Jch. Nun, Clärchen, nenne mir als Beispiel nur eine Sache, die du gelernt hast.
Cl. Jch habe ja schreiben gelernt, und nähen, und kochen, und --
Jch. Und ehe du angefangen hattest zu lernen, wußtest du da, wie man es machen muß, wenn man schreiben will? und nun vollends gut zu schreiben?
Cl. Nein. Jch sah so oft die Briefe an, die mein Vater schrieb, und die er erhielt, und konn- te nicht begreifen, wie sich die Gedanken auf's Papier heften ließen, und dachte, ich würde das niemals können. Und wie sich ganze Gespräche so auf's Papier bringen, und dann wieder able- sen ließen, ich konnt' und konnte das nicht fassen.
Mathilde. Und ehe ich stricken konnte, war es mir durchaus unbegreiflich, wie dadurch ein Strumpf werden konnte, daß man die Strick- nadeln unaufhörlich in der Hand bewegt. Es ging das, wenn ich auch zusah, so geschwind, daß ich nichts davon begriff.
Jch. Nun, Clärchen, nenne mir als Beiſpiel nur eine Sache, die du gelernt haſt.
Cl. Jch habe ja ſchreiben gelernt, und nähen, und kochen, und —
Jch. Und ehe du angefangen hatteſt zu lernen, wußteſt du da, wie man es machen muß, wenn man ſchreiben will? und nun vollends gut zu ſchreiben?
Cl. Nein. Jch ſah ſo oft die Briefe an, die mein Vater ſchrieb, und die er erhielt, und konn- te nicht begreifen, wie ſich die Gedanken auf’s Papier heften ließen, und dachte, ich würde das niemals können. Und wie ſich ganze Geſpräche ſo auf’s Papier bringen, und dann wieder able- ſen ließen, ich konnt’ und konnte das nicht faſſen.
Mathilde. Und ehe ich ſtricken konnte, war es mir durchaus unbegreiflich, wie dadurch ein Strumpf werden konnte, daß man die Strick- nadeln unaufhörlich in der Hand bewegt. Es ging das, wenn ich auch zuſah, ſo geſchwind, daß ich nichts davon begriff.
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Jch. Nun, Clärchen, nenne mir als Beiſpiel
nur eine Sache, die du gelernt haſt.
Cl. Jch habe ja ſchreiben gelernt, und nähen,
und kochen, und —
Jch. Und ehe du angefangen hatteſt zu lernen,
wußteſt du da, wie man es machen muß, wenn
man ſchreiben will? und nun vollends gut zu
ſchreiben?
Cl. Nein. Jch ſah ſo oft die Briefe an, die
mein Vater ſchrieb, und die er erhielt, und konn-
te nicht begreifen, wie ſich die Gedanken auf’s
Papier heften ließen, und dachte, ich würde das
niemals können. Und wie ſich ganze Geſpräche
ſo auf’s Papier bringen, und dann wieder able-
ſen ließen, ich konnt’ und konnte das nicht faſſen.
Mathilde. Und ehe ich ſtricken konnte, war
es mir durchaus unbegreiflich, wie dadurch ein
Strumpf werden konnte, daß man die Strick-
nadeln unaufhörlich in der Hand bewegt. Es
ging das, wenn ich auch zuſah, ſo geſchwind,
daß ich nichts davon begriff.
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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/254>, abgerufen am 22.11.2024.
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