Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831.große Zeichner waren, so wurden sie hingegen in der Zeich- große Zeichner waren, ſo wurden ſie hingegen in der Zeich- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0108" n="86"/> große Zeichner waren, ſo wurden ſie hingegen in der Zeich-<lb/> nung in dem Maaße laͤſſiger und willkuͤhrlicher, als ihr Ge-<lb/> ſchmack mehr und mehr zum Maleriſchen ſich hinuͤberlenkte.<lb/> In den nachfolgenden Schulen, in welchen das Maleriſche<lb/> durchaus vorwaltet, ward aber, wie es bekannt iſt, die Zeich-<lb/> nung ganz ſchrankenlos, wie, in umgekehrter Richtung, das<lb/> akademiſche Studium im verfloſſenen Jahrhunderte den ma-<lb/> leriſchen Geſchmack bey vielen Kuͤnſtlern bis auf die Wurzel<lb/> ausgerottet hat. Uebrigens bin ich bereit, den anatomiſchen<lb/> Forſchungen des <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118582143">Michelangelo</persName> auf <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118597787">Raphaels</persName> Zeichnung den<lb/> entſchiedenſten Einfluß einzuraͤumen. Denn unſtreitig erwarb<lb/><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118597787">Raphael</persName>, der aus den Schulen von <placeName>Perugia</placeName> und <placeName>Fuligno</placeName><lb/> nur eben deren conventionnelle Zeichnungsart und die Gabe<lb/> gluͤcklicher Beobachtung und Nachbildung des Lebens nach<lb/><placeName>Florenz</placeName> brachte, erſt an dieſem Orte die anatomiſchen Kennt-<lb/> niſſe, welche von 1505 auf 1508 ihn ſchon in den Stand<lb/> ſetzten, ganze Gemaͤlde aus dem Geiſte zu vollenden. Denn<lb/> unſtreitig erwarb er dieſe Kenntniſſe, angeregt durch den Car-<lb/> ton von <placeName>Piſa</placeName> und andere Jugendwerke des <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118582143">Michelangelo</persName>, aus<lb/> deren Nachwirkung in eben jenen frey aus dem Geiſte hin-<lb/> geworfenen aͤlteren Gemaͤlden <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118597787">Raphaels</persName> gewiſſe, ſeinem eig-<lb/> nen Weſen fremde, Vibrationen der Geſtalt allein zu erklaͤren<lb/> ſind. Nicht weniger bereit bin ich, dem <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118783270">Mengs</persName> und Ande-<lb/> ren einzuraͤumen, daß <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118597787">Raphael</persName> zu <placeName>Rom</placeName>, vielleicht ſchon in<lb/><placeName>Florenz</placeName>, mit Luſt und Begeiſterung antike Bildwerke ſich an-<lb/> geſehn, nutzbare Winke darin aufgefunden, Einzelnes daraus<lb/> mit dem Stifte, der Feder, der Kohle ſich angemerkt habe;<lb/> dieſes letzte jedoch mit der Einſchraͤnkung, daß fuͤr jene me-<lb/> chaniſch emſige Nachbildung, welche in ſpaͤteren Zeiten als<lb/> foͤrderſam angeſehn, daher in den meiſten Kunſtſchulen einge-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [86/0108]
große Zeichner waren, ſo wurden ſie hingegen in der Zeich-
nung in dem Maaße laͤſſiger und willkuͤhrlicher, als ihr Ge-
ſchmack mehr und mehr zum Maleriſchen ſich hinuͤberlenkte.
In den nachfolgenden Schulen, in welchen das Maleriſche
durchaus vorwaltet, ward aber, wie es bekannt iſt, die Zeich-
nung ganz ſchrankenlos, wie, in umgekehrter Richtung, das
akademiſche Studium im verfloſſenen Jahrhunderte den ma-
leriſchen Geſchmack bey vielen Kuͤnſtlern bis auf die Wurzel
ausgerottet hat. Uebrigens bin ich bereit, den anatomiſchen
Forſchungen des Michelangelo auf Raphaels Zeichnung den
entſchiedenſten Einfluß einzuraͤumen. Denn unſtreitig erwarb
Raphael, der aus den Schulen von Perugia und Fuligno
nur eben deren conventionnelle Zeichnungsart und die Gabe
gluͤcklicher Beobachtung und Nachbildung des Lebens nach
Florenz brachte, erſt an dieſem Orte die anatomiſchen Kennt-
niſſe, welche von 1505 auf 1508 ihn ſchon in den Stand
ſetzten, ganze Gemaͤlde aus dem Geiſte zu vollenden. Denn
unſtreitig erwarb er dieſe Kenntniſſe, angeregt durch den Car-
ton von Piſa und andere Jugendwerke des Michelangelo, aus
deren Nachwirkung in eben jenen frey aus dem Geiſte hin-
geworfenen aͤlteren Gemaͤlden Raphaels gewiſſe, ſeinem eig-
nen Weſen fremde, Vibrationen der Geſtalt allein zu erklaͤren
ſind. Nicht weniger bereit bin ich, dem Mengs und Ande-
ren einzuraͤumen, daß Raphael zu Rom, vielleicht ſchon in
Florenz, mit Luſt und Begeiſterung antike Bildwerke ſich an-
geſehn, nutzbare Winke darin aufgefunden, Einzelnes daraus
mit dem Stifte, der Feder, der Kohle ſich angemerkt habe;
dieſes letzte jedoch mit der Einſchraͤnkung, daß fuͤr jene me-
chaniſch emſige Nachbildung, welche in ſpaͤteren Zeiten als
foͤrderſam angeſehn, daher in den meiſten Kunſtſchulen einge-
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