Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807.Begleiter; wir brachten mehrere Morgen in der Gallerie zu. Tischbein führte uns mit der ihm eigenen Gefälligkeit herum, und erklärte meinen jungen Begleiterinnen ungemein bereitwillig alles, was sie ihn fragten. Bald aber horchte er, wie mein Begleiter meinem noch unmündigen Kunst- sinne aufhalf. Jch kann Dir die Verklärung nicht darstellen, die auf P ... s Gesicht erschien, wenn er vor den herrlichen Meisterwerken stand. Es gibt Momente, sagte er, wo das Gefühl, ein Mensch zu seyn, an sich schon Seligkeit ist; wo der Name einzelner Menschen in unserer Seele wie in einem Tempel in heiliger Stille thronet! Der Tag, den wir mit ihm auf der Wilhelmshöhe feierten, wird mir einer der unvergeßlichsten blei- ben. Jn den Christoph stieg er nicht hinein, wohl aber verweilte er mit uns einige Stunden auf der Höhe der Kaskade, und weidete Herz und Auge mit uns an der Herrlichkeit der Natur, die man da überschau't. Er war zum erstenmale hier, und genoß mit wahrhaft kindlicher Seele des reizenden Lokale, und doch war er vorlängst in Schafhau- sen, und sah den Rheinfall. Aber mit ganzer Begleiter; wir brachten mehrere Morgen in der Gallerie zu. Tiſchbein führte uns mit der ihm eigenen Gefälligkeit herum, und erklärte meinen jungen Begleiterinnen ungemein bereitwillig alles, was ſie ihn fragten. Bald aber horchte er, wie mein Begleiter meinem noch unmündigen Kunſt- ſinne aufhalf. Jch kann Dir die Verklärung nicht darſtellen, die auf P … s Geſicht erſchien, wenn er vor den herrlichen Meiſterwerken ſtand. Es gibt Momente, ſagte er, wo das Gefühl, ein Menſch zu ſeyn, an ſich ſchon Seligkeit iſt; wo der Name einzelner Menſchen in unſerer Seele wie in einem Tempel in heiliger Stille thronet! Der Tag, den wir mit ihm auf der Wilhelmshöhe feierten, wird mir einer der unvergeßlichſten blei- ben. Jn den Chriſtoph ſtieg er nicht hinein, wohl aber verweilte er mit uns einige Stunden auf der Höhe der Kaskade, und weidete Herz und Auge mit uns an der Herrlichkeit der Natur, die man da überſchau’t. Er war zum erſtenmale hier, und genoß mit wahrhaft kindlicher Seele des reizenden Lokale, und doch war er vorlängſt in Schafhau- ſen, und ſah den Rheinfall. Aber mit ganzer <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0125" n="111"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> Begleiter; wir brachten mehrere Morgen in der<lb/> Gallerie zu. <hi rendition="#g">Tiſchbein</hi> führte uns mit der ihm<lb/> eigenen Gefälligkeit herum, und erklärte meinen<lb/> jungen Begleiterinnen ungemein bereitwillig alles,<lb/> was ſie ihn fragten. Bald aber horchte er, wie<lb/> mein Begleiter meinem noch unmündigen Kunſt-<lb/> ſinne aufhalf. Jch kann Dir die Verklärung nicht<lb/> darſtellen, die auf P … s Geſicht erſchien, wenn<lb/> er vor den herrlichen Meiſterwerken ſtand. Es<lb/> gibt Momente, ſagte er, wo das Gefühl, ein<lb/> Menſch zu ſeyn, an ſich ſchon Seligkeit iſt; wo der<lb/> Name einzelner Menſchen in unſerer Seele wie<lb/> in einem Tempel in heiliger Stille thronet! Der<lb/> Tag, den wir mit ihm auf der <hi rendition="#g">Wilhelmshöhe</hi><lb/> feierten, wird mir einer der unvergeßlichſten blei-<lb/> ben. Jn den Chriſtoph ſtieg er nicht hinein, wohl<lb/> aber verweilte er mit uns einige Stunden auf der<lb/> Höhe der Kaskade, und weidete Herz und Auge<lb/> mit uns an der Herrlichkeit der Natur, die man<lb/> da überſchau’t. Er war zum erſtenmale hier, und<lb/> genoß mit wahrhaft kindlicher Seele des reizenden<lb/> Lokale, und doch war er vorlängſt in <hi rendition="#g">Schafhau-<lb/> ſen</hi>, und ſah den Rheinfall. Aber mit ganzer<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [111/0125]
Begleiter; wir brachten mehrere Morgen in der
Gallerie zu. Tiſchbein führte uns mit der ihm
eigenen Gefälligkeit herum, und erklärte meinen
jungen Begleiterinnen ungemein bereitwillig alles,
was ſie ihn fragten. Bald aber horchte er, wie
mein Begleiter meinem noch unmündigen Kunſt-
ſinne aufhalf. Jch kann Dir die Verklärung nicht
darſtellen, die auf P … s Geſicht erſchien, wenn
er vor den herrlichen Meiſterwerken ſtand. Es
gibt Momente, ſagte er, wo das Gefühl, ein
Menſch zu ſeyn, an ſich ſchon Seligkeit iſt; wo der
Name einzelner Menſchen in unſerer Seele wie
in einem Tempel in heiliger Stille thronet! Der
Tag, den wir mit ihm auf der Wilhelmshöhe
feierten, wird mir einer der unvergeßlichſten blei-
ben. Jn den Chriſtoph ſtieg er nicht hinein, wohl
aber verweilte er mit uns einige Stunden auf der
Höhe der Kaskade, und weidete Herz und Auge
mit uns an der Herrlichkeit der Natur, die man
da überſchau’t. Er war zum erſtenmale hier, und
genoß mit wahrhaft kindlicher Seele des reizenden
Lokale, und doch war er vorlängſt in Schafhau-
ſen, und ſah den Rheinfall. Aber mit ganzer
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |