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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.

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Dir ein wenig stark akzentuirt haben: sie sah'
halb schelmisch, halb verlegen mich an. -- Nicht
wahr, Tante, der Hauptnutzen für Hertha wäre der,
daß sie vielleicht für ihr Hasenherz ein neues bes-
seres Herz bekäme, wenn es -- oft so in der Nä-
he brennte? Getroffen, liebe Hertha. Aber wo-
zu dient es denn den armen Besitzern des Hau-
ses? Laß uns, erwiederte Bruno, diese Frage
vom Privatnutzen eines jeden Übels einmal bei
Seite thun, Hertha, und dafür lieber so fragen:
wenn das Feuer sich's untersteht, auch Häuser
anzuzünden, warum mußte es überall erschaffen
werden? Hertha drohete ihm mit dem Finger.
Bruno fuhr ernsthaft fort: sollte es lieber kein
Feuer geben, damit es niemals am unrechten Orte
brenne, oder sollte das Feuer, wenn es doch ein-
mal seyn muß, eine Jntelligenz seyn, damit es
wisse, was es thue, und sich an nichts vergreife,
worauf die Menschen einen Werth setzen? Oder
sollten nicht die Menschen den Himmel vielmehr
um Klugheit und Geschick und Behutsamkeit an-
flehen, damit sie dies kostbare Geschenk nicht kin-
disch mißbrauchen oder thöricht verwahrlosen? --



Dir ein wenig ſtark akzentuirt haben: ſie ſah’
halb ſchelmiſch, halb verlegen mich an. — Nicht
wahr, Tante, der Hauptnutzen für Hertha wäre der,
daß ſie vielleicht für ihr Haſenherz ein neues beſ-
ſeres Herz bekäme, wenn es — oft ſo in der Nä-
he brennte? Getroffen, liebe Hertha. Aber wo-
zu dient es denn den armen Beſitzern des Hau-
ſes? Laß uns, erwiederte Bruno, dieſe Frage
vom Privatnutzen eines jeden Übels einmal bei
Seite thun, Hertha, und dafür lieber ſo fragen:
wenn das Feuer ſich’s unterſteht, auch Häuſer
anzuzünden, warum mußte es überall erſchaffen
werden? Hertha drohete ihm mit dem Finger.
Bruno fuhr ernſthaft fort: ſollte es lieber kein
Feuer geben, damit es niemals am unrechten Orte
brenne, oder ſollte das Feuer, wenn es doch ein-
mal ſeyn muß, eine Jntelligenz ſeyn, damit es
wiſſe, was es thue, und ſich an nichts vergreife,
worauf die Menſchen einen Werth ſetzen? Oder
ſollten nicht die Menſchen den Himmel vielmehr
um Klugheit und Geſchick und Behutſamkeit an-
flehen, damit ſie dies koſtbare Geſchenk nicht kin-
diſch mißbrauchen oder thöricht verwahrloſen? —

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[275/0283] Dir ein wenig ſtark akzentuirt haben: ſie ſah’ halb ſchelmiſch, halb verlegen mich an. — Nicht wahr, Tante, der Hauptnutzen für Hertha wäre der, daß ſie vielleicht für ihr Haſenherz ein neues beſ- ſeres Herz bekäme, wenn es — oft ſo in der Nä- he brennte? Getroffen, liebe Hertha. Aber wo- zu dient es denn den armen Beſitzern des Hau- ſes? Laß uns, erwiederte Bruno, dieſe Frage vom Privatnutzen eines jeden Übels einmal bei Seite thun, Hertha, und dafür lieber ſo fragen: wenn das Feuer ſich’s unterſteht, auch Häuſer anzuzünden, warum mußte es überall erſchaffen werden? Hertha drohete ihm mit dem Finger. Bruno fuhr ernſthaft fort: ſollte es lieber kein Feuer geben, damit es niemals am unrechten Orte brenne, oder ſollte das Feuer, wenn es doch ein- mal ſeyn muß, eine Jntelligenz ſeyn, damit es wiſſe, was es thue, und ſich an nichts vergreife, worauf die Menſchen einen Werth ſetzen? Oder ſollten nicht die Menſchen den Himmel vielmehr um Klugheit und Geſchick und Behutſamkeit an- flehen, damit ſie dies koſtbare Geſchenk nicht kin- diſch mißbrauchen oder thöricht verwahrloſen? —

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/283>, abgerufen am 21.11.2024.