Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 6. Leipzig, 1839.6. Die Mutter, die dem Kind nicht selber Nahrung schenkt, Beneide nur die Brust der Amme, die es tränkt; Die für den ersten Quell des Lebens, den sie beut, Vom ersten Lächeln auch des Dankes wird erfreut. So mag dem Vater auch, der selbst sein Kind nicht zieht, Der wecken Eifersucht, durch welchen es geschieht; Der ihm ein geistiges Gepräge drücket ein, Das wichtiger doch ist, als das von Fleisch und Bein. 7. O hätt' ich Bäume doch vor fünfundzwanzig Jahren Gepflanzt, als rüstig noch dazu die Hände waren! Sie hätten längst nun schon mit Schatten mich gelabt, Mit goldner Früchte Lohn auch meinen Fleiß begabt. Nun statt der Obstbaumzucht erzog ich Liederkeime, Mir trugen weder Frucht noch Schatten all die Reime. 6. Die Mutter, die dem Kind nicht ſelber Nahrung ſchenkt, Beneide nur die Bruſt der Amme, die es traͤnkt; Die fuͤr den erſten Quell des Lebens, den ſie beut, Vom erſten Laͤcheln auch des Dankes wird erfreut. So mag dem Vater auch, der ſelbſt ſein Kind nicht zieht, Der wecken Eiferſucht, durch welchen es geſchieht; Der ihm ein geiſtiges Gepraͤge druͤcket ein, Das wichtiger doch iſt, als das von Fleiſch und Bein. 7. O haͤtt' ich Baͤume doch vor fuͤnfundzwanzig Jahren Gepflanzt, als ruͤſtig noch dazu die Haͤnde waren! Sie haͤtten laͤngſt nun ſchon mit Schatten mich gelabt, Mit goldner Fruͤchte Lohn auch meinen Fleiß begabt. Nun ſtatt der Obſtbaumzucht erzog ich Liederkeime, Mir trugen weder Frucht noch Schatten all die Reime. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0193" n="183"/> <div n="2"> <head>6.</head><lb/> <lg type="poem"> <l/> <lg n="1"> <l>Die Mutter, die dem Kind nicht ſelber Nahrung ſchenkt,</l><lb/> <l>Beneide nur die Bruſt der Amme, die es traͤnkt;</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Die fuͤr den erſten Quell des Lebens, den ſie beut,</l><lb/> <l>Vom erſten Laͤcheln auch des Dankes wird erfreut.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>So mag dem Vater auch, der ſelbſt ſein Kind nicht zieht,</l><lb/> <l>Der wecken Eiferſucht, durch welchen es geſchieht;</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Der ihm ein geiſtiges Gepraͤge druͤcket ein,</l><lb/> <l>Das wichtiger doch iſt, als das von Fleiſch und Bein.</l> </lg><lb/> <l/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head>7.</head><lb/> <lg type="poem"> <l/> <lg n="1"> <l>O haͤtt' ich Baͤume doch vor fuͤnfundzwanzig Jahren</l><lb/> <l>Gepflanzt, als ruͤſtig noch dazu die Haͤnde waren!</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Sie haͤtten laͤngſt nun ſchon mit Schatten mich gelabt,</l><lb/> <l>Mit goldner Fruͤchte Lohn auch meinen Fleiß begabt.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Nun ſtatt der Obſtbaumzucht erzog ich Liederkeime,</l><lb/> <l>Mir trugen weder Frucht noch Schatten all die Reime.</l> </lg><lb/> <l/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [183/0193]
6.
Die Mutter, die dem Kind nicht ſelber Nahrung ſchenkt,
Beneide nur die Bruſt der Amme, die es traͤnkt;
Die fuͤr den erſten Quell des Lebens, den ſie beut,
Vom erſten Laͤcheln auch des Dankes wird erfreut.
So mag dem Vater auch, der ſelbſt ſein Kind nicht zieht,
Der wecken Eiferſucht, durch welchen es geſchieht;
Der ihm ein geiſtiges Gepraͤge druͤcket ein,
Das wichtiger doch iſt, als das von Fleiſch und Bein.
7.
O haͤtt' ich Baͤume doch vor fuͤnfundzwanzig Jahren
Gepflanzt, als ruͤſtig noch dazu die Haͤnde waren!
Sie haͤtten laͤngſt nun ſchon mit Schatten mich gelabt,
Mit goldner Fruͤchte Lohn auch meinen Fleiß begabt.
Nun ſtatt der Obſtbaumzucht erzog ich Liederkeime,
Mir trugen weder Frucht noch Schatten all die Reime.
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