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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827.

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mußte auf jeden nicht gänzlich im Handwerksmäßigen versun-
kenen Künstler einwirken, also auch den Lionardo anregen, wie
ich oben angedeutet habe.

Jenes Wandgemälde des Kapitelsaales der Cisterzienser,
jetzt der Schmerzenkappelle der Nonnen zur Hl. Maria Mag-
dalena de' Pazzi, war im Jahre 1818, als ich dasselbe mit
Vergünstigung des Erzbischofs besichtigte, noch immer in gu-
tem Stande; die Nachhülfen auf der trockenen Mauer, welche
besonders die Landschaft betroffen haben, sind keinesweges, wie
es flüchtigen Beobachtern erscheinen könnte, von einer fremden
Hand, sondern vom Meister selbst aufgetragen. Die wenigen
Figuren, welche die Aufgabe erheischte, sind im Gegensatze zu
den damals zu Florenz üblichen Ueberfüllungen mit großer
Gewandtheit in den sehr ausgedehnten Raum vertheilt. Eine
hübsche Bogenstellung, welche mit der Architectur des Saales
übereinstimmt, gewährt einen dreyfachen Durchblick auf die
schöne, einfach und massig gehaltene, wohl zusammenhän-
gende Landschaft. Innerhalb des mittleren Bogens der Ge-
kreuzigte, zu dessen Füßen Maria Magdalena, zur Rechten die
schmerzhafte Mutter, die schönste, welche mir vorgekommen;
die übrigen Figuren: Johannes, s. Benedict und Bernhard;
überall in Mienen, Gebehrden, Stellungen eine Ruhe, wie sie
dem Schmerze edler Seelen geziemt.

In diesem Gemälde zeigte Pietro, wie man in einem
weiten Raume mit wenigen Figuren auskommen könne; in
einem anderen, dem Sinne nach jenem verwandten Bilde,
dem todten Christus der Kirche sta Chiara, gegenwärtig der
florentinischen Kunstschule (No. 44.), wie man viele Figuren
in einen engeren Raum einordnen könne, ohne denselben zu
überfüllen. Schon unmittelbar nach ihrer Beendigung galt

mußte auf jeden nicht gaͤnzlich im Handwerksmaͤßigen verſun-
kenen Kuͤnſtler einwirken, alſo auch den Lionardo anregen, wie
ich oben angedeutet habe.

Jenes Wandgemaͤlde des Kapitelſaales der Ciſterzienſer,
jetzt der Schmerzenkappelle der Nonnen zur Hl. Maria Mag-
dalena de’ Pazzi, war im Jahre 1818, als ich daſſelbe mit
Verguͤnſtigung des Erzbiſchofs beſichtigte, noch immer in gu-
tem Stande; die Nachhuͤlfen auf der trockenen Mauer, welche
beſonders die Landſchaft betroffen haben, ſind keinesweges, wie
es fluͤchtigen Beobachtern erſcheinen koͤnnte, von einer fremden
Hand, ſondern vom Meiſter ſelbſt aufgetragen. Die wenigen
Figuren, welche die Aufgabe erheiſchte, ſind im Gegenſatze zu
den damals zu Florenz uͤblichen Ueberfuͤllungen mit großer
Gewandtheit in den ſehr ausgedehnten Raum vertheilt. Eine
huͤbſche Bogenſtellung, welche mit der Architectur des Saales
uͤbereinſtimmt, gewaͤhrt einen dreyfachen Durchblick auf die
ſchoͤne, einfach und maſſig gehaltene, wohl zuſammenhaͤn-
gende Landſchaft. Innerhalb des mittleren Bogens der Ge-
kreuzigte, zu deſſen Fuͤßen Maria Magdalena, zur Rechten die
ſchmerzhafte Mutter, die ſchoͤnſte, welche mir vorgekommen;
die uͤbrigen Figuren: Johannes, ſ. Benedict und Bernhard;
uͤberall in Mienen, Gebehrden, Stellungen eine Ruhe, wie ſie
dem Schmerze edler Seelen geziemt.

In dieſem Gemaͤlde zeigte Pietro, wie man in einem
weiten Raume mit wenigen Figuren auskommen koͤnne; in
einem anderen, dem Sinne nach jenem verwandten Bilde,
dem todten Chriſtus der Kirche ſta Chiara, gegenwaͤrtig der
florentiniſchen Kunſtſchule (No. 44.), wie man viele Figuren
in einen engeren Raum einordnen koͤnne, ohne denſelben zu
uͤberfuͤllen. Schon unmittelbar nach ihrer Beendigung galt

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[344/0362] mußte auf jeden nicht gaͤnzlich im Handwerksmaͤßigen verſun- kenen Kuͤnſtler einwirken, alſo auch den Lionardo anregen, wie ich oben angedeutet habe. Jenes Wandgemaͤlde des Kapitelſaales der Ciſterzienſer, jetzt der Schmerzenkappelle der Nonnen zur Hl. Maria Mag- dalena de’ Pazzi, war im Jahre 1818, als ich daſſelbe mit Verguͤnſtigung des Erzbiſchofs beſichtigte, noch immer in gu- tem Stande; die Nachhuͤlfen auf der trockenen Mauer, welche beſonders die Landſchaft betroffen haben, ſind keinesweges, wie es fluͤchtigen Beobachtern erſcheinen koͤnnte, von einer fremden Hand, ſondern vom Meiſter ſelbſt aufgetragen. Die wenigen Figuren, welche die Aufgabe erheiſchte, ſind im Gegenſatze zu den damals zu Florenz uͤblichen Ueberfuͤllungen mit großer Gewandtheit in den ſehr ausgedehnten Raum vertheilt. Eine huͤbſche Bogenſtellung, welche mit der Architectur des Saales uͤbereinſtimmt, gewaͤhrt einen dreyfachen Durchblick auf die ſchoͤne, einfach und maſſig gehaltene, wohl zuſammenhaͤn- gende Landſchaft. Innerhalb des mittleren Bogens der Ge- kreuzigte, zu deſſen Fuͤßen Maria Magdalena, zur Rechten die ſchmerzhafte Mutter, die ſchoͤnſte, welche mir vorgekommen; die uͤbrigen Figuren: Johannes, ſ. Benedict und Bernhard; uͤberall in Mienen, Gebehrden, Stellungen eine Ruhe, wie ſie dem Schmerze edler Seelen geziemt. In dieſem Gemaͤlde zeigte Pietro, wie man in einem weiten Raume mit wenigen Figuren auskommen koͤnne; in einem anderen, dem Sinne nach jenem verwandten Bilde, dem todten Chriſtus der Kirche ſta Chiara, gegenwaͤrtig der florentiniſchen Kunſtſchule (No. 44.), wie man viele Figuren in einen engeren Raum einordnen koͤnne, ohne denſelben zu uͤberfuͤllen. Schon unmittelbar nach ihrer Beendigung galt

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/362>, abgerufen am 31.10.2024.