancholischen Positur auf seinen Arm lehnete, und mit tieffem Nachsin- nen etwas lase. Sie kannte ihn bey dem ersten Anblick, und trat plötzlich zurück, als ob ihr zarter Fuß die gifftigste Otter oder abscheuligste Kröte zer- treten hätte. Wagstaff sahe in die Höhe, und wurde der Dame Verwirrung gewahr, auf wel- che er mit derjenigen Höflichkeit und Hochachtung,
die
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und Madame Charlton.
ſie ſich im vollen Circul ihrer wiederſtrahlenden Herrlichkeit ſahe: Und Diana hat den Endy- mion nicht zaͤrtlicher careſſiren koͤnnen, wenn ſie ſich herab lieſſe, dieſen ſchoͤnen jungen Schaͤfer zu kuͤſſen, als ſich unſere Madame Charlton ihres unbekannten Galans wegen anietzo liebkoſete.
Nun der laͤngſt erwuͤnſchte Tag brach endlich an; nur die langſame Stunden verweileten das ernſtliche und ſehnliche Verlangen der Madame Charlton zu erfuͤllen. Die Glocke hatte nicht ſo bald dreye geſchlagen, ſo ruffte ſie ihrem Maͤgd- gen, mit deme ſie, ſo geſchwind als moͤglich, nach St. Jacobs-Park zueylete, und indem ſie laͤngſt der Mall hinſpatzierete, und kaum erwarten kunnte, wie es ablauffen werde, ſchickte ſie ihre Augen, als ſchnelle Vorbothen ihres unruhigen Gemuͤthes, im- mer voran, das vortreffliche Wildpret auszuſpaͤ- hen; Aber, O! wie erſchrack ſie nicht, als ſie gera- de vor dem St. Jacobs Pallaſt den Herrn Tho- mas Wagſtaff erblickte, der auf einer Banck ſaß, ſich in einer gantz melancholiſchen Poſitur auf ſeinen Arm lehnete, und mit tieffem Nachſin- nen etwas laſe. Sie kannte ihn bey dem erſten Anblick, und trat ploͤtzlich zuruͤck, als ob ihr zarter Fuß die gifftigſte Otter oder abſcheuligſte Kroͤte zer- treten haͤtte. Wagſtaff ſahe in die Hoͤhe, und wurde der Dame Verwirrung gewahr, auf wel- che er mit derjenigen Hoͤflichkeit und Hochachtung,
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und Madame Charlton.
ſie ſich im vollen Circul ihrer wiederſtrahlenden
Herrlichkeit ſahe: Und Diana hat den Endy-
mion nicht zaͤrtlicher careſſiren koͤnnen, wenn ſie
ſich herab lieſſe, dieſen ſchoͤnen jungen Schaͤfer zu
kuͤſſen, als ſich unſere Madame Charlton ihres
unbekannten Galans wegen anietzo liebkoſete.
Nun der laͤngſt erwuͤnſchte Tag brach endlich
an; nur die langſame Stunden verweileten das
ernſtliche und ſehnliche Verlangen der Madame
Charlton zu erfuͤllen. Die Glocke hatte nicht
ſo bald dreye geſchlagen, ſo ruffte ſie ihrem Maͤgd-
gen, mit deme ſie, ſo geſchwind als moͤglich, nach
St. Jacobs-Park zueylete, und indem ſie laͤngſt
der Mall hinſpatzierete, und kaum erwarten kunnte,
wie es ablauffen werde, ſchickte ſie ihre Augen, als
ſchnelle Vorbothen ihres unruhigen Gemuͤthes, im-
mer voran, das vortreffliche Wildpret auszuſpaͤ-
hen; Aber, O! wie erſchrack ſie nicht, als ſie gera-
de vor dem St. Jacobs Pallaſt den Herrn Tho-
mas Wagſtaff erblickte, der auf einer Banck
ſaß, ſich in einer gantz melancholiſchen Poſitur
auf ſeinen Arm lehnete, und mit tieffem Nachſin-
nen etwas laſe. Sie kannte ihn bey dem erſten
Anblick, und trat ploͤtzlich zuruͤck, als ob ihr zarter
Fuß die gifftigſte Otter oder abſcheuligſte Kroͤte zer-
treten haͤtte. Wagſtaff ſahe in die Hoͤhe, und
wurde der Dame Verwirrung gewahr, auf wel-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die Angaben des Verlagsortes und des Verlegers si… [mehr]
Die Angaben des Verlagsortes und des Verlegers sind fingiert. Die Angaben basieren auf dem Katalogeintrag der Bayerische Staatsbibliothek München sowie Weller (Druckorte), Bd. 1, S. 70. - Bibliogr. Nachweis: BLC to 1975, Bd. 186, S. 449.
Rost, Johann Leonhard: Leben und Thaten Derer berühmtesten Englischen Coquetten und Maitressen. Nürnberg, 1721, S. 407. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rost_thaten_1721/427>, abgerufen am 22.11.2024.
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