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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807.

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war uns nothwendiger geworden, als ich selbst
wußte. Unser kleines Hauswesen mußte fast ganz
neu organisirt werden, seit dieses Glied von der
Kette abgelös't war. Jetzt ist alles wieder in Ord-
nung; aber wir vermissen das treue Herz noch
täglich. Froh bin ich indessen, daß sie bei Dir
ist. Du bedurftest ihrer ungleich mehr wie wir.

Ehegestern überraschte uns der trefliche Pfar-
rer aus N. Er übergab mir sein Clärchen (der
Mutter Herzblatt) für den Winter. Da bringe
ich Jhnen einen rohen Schelm, dem Sie aber
doch werden gut seyn müssen, sagt' er. Er blieb
bis diesen Nachmittag bei uns. Sein Besuch
war dem Hause eine liebe Erscheinung. Clärchen
ist das Bild der guten, gesunden, stark ausge-
prägten Natur. Als der Vater von uns ging,
schluchzte sie und weinte ihr Tuch ganz naß. Zwei
Stunden nachher war sie mit mir und den Kin-
dern, als hätte sie immer mit uns gelebt. Heute
werd' ich sie förmlich bei uns in Schlaf- und Wohn-
zimmer einrichten, und mein liebes Dreiblatt, so
viel es thunlich ist, in allen Stücken gleich

(30)

war uns nothwendiger geworden, als ich ſelbſt
wußte. Unſer kleines Hausweſen mußte faſt ganz
neu organiſirt werden, ſeit dieſes Glied von der
Kette abgelöſ’t war. Jetzt iſt alles wieder in Ord-
nung; aber wir vermiſſen das treue Herz noch
täglich. Froh bin ich indeſſen, daß ſie bei Dir
iſt. Du bedurfteſt ihrer ungleich mehr wie wir.

Ehegeſtern überraſchte uns der trefliche Pfar-
rer aus N. Er übergab mir ſein Clärchen (der
Mutter Herzblatt) für den Winter. Da bringe
ich Jhnen einen rohen Schelm, dem Sie aber
doch werden gut ſeyn müſſen, ſagt’ er. Er blieb
bis dieſen Nachmittag bei uns. Sein Beſuch
war dem Hauſe eine liebe Erſcheinung. Clärchen
iſt das Bild der guten, geſunden, ſtark ausge-
prägten Natur. Als der Vater von uns ging,
ſchluchzte ſie und weinte ihr Tuch ganz naß. Zwei
Stunden nachher war ſie mit mir und den Kin-
dern, als hätte ſie immer mit uns gelebt. Heute
werd’ ich ſie förmlich bei uns in Schlaf- und Wohn-
zimmer einrichten, und mein liebes Dreiblatt, ſo
viel es thunlich iſt, in allen Stücken gleich

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[233/0247] war uns nothwendiger geworden, als ich ſelbſt wußte. Unſer kleines Hausweſen mußte faſt ganz neu organiſirt werden, ſeit dieſes Glied von der Kette abgelöſ’t war. Jetzt iſt alles wieder in Ord- nung; aber wir vermiſſen das treue Herz noch täglich. Froh bin ich indeſſen, daß ſie bei Dir iſt. Du bedurfteſt ihrer ungleich mehr wie wir. Ehegeſtern überraſchte uns der trefliche Pfar- rer aus N. Er übergab mir ſein Clärchen (der Mutter Herzblatt) für den Winter. Da bringe ich Jhnen einen rohen Schelm, dem Sie aber doch werden gut ſeyn müſſen, ſagt’ er. Er blieb bis dieſen Nachmittag bei uns. Sein Beſuch war dem Hauſe eine liebe Erſcheinung. Clärchen iſt das Bild der guten, geſunden, ſtark ausge- prägten Natur. Als der Vater von uns ging, ſchluchzte ſie und weinte ihr Tuch ganz naß. Zwei Stunden nachher war ſie mit mir und den Kin- dern, als hätte ſie immer mit uns gelebt. Heute werd’ ich ſie förmlich bei uns in Schlaf- und Wohn- zimmer einrichten, und mein liebes Dreiblatt, ſo viel es thunlich iſt, in allen Stücken gleich (30)

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/247>, abgerufen am 21.11.2024.