Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831.Von 1508--1511 malte Raphael in dem Zimmer della Wir suchen hier den Ursprung der neuen schönen Ma- Von 1508—1511 malte Raphael in dem Zimmer della Wir ſuchen hier den Urſprung der neuen ſchoͤnen Ma- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0107" n="85"/> <p>Von 1508—1511 malte <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118597787">Raphael</persName> in dem Zimmer <hi rendition="#aq">della<lb/> segnatura</hi>. Iſt nun in der einen Haͤlfte dieſer Malereyen<lb/> jener antike Schoͤnheitsſinn vorwaltend, deſſen Anwendung<lb/> auf die Kunſt haͤufig der Styl genannt wird, auch der<lb/> ſtrenge, der Styl in der Strenge des Sinnes, in der an-<lb/> deren hingegen der maleriſche Geſchmack bereits in ſeiner Aus-<lb/> bildung ſehr weit vorgeruͤckt, ſo ereignete ſich innerhalb dieſer<lb/> kurzen Friſt jene denkwuͤrdige Umwandlung, deren eigentliche<lb/> Veranlaſſung noch immer ſtreitig iſt. Verſuchen wir die Um-<lb/> ſtaͤnde zu ermitteln, welche ſie beguͤnſtigt haben, die Perſoͤn-<lb/> lichkeiten, welche dabey thaͤtig geweſen ſind.</p><lb/> <p>Wir ſuchen hier den Urſprung der neuen ſchoͤnen Ma-<lb/> nier des <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118626213">Vaſari</persName>, oder, wie Andere ſagen, des maleriſchen Ge-<lb/> ſchmackes. <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118626213">Vaſari</persName>, dem dieſe Neuerung zuerſt als ein kunſt-<lb/> geſchichtliches Moment aufgefallen iſt, wuͤrde uns dieſe Un-<lb/> terſuchung erleichtert haben, wenn er deren Gegenſtand ſtreng<lb/> vom beynahe gleichzeitig eingetretenen Uebergange zu einer<lb/> methodiſch-wiſſenſchaftlichen Zeichnungsart haͤtte unterſcheiden<lb/> wollen. Allein im Gegentheil hat er beide, ſo ganz verſchie-<lb/> dene Momente verſchmolzen und hiedurch veranlaßt, daß man<lb/> noch bis auf den heutigen Tag des <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118582143">Michelangelo</persName> anatomiſche<lb/> Forſchungen ſammt den antiken, vorbildlichen Denkmalen in<lb/> den meiſten Buͤchern des Faches unter den Urſachen jener<lb/> rein techniſchen Umwandlung die erſte Stelle giebt. Indeß<lb/> ſtehet die Strenge in der Zeichnung mit der Entſtehung des<lb/> maleriſchen Geſchmackes (der breiten, fluͤſſigen, harmoniſchen<lb/> Manier) in durchaus keiner Verbindung; vielmehr ſcheinen<lb/> dieſe Elemente einander gegenſeitig zu widerſtreben. Denn,<lb/> wie laͤngſt vor gaͤnzlicher Entwickelung des neuen maleriſchen<lb/> Geſchmackes <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118582143">Michelangelo</persName>, ſelbſt <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118597787">Raphael</persName>, bereits ungemein<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [85/0107]
Von 1508—1511 malte Raphael in dem Zimmer della
segnatura. Iſt nun in der einen Haͤlfte dieſer Malereyen
jener antike Schoͤnheitsſinn vorwaltend, deſſen Anwendung
auf die Kunſt haͤufig der Styl genannt wird, auch der
ſtrenge, der Styl in der Strenge des Sinnes, in der an-
deren hingegen der maleriſche Geſchmack bereits in ſeiner Aus-
bildung ſehr weit vorgeruͤckt, ſo ereignete ſich innerhalb dieſer
kurzen Friſt jene denkwuͤrdige Umwandlung, deren eigentliche
Veranlaſſung noch immer ſtreitig iſt. Verſuchen wir die Um-
ſtaͤnde zu ermitteln, welche ſie beguͤnſtigt haben, die Perſoͤn-
lichkeiten, welche dabey thaͤtig geweſen ſind.
Wir ſuchen hier den Urſprung der neuen ſchoͤnen Ma-
nier des Vaſari, oder, wie Andere ſagen, des maleriſchen Ge-
ſchmackes. Vaſari, dem dieſe Neuerung zuerſt als ein kunſt-
geſchichtliches Moment aufgefallen iſt, wuͤrde uns dieſe Un-
terſuchung erleichtert haben, wenn er deren Gegenſtand ſtreng
vom beynahe gleichzeitig eingetretenen Uebergange zu einer
methodiſch-wiſſenſchaftlichen Zeichnungsart haͤtte unterſcheiden
wollen. Allein im Gegentheil hat er beide, ſo ganz verſchie-
dene Momente verſchmolzen und hiedurch veranlaßt, daß man
noch bis auf den heutigen Tag des Michelangelo anatomiſche
Forſchungen ſammt den antiken, vorbildlichen Denkmalen in
den meiſten Buͤchern des Faches unter den Urſachen jener
rein techniſchen Umwandlung die erſte Stelle giebt. Indeß
ſtehet die Strenge in der Zeichnung mit der Entſtehung des
maleriſchen Geſchmackes (der breiten, fluͤſſigen, harmoniſchen
Manier) in durchaus keiner Verbindung; vielmehr ſcheinen
dieſe Elemente einander gegenſeitig zu widerſtreben. Denn,
wie laͤngſt vor gaͤnzlicher Entwickelung des neuen maleriſchen
Geſchmackes Michelangelo, ſelbſt Raphael, bereits ungemein
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