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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827.

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gedrückt. Eine, nach dem Umständen, glückliche Zufälligkeit
lenkte ihn im Wendepuncte des männlichen Lebens zur Bild-
nerey zurück, deren Handhabungen Lorenzo in seiner ersten
Jugend nothdürftig erlernt hatte. Es galt, dem schönen
Thore der Johanniskirche zu Florenz, dem Meisterwerke des
Andreas von Pisa, entweder gleich zu kommen, oder dasselbe
zu übertreffen. Ghiberti verdrängte allerdings seine zahlreichen
Mitbewerber; er zeigte allerdings schon in diesem frühen Ju-
gendwerke Erfindungsgabe und mancherley durch Beobach-
tung erworbene Kenntniß; doch scheint dasselbe in mancher
Beziehung dem älteren Thore des Andrea von Pisa nachzu-
stehn, welches in der sparsamen, haushälterischen Wahl der
Mittel der Bezeichnung und des Ausdruckes seiner Aufgaben,
wie überhaupt musterhaft, so besonders der zwecklos über-
häuften und verworrenen Anordnung des Ghiberti weit über-
legen ist.

Dieser Mängel ungeachtet mußte der Charakter, den Ghi-
berti
seinen Köpfen, besonders den größeren in den Außenlei-
sten der Thorflügel, verliehen hatte, durch seine Neuheit auf-
fallen, Wünsche und Erwartungen hervorrufen, denen der
Künstler in seinen reiferen Jahren durch jenes weltberühmte,
dritte und mittlere Thor derselben Kirche vollkommen entspro-
chen hat.

Als Michelagnuolo von diesem herrlichen Werke sagte,
es sey werth, die Pforte des Paradieses zu seyn, so sprach
er eben so schön, als wahr. Gewiß sind diese Thore, wie
überhaupt in der allgemeinen Auffassung der biblischen Ge-
genstände, in der naiven und herzigen Ausbildung unterge-
ordneter Gruppen und Handlungen, in der Behandlung der
Form und Bewegung, so besonders darin ganz einzig und

gedruͤckt. Eine, nach dem Umſtaͤnden, gluͤckliche Zufaͤlligkeit
lenkte ihn im Wendepuncte des maͤnnlichen Lebens zur Bild-
nerey zuruͤck, deren Handhabungen Lorenzo in ſeiner erſten
Jugend nothduͤrftig erlernt hatte. Es galt, dem ſchoͤnen
Thore der Johanniskirche zu Florenz, dem Meiſterwerke des
Andreas von Piſa, entweder gleich zu kommen, oder daſſelbe
zu uͤbertreffen. Ghiberti verdraͤngte allerdings ſeine zahlreichen
Mitbewerber; er zeigte allerdings ſchon in dieſem fruͤhen Ju-
gendwerke Erfindungsgabe und mancherley durch Beobach-
tung erworbene Kenntniß; doch ſcheint daſſelbe in mancher
Beziehung dem aͤlteren Thore des Andrea von Piſa nachzu-
ſtehn, welches in der ſparſamen, haushaͤlteriſchen Wahl der
Mittel der Bezeichnung und des Ausdruckes ſeiner Aufgaben,
wie uͤberhaupt muſterhaft, ſo beſonders der zwecklos uͤber-
haͤuften und verworrenen Anordnung des Ghiberti weit uͤber-
legen iſt.

Dieſer Maͤngel ungeachtet mußte der Charakter, den Ghi-
berti
ſeinen Koͤpfen, beſonders den groͤßeren in den Außenlei-
ſten der Thorfluͤgel, verliehen hatte, durch ſeine Neuheit auf-
fallen, Wuͤnſche und Erwartungen hervorrufen, denen der
Kuͤnſtler in ſeinen reiferen Jahren durch jenes weltberuͤhmte,
dritte und mittlere Thor derſelben Kirche vollkommen entſpro-
chen hat.

Als Michelagnuolo von dieſem herrlichen Werke ſagte,
es ſey werth, die Pforte des Paradieſes zu ſeyn, ſo ſprach
er eben ſo ſchoͤn, als wahr. Gewiß ſind dieſe Thore, wie
uͤberhaupt in der allgemeinen Auffaſſung der bibliſchen Ge-
genſtaͤnde, in der naiven und herzigen Ausbildung unterge-
ordneter Gruppen und Handlungen, in der Behandlung der
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[233/0251] gedruͤckt. Eine, nach dem Umſtaͤnden, gluͤckliche Zufaͤlligkeit lenkte ihn im Wendepuncte des maͤnnlichen Lebens zur Bild- nerey zuruͤck, deren Handhabungen Lorenzo in ſeiner erſten Jugend nothduͤrftig erlernt hatte. Es galt, dem ſchoͤnen Thore der Johanniskirche zu Florenz, dem Meiſterwerke des Andreas von Piſa, entweder gleich zu kommen, oder daſſelbe zu uͤbertreffen. Ghiberti verdraͤngte allerdings ſeine zahlreichen Mitbewerber; er zeigte allerdings ſchon in dieſem fruͤhen Ju- gendwerke Erfindungsgabe und mancherley durch Beobach- tung erworbene Kenntniß; doch ſcheint daſſelbe in mancher Beziehung dem aͤlteren Thore des Andrea von Piſa nachzu- ſtehn, welches in der ſparſamen, haushaͤlteriſchen Wahl der Mittel der Bezeichnung und des Ausdruckes ſeiner Aufgaben, wie uͤberhaupt muſterhaft, ſo beſonders der zwecklos uͤber- haͤuften und verworrenen Anordnung des Ghiberti weit uͤber- legen iſt. Dieſer Maͤngel ungeachtet mußte der Charakter, den Ghi- berti ſeinen Koͤpfen, beſonders den groͤßeren in den Außenlei- ſten der Thorfluͤgel, verliehen hatte, durch ſeine Neuheit auf- fallen, Wuͤnſche und Erwartungen hervorrufen, denen der Kuͤnſtler in ſeinen reiferen Jahren durch jenes weltberuͤhmte, dritte und mittlere Thor derſelben Kirche vollkommen entſpro- chen hat. Als Michelagnuolo von dieſem herrlichen Werke ſagte, es ſey werth, die Pforte des Paradieſes zu ſeyn, ſo ſprach er eben ſo ſchoͤn, als wahr. Gewiß ſind dieſe Thore, wie uͤberhaupt in der allgemeinen Auffaſſung der bibliſchen Ge- genſtaͤnde, in der naiven und herzigen Ausbildung unterge- ordneter Gruppen und Handlungen, in der Behandlung der Form und Bewegung, ſo beſonders darin ganz einzig und

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/251>, abgerufen am 25.06.2024.