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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827.

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das Hochalterthümliche mit dem gothischen Geschmacke ver-
schmilzt *).

Schon Vasari **) hat dem Meister Nicolas (auf welchen
ich noch einmal zurückkomme), wie gewöhnlich ohne alle Ge-
währ, viele bedeutende Bauwerke beygelegt, und Morrona ***),
in patriotischem Eifer, die Zahl dieser Werke, nach Vermu-
thungen ohne festen Grund +), bisweilen auch nach einem
bloß eingebildeten Kennergefühle, um einige neue vermehrt.
Ich bin weit entfernt, dem wackeren Meister abzusprechen, daß
er sich auf die Baukunst verstanden, was, bey damaliger Ver-
breitung des Künstlerberufes, an sich selbst sehr wahrscheinlich
ist. Gewiß war er der Rathgeber, oder Gehülfe der Dom-
verwaltung zu Pisa, weil er in der ersten der oben mitgetheil-
ten Urkunden sich die Freyheit ausbedingt, viermal im Jahre
dahin zurückzukehren, um sowohl seine eigenen, als auch die

*) An diesem Werke, welches wahrscheinlich beym letzten
Brande durch Einsturz des Daches zerschmettert worden, ist oder
war folgende Aufschrift eingegraben:
HOC OPVS FECIT ARNOLFVS = CVM SVO SOCIO PE-
TRO. + ANNO MILLENO CENTVM BIS ET OCTVAGENO
QVINTO. SVMME DS = Q. HIC ABBAS BARTHOLOMEVS =
FECIT OPVS FIERI = SIBI TV DIGNARE MERERI.

-- Welch eine Kluft von den Inschriften dieser Zeit zu den Bil-
dern, an denen sie vorkommen!
**) Vita di Nicolo Pis.
***) Morrona, la Pisa ill. T. II. cap. II. §. 3. gegen Ende.
+) So versichert er uns, mit den Worten des Vasari: daß
Clemens IV. den Nicolas im J. 1267. nach Viterbo gerufen, und
ihm dort Verschiedenes zu bauen aufgetragen habe. -- Wir wissen
indeß aus den obigen Urkunden, daß unser Meister während dieses
Jahres durch sein Wort an Siena gebunden war und in der That
(Nr. 3.) daselbst ohne längere Unterbrechung gemeißelt hat.

das Hochalterthuͤmliche mit dem gothiſchen Geſchmacke ver-
ſchmilzt *).

Schon Vaſari **) hat dem Meiſter Nicolas (auf welchen
ich noch einmal zuruͤckkomme), wie gewoͤhnlich ohne alle Ge-
waͤhr, viele bedeutende Bauwerke beygelegt, und Morrona ***),
in patriotiſchem Eifer, die Zahl dieſer Werke, nach Vermu-
thungen ohne feſten Grund †), bisweilen auch nach einem
bloß eingebildeten Kennergefuͤhle, um einige neue vermehrt.
Ich bin weit entfernt, dem wackeren Meiſter abzuſprechen, daß
er ſich auf die Baukunſt verſtanden, was, bey damaliger Ver-
breitung des Kuͤnſtlerberufes, an ſich ſelbſt ſehr wahrſcheinlich
iſt. Gewiß war er der Rathgeber, oder Gehuͤlfe der Dom-
verwaltung zu Piſa, weil er in der erſten der oben mitgetheil-
ten Urkunden ſich die Freyheit ausbedingt, viermal im Jahre
dahin zuruͤckzukehren, um ſowohl ſeine eigenen, als auch die

*) An dieſem Werke, welches wahrſcheinlich beym letzten
Brande durch Einſturz des Daches zerſchmettert worden, iſt oder
war folgende Aufſchrift eingegraben:
HOC OPVS FECIT ARNOLFVS = CVM SVO SOCIO PE-
TRO. + ANNO MILLENO CENTVM BIS ET OCTVAGENO
QVINTO. SVMME D̅S̅ = Q. HIC ABBAS BARTHOLOMEVS =
FECIT OPVS FIERI = SIBI TV DIGNARE MERERI.

— Welch eine Kluft von den Inſchriften dieſer Zeit zu den Bil-
dern, an denen ſie vorkommen!
**) Vita di Nicolò Pis.
***) Morrona, la Pisa ill. T. II. cap. II. §. 3. gegen Ende.
†) So verſichert er uns, mit den Worten des Vaſari: daß
Clemens IV. den Nicolas im J. 1267. nach Viterbo gerufen, und
ihm dort Verſchiedenes zu bauen aufgetragen habe. — Wir wiſſen
indeß aus den obigen Urkunden, daß unſer Meiſter waͤhrend dieſes
Jahres durch ſein Wort an Siena gebunden war und in der That
(Nr. 3.) daſelbſt ohne laͤngere Unterbrechung gemeißelt hat.
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[157/0175] das Hochalterthuͤmliche mit dem gothiſchen Geſchmacke ver- ſchmilzt *). Schon Vaſari **) hat dem Meiſter Nicolas (auf welchen ich noch einmal zuruͤckkomme), wie gewoͤhnlich ohne alle Ge- waͤhr, viele bedeutende Bauwerke beygelegt, und Morrona ***), in patriotiſchem Eifer, die Zahl dieſer Werke, nach Vermu- thungen ohne feſten Grund †), bisweilen auch nach einem bloß eingebildeten Kennergefuͤhle, um einige neue vermehrt. Ich bin weit entfernt, dem wackeren Meiſter abzuſprechen, daß er ſich auf die Baukunſt verſtanden, was, bey damaliger Ver- breitung des Kuͤnſtlerberufes, an ſich ſelbſt ſehr wahrſcheinlich iſt. Gewiß war er der Rathgeber, oder Gehuͤlfe der Dom- verwaltung zu Piſa, weil er in der erſten der oben mitgetheil- ten Urkunden ſich die Freyheit ausbedingt, viermal im Jahre dahin zuruͤckzukehren, um ſowohl ſeine eigenen, als auch die *) An dieſem Werke, welches wahrſcheinlich beym letzten Brande durch Einſturz des Daches zerſchmettert worden, iſt oder war folgende Aufſchrift eingegraben: HOC OPVS FECIT ARNOLFVS = CVM SVO SOCIO PE- TRO. + ANNO MILLENO CENTVM BIS ET OCTVAGENO QVINTO. SVMME D̅S̅ = Q. HIC ABBAS BARTHOLOMEVS = FECIT OPVS FIERI = SIBI TV DIGNARE MERERI. — Welch eine Kluft von den Inſchriften dieſer Zeit zu den Bil- dern, an denen ſie vorkommen! **) Vita di Nicolò Pis. ***) Morrona, la Pisa ill. T. II. cap. II. §. 3. gegen Ende. †) So verſichert er uns, mit den Worten des Vaſari: daß Clemens IV. den Nicolas im J. 1267. nach Viterbo gerufen, und ihm dort Verſchiedenes zu bauen aufgetragen habe. — Wir wiſſen indeß aus den obigen Urkunden, daß unſer Meiſter waͤhrend dieſes Jahres durch ſein Wort an Siena gebunden war und in der That (Nr. 3.) daſelbſt ohne laͤngere Unterbrechung gemeißelt hat.

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/175>, abgerufen am 26.11.2024.