lasse niemand als die verständige Gertrud meine Stelle vertreten, wenn ich gehindert bin. So- bald sie im Bette sind, kommt niemand mehr zu ihnen.
Jda schläft auch fast immer sogleich ein. Ma- thilde wacht oft noch lange. Gertrud ist unter- dessen im Nebenzimmer. Gestern Abend betete Jda so: "Lieber Gott! ich bin heute sehr ver- gnügt gewesen; bald wär' ich auch unartig gewe- sen, war es aber doch nicht. Laß doch meine Mut- ter heute Nacht recht süß ruhen, und von Jda träumen." Mathilde ist nicht gewöhnt, zu be- ten, und ich lasse sie, bis ihre Zeit gekommen seyn wird.
Morgens um 6 Uhr stehe ich auf. Um 7 Uhr die beiden Kinder. Dann wird jedes in seinem Eckchen gewaschen. Jedes hat nämlich eine eigene Seite der Schlafkammer inne, wo es, abgekehrt von dem andern, gewaschen und gekleidet wird. Jda's Schamhaftigkeit wird sich bald auch Ma- thilden mittheilen. Mathilde, als die älteste,
laſſe niemand als die verſtändige Gertrud meine Stelle vertreten, wenn ich gehindert bin. So- bald ſie im Bette ſind, kommt niemand mehr zu ihnen.
Jda ſchläft auch faſt immer ſogleich ein. Ma- thilde wacht oft noch lange. Gertrud iſt unter- deſſen im Nebenzimmer. Geſtern Abend betete Jda ſo: „Lieber Gott! ich bin heute ſehr ver- gnügt geweſen; bald wär’ ich auch unartig gewe- ſen, war es aber doch nicht. Laß doch meine Mut- ter heute Nacht recht ſüß ruhen, und von Jda träumen.‟ Mathilde iſt nicht gewöhnt, zu be- ten, und ich laſſe ſie, bis ihre Zeit gekommen ſeyn wird.
Morgens um 6 Uhr ſtehe ich auf. Um 7 Uhr die beiden Kinder. Dann wird jedes in ſeinem Eckchen gewaſchen. Jedes hat nämlich eine eigene Seite der Schlafkammer inne, wo es, abgekehrt von dem andern, gewaſchen und gekleidet wird. Jda’s Schamhaftigkeit wird ſich bald auch Ma- thilden mittheilen. Mathilde, als die älteſte,
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laſſe niemand als die verſtändige Gertrud meine
Stelle vertreten, wenn ich gehindert bin. So-
bald ſie im Bette ſind, kommt niemand mehr zu
ihnen.
Jda ſchläft auch faſt immer ſogleich ein. Ma-
thilde wacht oft noch lange. Gertrud iſt unter-
deſſen im Nebenzimmer. Geſtern Abend betete
Jda ſo: „Lieber Gott! ich bin heute ſehr ver-
gnügt geweſen; bald wär’ ich auch unartig gewe-
ſen, war es aber doch nicht. Laß doch meine Mut-
ter heute Nacht recht ſüß ruhen, und von Jda
träumen.‟ Mathilde iſt nicht gewöhnt, zu be-
ten, und ich laſſe ſie, bis ihre Zeit gekommen
ſeyn wird.
Morgens um 6 Uhr ſtehe ich auf. Um 7 Uhr
die beiden Kinder. Dann wird jedes in ſeinem
Eckchen gewaſchen. Jedes hat nämlich eine eigene
Seite der Schlafkammer inne, wo es, abgekehrt
von dem andern, gewaſchen und gekleidet wird.
Jda’s Schamhaftigkeit wird ſich bald auch Ma-
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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/155>, abgerufen am 24.11.2024.
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