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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827.

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Florenz. Giunti. 1568. 4. -- erwähnt, und es wäre daher
nicht ganz unmöglich, daß in dieser letztern: papa Sisto, ein
Schreib- oder Druckfehler wäre für: Papa Giulio II.; denn
unter diesem letzten hat Ingegno, wie wir sehen werden, aller-
dings ein päpstliches Amt erhalten. Doch mag Vasari an
dieser Stelle nach seiner gewöhnlichen Art durch bloße Anrei-
hung von Erinnerungen auf den Namen Sixtus verfallen seyn,
den ihm die voranerwähnte, gegen die Ordnung der Zeit später
als das Cambio zu Perugia angeführte sixtinische Kappelle ge-
rade ins Gedächtniß rufen mußte.

Von dieser Frage abgesehn, ist es an sich selbst völlig
erweislich, daß Andreas, wenn überhaupt, wenigstens doch
nicht so frühe erblindet war. Denn der Ritter Frondini zu
Asisi, ein fleißiger und redlicher Sammler vaterländischer Al-
terthümer, bewahrt ein Buch, welches ich selbst eingesehn
habe, worin Andreas für seinen Bruder, welcher Canonicus
des Domes von Asisi gewesen, in verschiedenen Jahren ge-
wisse Hebungen quittiret. Er schreibt sich dort: Ingegnio di
Maestro Alivisse
,
auch: Allovisii, Allevisi, und Aloisi.
Die letzte Quittung lautet: Ingegno di maestro Allovisi,
die mercurii, quinta decembris
1509. Wenn er diese
ganz fest und von derselben Hand geschriebenen Quittungen
durch Andere hätte schreiben lassen, so würde Solches nach
dem Rechtsgebrauche aller Zeiten doch ausdrücklich bemerkt
und bezeugt worden seyn.

Aber es scheint auch, daß der Beyname: Ingegno, wenn
er überhaupt, was in Italien nicht immer der Fall ist, eine
äußere Veranlassung hatte, nicht bloß von seinem Talente für
die Malerey, vielmehr von einer vielseitigen Fähigkeit des
Geistes abzuleiten wäre, die Andreas späterhin auch in der

Florenz. Giunti. 1568. 4. — erwaͤhnt, und es waͤre daher
nicht ganz unmoͤglich, daß in dieſer letztern: papa Sisto, ein
Schreib- oder Druckfehler waͤre fuͤr: Papa Giulio II.; denn
unter dieſem letzten hat Ingegno, wie wir ſehen werden, aller-
dings ein paͤpſtliches Amt erhalten. Doch mag Vaſari an
dieſer Stelle nach ſeiner gewoͤhnlichen Art durch bloße Anrei-
hung von Erinnerungen auf den Namen Sixtus verfallen ſeyn,
den ihm die voranerwaͤhnte, gegen die Ordnung der Zeit ſpaͤter
als das Cambio zu Perugia angefuͤhrte ſixtiniſche Kappelle ge-
rade ins Gedaͤchtniß rufen mußte.

Von dieſer Frage abgeſehn, iſt es an ſich ſelbſt voͤllig
erweislich, daß Andreas, wenn uͤberhaupt, wenigſtens doch
nicht ſo fruͤhe erblindet war. Denn der Ritter Frondini zu
Aſiſi, ein fleißiger und redlicher Sammler vaterlaͤndiſcher Al-
terthuͤmer, bewahrt ein Buch, welches ich ſelbſt eingeſehn
habe, worin Andreas fuͤr ſeinen Bruder, welcher Canonicus
des Domes von Aſiſi geweſen, in verſchiedenen Jahren ge-
wiſſe Hebungen quittiret. Er ſchreibt ſich dort: Ingegnio di
Maestro Alivisse
,
auch: Allovisii, Allevisi, und Aloisi.
Die letzte Quittung lautet: Ingegno di maestro Allovisi,
die mercurii, quinta decembris
1509. Wenn er dieſe
ganz feſt und von derſelben Hand geſchriebenen Quittungen
durch Andere haͤtte ſchreiben laſſen, ſo wuͤrde Solches nach
dem Rechtsgebrauche aller Zeiten doch ausdruͤcklich bemerkt
und bezeugt worden ſeyn.

Aber es ſcheint auch, daß der Beyname: Ingegno, wenn
er uͤberhaupt, was in Italien nicht immer der Fall iſt, eine
aͤußere Veranlaſſung hatte, nicht bloß von ſeinem Talente fuͤr
die Malerey, vielmehr von einer vielſeitigen Faͤhigkeit des
Geiſtes abzuleiten waͤre, die Andreas ſpaͤterhin auch in der

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[326/0344] Florenz. Giunti. 1568. 4. — erwaͤhnt, und es waͤre daher nicht ganz unmoͤglich, daß in dieſer letztern: papa Sisto, ein Schreib- oder Druckfehler waͤre fuͤr: Papa Giulio II.; denn unter dieſem letzten hat Ingegno, wie wir ſehen werden, aller- dings ein paͤpſtliches Amt erhalten. Doch mag Vaſari an dieſer Stelle nach ſeiner gewoͤhnlichen Art durch bloße Anrei- hung von Erinnerungen auf den Namen Sixtus verfallen ſeyn, den ihm die voranerwaͤhnte, gegen die Ordnung der Zeit ſpaͤter als das Cambio zu Perugia angefuͤhrte ſixtiniſche Kappelle ge- rade ins Gedaͤchtniß rufen mußte. Von dieſer Frage abgeſehn, iſt es an ſich ſelbſt voͤllig erweislich, daß Andreas, wenn uͤberhaupt, wenigſtens doch nicht ſo fruͤhe erblindet war. Denn der Ritter Frondini zu Aſiſi, ein fleißiger und redlicher Sammler vaterlaͤndiſcher Al- terthuͤmer, bewahrt ein Buch, welches ich ſelbſt eingeſehn habe, worin Andreas fuͤr ſeinen Bruder, welcher Canonicus des Domes von Aſiſi geweſen, in verſchiedenen Jahren ge- wiſſe Hebungen quittiret. Er ſchreibt ſich dort: Ingegnio di Maestro Alivisse, auch: Allovisii, Allevisi, und Aloisi. Die letzte Quittung lautet: Ingegno di maestro Allovisi, die mercurii, quinta decembris 1509. Wenn er dieſe ganz feſt und von derſelben Hand geſchriebenen Quittungen durch Andere haͤtte ſchreiben laſſen, ſo wuͤrde Solches nach dem Rechtsgebrauche aller Zeiten doch ausdruͤcklich bemerkt und bezeugt worden ſeyn. Aber es ſcheint auch, daß der Beyname: Ingegno, wenn er uͤberhaupt, was in Italien nicht immer der Fall iſt, eine aͤußere Veranlaſſung hatte, nicht bloß von ſeinem Talente fuͤr die Malerey, vielmehr von einer vielſeitigen Faͤhigkeit des Geiſtes abzuleiten waͤre, die Andreas ſpaͤterhin auch in der

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/344>, abgerufen am 22.11.2024.