Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 4. Leipzig, 1838.Schönheit und Ebenmaß ließ ich als Grund mir gnügen, Sie aber wollten noch dazu den andern fügen, Daß dieser edelste und himmelnächste Sinn Sei doppelt angelegt dazu von Anbeginn, Damit ein Auge doch, wann eines ward gekränkt, Noch blieb', in welches nun die ganze Kraft sich senkt. Des Grundes Richtigkeit vermocht' ich nicht zu fassen, Nun aber will ich ihn und muß ihn gelten lassen, Seitdem ein Auge, mir nicht minder lieb als meines, An einem theuern Haupt zu Schaden kam, nur eines. Nun dank' ich Gott, daß ihm noch eines blieb geschenkt, Und bete, daß darein sei Doppelkraft gesenkt, Gedoppelt Himmelslicht, gedoppelt Seelenlust, Daß innen zum Gewinn werd' außen der Verlust. Die Endursache mag im Dinge selbst nicht seyn, Mit Recht trägt sie der Mensch zu seinem Trost hinein. Schoͤnheit und Ebenmaß ließ ich als Grund mir gnuͤgen, Sie aber wollten noch dazu den andern fuͤgen, Daß dieſer edelſte und himmelnaͤchſte Sinn Sei doppelt angelegt dazu von Anbeginn, Damit ein Auge doch, wann eines ward gekraͤnkt, Noch blieb', in welches nun die ganze Kraft ſich ſenkt. Des Grundes Richtigkeit vermocht' ich nicht zu faſſen, Nun aber will ich ihn und muß ihn gelten laſſen, Seitdem ein Auge, mir nicht minder lieb als meines, An einem theuern Haupt zu Schaden kam, nur eines. Nun dank' ich Gott, daß ihm noch eines blieb geſchenkt, Und bete, daß darein ſei Doppelkraft geſenkt, Gedoppelt Himmelslicht, gedoppelt Seelenluſt, Daß innen zum Gewinn werd' außen der Verluſt. Die Endurſache mag im Dinge ſelbſt nicht ſeyn, Mit Recht traͤgt ſie der Menſch zu ſeinem Troſt hinein. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0237" n="227"/> <lg n="3"> <l>Schoͤnheit und Ebenmaß ließ ich als Grund mir gnuͤgen,</l><lb/> <l>Sie aber wollten noch dazu den andern fuͤgen,</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Daß dieſer edelſte und himmelnaͤchſte Sinn</l><lb/> <l>Sei doppelt angelegt dazu von Anbeginn,</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Damit ein Auge doch, wann eines ward gekraͤnkt,</l><lb/> <l>Noch blieb', in welches nun die ganze Kraft ſich ſenkt.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Des Grundes Richtigkeit vermocht' ich nicht zu faſſen,</l><lb/> <l>Nun aber will ich ihn und muß ihn gelten laſſen,</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Seitdem ein Auge, mir nicht minder lieb als meines,</l><lb/> <l>An einem theuern Haupt zu Schaden kam, nur eines.</l> </lg><lb/> <lg n="8"> <l>Nun dank' ich Gott, daß ihm noch eines blieb geſchenkt,</l><lb/> <l>Und bete, daß darein ſei Doppelkraft geſenkt,</l> </lg><lb/> <lg n="9"> <l>Gedoppelt Himmelslicht, gedoppelt Seelenluſt,</l><lb/> <l>Daß innen zum Gewinn werd' außen der Verluſt.</l> </lg><lb/> <lg n="10"> <l>Die Endurſache mag im Dinge ſelbſt nicht ſeyn,</l><lb/> <l>Mit Recht traͤgt ſie der Menſch zu ſeinem Troſt hinein.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [227/0237]
Schoͤnheit und Ebenmaß ließ ich als Grund mir gnuͤgen,
Sie aber wollten noch dazu den andern fuͤgen,
Daß dieſer edelſte und himmelnaͤchſte Sinn
Sei doppelt angelegt dazu von Anbeginn,
Damit ein Auge doch, wann eines ward gekraͤnkt,
Noch blieb', in welches nun die ganze Kraft ſich ſenkt.
Des Grundes Richtigkeit vermocht' ich nicht zu faſſen,
Nun aber will ich ihn und muß ihn gelten laſſen,
Seitdem ein Auge, mir nicht minder lieb als meines,
An einem theuern Haupt zu Schaden kam, nur eines.
Nun dank' ich Gott, daß ihm noch eines blieb geſchenkt,
Und bete, daß darein ſei Doppelkraft geſenkt,
Gedoppelt Himmelslicht, gedoppelt Seelenluſt,
Daß innen zum Gewinn werd' außen der Verluſt.
Die Endurſache mag im Dinge ſelbſt nicht ſeyn,
Mit Recht traͤgt ſie der Menſch zu ſeinem Troſt hinein.
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