Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 6. Leipzig, 1839.37. Um mit Vertraun ein Wort zu wagen, mußt du dessen, Was all des Schönen schon vorhanden ist, vergessen. Gar es zu kennen nicht, wird dich noch mehr befrein; Doch wer kann, Schönes nicht zu kennen, sich verzeihn? 38. Wenn du dein eignes Ich nur spiegelst, soll das mich Erbauen? jeder sucht mit Recht im Spiegel sich. Du mußt der Welt verzeihn, wenn sie dir nie verzeiht Persönlichkeit, die nicht selbst wie die Welt ist weit. 39. Schön ist Geringstes, das die rechte Form gefunden, Und werthlos Edelstes, von falscher Form gebunden. Des Edelsteines Werth erhöht sie nicht allein, Die Fassung selber macht hier erst den Edelstein. 37. Um mit Vertraun ein Wort zu wagen, mußt du deſſen, Was all des Schoͤnen ſchon vorhanden iſt, vergeſſen. Gar es zu kennen nicht, wird dich noch mehr befrein; Doch wer kann, Schoͤnes nicht zu kennen, ſich verzeihn? 38. Wenn du dein eignes Ich nur ſpiegelſt, ſoll das mich Erbauen? jeder ſucht mit Recht im Spiegel ſich. Du mußt der Welt verzeihn, wenn ſie dir nie verzeiht Perſoͤnlichkeit, die nicht ſelbſt wie die Welt iſt weit. 39. Schoͤn iſt Geringſtes, das die rechte Form gefunden, Und werthlos Edelſtes, von falſcher Form gebunden. Des Edelſteines Werth erhoͤht ſie nicht allein, Die Faſſung ſelber macht hier erſt den Edelſtein. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0263" n="253"/> <div n="2"> <head>37.</head><lb/> <lg type="poem"> <l/> <lg n="1"> <l>Um mit Vertraun ein Wort zu wagen, mußt du deſſen,</l><lb/> <l>Was all des Schoͤnen ſchon vorhanden iſt, vergeſſen.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Gar es zu kennen nicht, wird dich noch mehr befrein;</l><lb/> <l>Doch wer kann, Schoͤnes nicht zu kennen, ſich verzeihn?</l> </lg><lb/> <l/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head>38.</head><lb/> <lg type="poem"> <l/> <lg n="1"> <l>Wenn du dein eignes Ich nur ſpiegelſt, ſoll das mich</l><lb/> <l>Erbauen? jeder ſucht mit Recht im Spiegel ſich.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Du mußt der Welt verzeihn, wenn ſie dir nie verzeiht</l><lb/> <l>Perſoͤnlichkeit, die nicht ſelbſt wie die Welt iſt weit.</l> </lg><lb/> <l/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head>39.</head><lb/> <lg type="poem"> <l/> <lg n="1"> <l>Schoͤn iſt Geringſtes, das die rechte Form gefunden,</l><lb/> <l>Und werthlos Edelſtes, von falſcher Form gebunden.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Des Edelſteines Werth erhoͤht ſie nicht allein,</l><lb/> <l>Die Faſſung ſelber macht hier erſt den Edelſtein.</l> </lg><lb/> <l/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [253/0263]
37.
Um mit Vertraun ein Wort zu wagen, mußt du deſſen,
Was all des Schoͤnen ſchon vorhanden iſt, vergeſſen.
Gar es zu kennen nicht, wird dich noch mehr befrein;
Doch wer kann, Schoͤnes nicht zu kennen, ſich verzeihn?
38.
Wenn du dein eignes Ich nur ſpiegelſt, ſoll das mich
Erbauen? jeder ſucht mit Recht im Spiegel ſich.
Du mußt der Welt verzeihn, wenn ſie dir nie verzeiht
Perſoͤnlichkeit, die nicht ſelbſt wie die Welt iſt weit.
39.
Schoͤn iſt Geringſtes, das die rechte Form gefunden,
Und werthlos Edelſtes, von falſcher Form gebunden.
Des Edelſteines Werth erhoͤht ſie nicht allein,
Die Faſſung ſelber macht hier erſt den Edelſtein.
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