demieen, in welchen die Gebildetsten ihre Erfahrungen und Reflectionen den Uebrigen vortrugen. Diese freyen Vereine sicherten ihren Mitgliedern eine gewisse Auszeichnung, beson- ders, wo sie vom Fürsten ausgingen, wie die florentinische Akademie, welche 1563 von Großherzog Cosmus I. gegrün- det worden. Wer wüßte nicht, daß aus diesen Akademieen zunächst öffentliche Studiensäle, dann von Hand zu Hand die offiziellen Kunstschulen unserer Tage entstanden sind; die Win- terhäuser der Kunst, welche der nächste Frühlingstag entbehr- lich machen wird.
Unstreitig verdanken Lionardo, Raphael und Michelag- nuolo, die volle Entwickelung ihrer hohen, über alles gewöhn- liche Maß hinausgehenden Anlagen dem Glücke, welches sie zeitig an die Höfe geistreicher Fürsten versetzte, deren Unter- nehmungen schon an sich selbst großartig, deren Anforderungen an das Talent unersättlich waren. Indeß erhoben sich jene großen Künstler von bürgerlichen und handwerksmäßigen Grund- lagen, welche ihrem freyen, genialen Treiben einen sicheren Bo- den gewährten. Ihre Schüler hingegen lernten schon in den Windeln den verwickelten Zügen der Hofgunst nachzuspähn, sich den Launen der Großen anzupassen, ihnen das Geheimniß der einzigen Befriedigung abzulauschen, welche ein vielfach beweg- tes, schnell dahin rauschendes Leben zu verstatten scheint: be- hender Erfüllung nemlich schnell aufsteigender Wünsche *).
Eben
*) S. Lettere sulla pitt. etc. To. III. LXXIII. wo Pietro Are- tino dem Enea Vico schreibt: "-- se meglio e il viversi libero in primo grado tra gl'intagliatori degli altrui disegni in carte (man ging damals noch nicht darauf aus, in den Kupferstichen malerische Wir- kungen nachzuahmen und begnügte sich, Zeichnungen nachzubilden)
demieen, in welchen die Gebildetſten ihre Erfahrungen und Reflectionen den Uebrigen vortrugen. Dieſe freyen Vereine ſicherten ihren Mitgliedern eine gewiſſe Auszeichnung, beſon- ders, wo ſie vom Fuͤrſten ausgingen, wie die florentiniſche Akademie, welche 1563 von Großherzog Cosmus I. gegruͤn- det worden. Wer wuͤßte nicht, daß aus dieſen Akademieen zunaͤchſt oͤffentliche Studienſaͤle, dann von Hand zu Hand die offiziellen Kunſtſchulen unſerer Tage entſtanden ſind; die Win- terhaͤuſer der Kunſt, welche der naͤchſte Fruͤhlingstag entbehr- lich machen wird.
Unſtreitig verdanken Lionardo, Raphael und Michelag- nuolo, die volle Entwickelung ihrer hohen, uͤber alles gewoͤhn- liche Maß hinausgehenden Anlagen dem Gluͤcke, welches ſie zeitig an die Hoͤfe geiſtreicher Fuͤrſten verſetzte, deren Unter- nehmungen ſchon an ſich ſelbſt großartig, deren Anforderungen an das Talent unerſaͤttlich waren. Indeß erhoben ſich jene großen Kuͤnſtler von buͤrgerlichen und handwerksmaͤßigen Grund- lagen, welche ihrem freyen, genialen Treiben einen ſicheren Bo- den gewaͤhrten. Ihre Schuͤler hingegen lernten ſchon in den Windeln den verwickelten Zuͤgen der Hofgunſt nachzuſpaͤhn, ſich den Launen der Großen anzupaſſen, ihnen das Geheimniß der einzigen Befriedigung abzulauſchen, welche ein vielfach beweg- tes, ſchnell dahin rauſchendes Leben zu verſtatten ſcheint: be- hender Erfuͤllung nemlich ſchnell aufſteigender Wuͤnſche *).
Eben
*) S. Lettere sulla pitt. etc. To. III. LXXIII. wo Pietro Are- tino dem Enea Vico ſchreibt: „— se meglio é il viversi libero in primo grado tra gl’intagliatori degli altrui disegni in carte (man ging damals noch nicht darauf aus, in den Kupferſtichen maleriſche Wir- kungen nachzuahmen und begnuͤgte ſich, Zeichnungen nachzubilden)
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demieen, in welchen die Gebildetſten ihre Erfahrungen und
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ders, wo ſie vom Fuͤrſten ausgingen, wie die florentiniſche
Akademie, welche 1563 von Großherzog Cosmus I. gegruͤn-
det worden. Wer wuͤßte nicht, daß aus dieſen Akademieen
zunaͤchſt oͤffentliche Studienſaͤle, dann von Hand zu Hand die
offiziellen Kunſtſchulen unſerer Tage entſtanden ſind; die Win-
terhaͤuſer der Kunſt, welche der naͤchſte Fruͤhlingstag entbehr-
lich machen wird.
Unſtreitig verdanken Lionardo, Raphael und Michelag-
nuolo, die volle Entwickelung ihrer hohen, uͤber alles gewoͤhn-
liche Maß hinausgehenden Anlagen dem Gluͤcke, welches ſie
zeitig an die Hoͤfe geiſtreicher Fuͤrſten verſetzte, deren Unter-
nehmungen ſchon an ſich ſelbſt großartig, deren Anforderungen
an das Talent unerſaͤttlich waren. Indeß erhoben ſich jene
großen Kuͤnſtler von buͤrgerlichen und handwerksmaͤßigen Grund-
lagen, welche ihrem freyen, genialen Treiben einen ſicheren Bo-
den gewaͤhrten. Ihre Schuͤler hingegen lernten ſchon in den
Windeln den verwickelten Zuͤgen der Hofgunſt nachzuſpaͤhn, ſich
den Launen der Großen anzupaſſen, ihnen das Geheimniß der
einzigen Befriedigung abzulauſchen, welche ein vielfach beweg-
tes, ſchnell dahin rauſchendes Leben zu verſtatten ſcheint: be-
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Eben
*) S. Lettere sulla pitt. etc. To. III. LXXIII. wo Pietro Are-
tino dem Enea Vico ſchreibt: „— se meglio é il viversi libero in
primo grado tra gl’intagliatori degli altrui disegni in carte (man ging
damals noch nicht darauf aus, in den Kupferſtichen maleriſche Wir-
kungen nachzuahmen und begnuͤgte ſich, Zeichnungen nachzubilden)
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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827, S. 416. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/434>, abgerufen am 17.02.2025.
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