III. Nachweis der trophischen Wirkung der functionellen Reize.
weist meiner Meinung nach für diese Substanzen sehr evident die ihnen von uns supponirte Qualität.
Für die anderen Gewebe, für die Muskeln, Drüsen, Ner- ven, Ganglien- und Sinneszellen kann ich indessen das Ange- führte nicht als zum Beweise ausreichend erachten. Für die aus diesen Geweben gebildeten Organe sind indessen noch andere Gründe vorhanden, um auch in ihnen dem functionellen Reize einen die Assimilation stärkenden Einfluss zuzuerkennen.
Für diese activ fungirenden Organe liegt eine grosse Reihe sehr interessanter und wichtiger Beobachtungen vor, von denen wir zunächst diejenigen vorführen werden, welche die Folgen der Reizentziehung nach Durchschneidung der den Reiz zuführenden Nerven uns erkennen lassen.
Nach Durchschneidung eines Bewegungsnerven atrophirt nach den übereinstimmenden Beobachtungen zahlreicher Unter- sucher der zugehörige Muskel mit absoluter Sicherheit innerhalb weniger Wochen zu einem bindegewebigen Strang. L. Her- mann1) sagt in Bezug darauf: "Ein beständiger erhaltener Ein- fluss des Nervensystemes ist durch diese Thatsache erwiesen, so viel auch noch zu ihrem Verständniss fehlt." Schon nach drei bis vier Tagen nimmt die directe und indirecte Erregbar- keit des Muskels ab. Die Atrophie erfolgt unter Undeutlich- werden der Querstreifung, körniger Trübung, Schwund der specifischen Substanz, Fettkörnchen-Ansammlung und schliess- lichem gänzlichen Schwund der specifischen Gebilde. Es fin- det also unter dem Zugrundegehen des Normalen, Specifischen ein anderer Stoffwechsel statt, von welchem es unbekannt ist, ob er blos ein Stehenbleiben des normalen Stoffwechsels auf niedrigerer Stufe darstellt, oder ob er eine eigene besondere Beschaffenheit besitzt, welche direct der normalen Regeneration
1) L. Hermann, Handbuch der Physiologie. Bd. I. p. 138.
III. Nachweis der trophischen Wirkung der functionellen Reize.
weist meiner Meinung nach für diese Substanzen sehr evident die ihnen von uns supponirte Qualität.
Für die anderen Gewebe, für die Muskeln, Drüsen, Ner- ven, Ganglien- und Sinneszellen kann ich indessen das Ange- führte nicht als zum Beweise ausreichend erachten. Für die aus diesen Geweben gebildeten Organe sind indessen noch andere Gründe vorhanden, um auch in ihnen dem functionellen Reize einen die Assimilation stärkenden Einfluss zuzuerkennen.
Für diese activ fungirenden Organe liegt eine grosse Reihe sehr interessanter und wichtiger Beobachtungen vor, von denen wir zunächst diejenigen vorführen werden, welche die Folgen der Reizentziehung nach Durchschneidung der den Reiz zuführenden Nerven uns erkennen lassen.
Nach Durchschneidung eines Bewegungsnerven atrophirt nach den übereinstimmenden Beobachtungen zahlreicher Unter- sucher der zugehörige Muskel mit absoluter Sicherheit innerhalb weniger Wochen zu einem bindegewebigen Strang. L. Her- mann1) sagt in Bezug darauf: »Ein beständiger erhaltener Ein- fluss des Nervensystemes ist durch diese Thatsache erwiesen, so viel auch noch zu ihrem Verständniss fehlt.« Schon nach drei bis vier Tagen nimmt die directe und indirecte Erregbar- keit des Muskels ab. Die Atrophie erfolgt unter Undeutlich- werden der Querstreifung, körniger Trübung, Schwund der specifischen Substanz, Fettkörnchen-Ansammlung und schliess- lichem gänzlichen Schwund der specifischen Gebilde. Es fin- det also unter dem Zugrundegehen des Normalen, Specifischen ein anderer Stoffwechsel statt, von welchem es unbekannt ist, ob er blos ein Stehenbleiben des normalen Stoffwechsels auf niedrigerer Stufe darstellt, oder ob er eine eigene besondere Beschaffenheit besitzt, welche direct der normalen Regeneration
1) L. Hermann, Handbuch der Physiologie. Bd. I. p. 138.
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[117/0131]
III. Nachweis der trophischen Wirkung der functionellen Reize.
weist meiner Meinung nach für diese Substanzen sehr evident
die ihnen von uns supponirte Qualität.
Für die anderen Gewebe, für die Muskeln, Drüsen, Ner-
ven, Ganglien- und Sinneszellen kann ich indessen das Ange-
führte nicht als zum Beweise ausreichend erachten. Für die
aus diesen Geweben gebildeten Organe sind indessen noch
andere Gründe vorhanden, um auch in ihnen dem functionellen
Reize einen die Assimilation stärkenden Einfluss zuzuerkennen.
Für diese activ fungirenden Organe liegt eine grosse
Reihe sehr interessanter und wichtiger Beobachtungen vor, von
denen wir zunächst diejenigen vorführen werden, welche die
Folgen der Reizentziehung nach Durchschneidung der den
Reiz zuführenden Nerven uns erkennen lassen.
Nach Durchschneidung eines Bewegungsnerven atrophirt
nach den übereinstimmenden Beobachtungen zahlreicher Unter-
sucher der zugehörige Muskel mit absoluter Sicherheit innerhalb
weniger Wochen zu einem bindegewebigen Strang. L. Her-
mann 1) sagt in Bezug darauf: »Ein beständiger erhaltener Ein-
fluss des Nervensystemes ist durch diese Thatsache erwiesen,
so viel auch noch zu ihrem Verständniss fehlt.« Schon nach
drei bis vier Tagen nimmt die directe und indirecte Erregbar-
keit des Muskels ab. Die Atrophie erfolgt unter Undeutlich-
werden der Querstreifung, körniger Trübung, Schwund der
specifischen Substanz, Fettkörnchen-Ansammlung und schliess-
lichem gänzlichen Schwund der specifischen Gebilde. Es fin-
det also unter dem Zugrundegehen des Normalen, Specifischen
ein anderer Stoffwechsel statt, von welchem es unbekannt ist,
ob er blos ein Stehenbleiben des normalen Stoffwechsels auf
niedrigerer Stufe darstellt, oder ob er eine eigene besondere
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1) L. Hermann, Handbuch der Physiologie. Bd. I. p. 138.
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Roux, Wilhelm: Der Kampf der Teile des Organismus. Leipzig, 1881, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roux_kampf_1881/131>, abgerufen am 16.02.2025.
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