Rumohr, Karl Friedrich: Der letzte Savello. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 125–209. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Margaretha, die begünstigte Tochter des fünften Karl, war durch den jüngeren Farnese, ihren zweiten Gemahl, nun auch die Nichte Paul des Dritten, pflegte daher einen Theil des Jahres in Rom Hof zu halten. Papst und Kaiser regierten jenerzeit den größern Theil der christlichen Welt nach ihrem Willen und Gutachten. Ehrenzeichen, glänzende Titel, Gewalt, Ansehen und Reichthümer wurden in Fülle von ihnen ausgetheilt; bisweilen nach Verdienst, häufiger nach Gunst. Beiden schien die Prinzessin gleich nahe zu stehen, denn von Beiden hatte sie bereits Milderung harter Urtheilssprüche, gelegentlich auch reiche Gaben und hohe Ehren durch ihre Fürbitte und Verwendung erlangt. Wer demnach sein Glück zu sichern oder es neu zu gründen bedurfte, drängte sich an ihren Hoftagen ungestüm durch die Menge, ihr nahe zu kommen, von ihr ein Wort, einen Blick aufzuhaschen. Ihr äußeres Bezeigen war ernst und feierlich; sie wünschte zu verbergen und geheim zu halten, daß sie Einfluß besitze. Doch ist es schwer, von Allen beobachtet, sein Geheimniß auf lange zu bewahren. Vornehmlich bemühete sich der römische Adel um die Gunst der hohen und edeln Frau. Die Unabhängig- Margaretha, die begünstigte Tochter des fünften Karl, war durch den jüngeren Farnese, ihren zweiten Gemahl, nun auch die Nichte Paul des Dritten, pflegte daher einen Theil des Jahres in Rom Hof zu halten. Papst und Kaiser regierten jenerzeit den größern Theil der christlichen Welt nach ihrem Willen und Gutachten. Ehrenzeichen, glänzende Titel, Gewalt, Ansehen und Reichthümer wurden in Fülle von ihnen ausgetheilt; bisweilen nach Verdienst, häufiger nach Gunst. Beiden schien die Prinzessin gleich nahe zu stehen, denn von Beiden hatte sie bereits Milderung harter Urtheilssprüche, gelegentlich auch reiche Gaben und hohe Ehren durch ihre Fürbitte und Verwendung erlangt. Wer demnach sein Glück zu sichern oder es neu zu gründen bedurfte, drängte sich an ihren Hoftagen ungestüm durch die Menge, ihr nahe zu kommen, von ihr ein Wort, einen Blick aufzuhaschen. Ihr äußeres Bezeigen war ernst und feierlich; sie wünschte zu verbergen und geheim zu halten, daß sie Einfluß besitze. Doch ist es schwer, von Allen beobachtet, sein Geheimniß auf lange zu bewahren. Vornehmlich bemühete sich der römische Adel um die Gunst der hohen und edeln Frau. Die Unabhängig- <TEI> <text> <pb facs="#f0010"/> <body> <div n="1"> <p>Margaretha, die begünstigte Tochter des fünften Karl, war durch den jüngeren Farnese, ihren zweiten Gemahl, nun auch die Nichte Paul des Dritten, pflegte daher einen Theil des Jahres in Rom Hof zu halten. Papst und Kaiser regierten jenerzeit den größern Theil der christlichen Welt nach ihrem Willen und Gutachten. Ehrenzeichen, glänzende Titel, Gewalt, Ansehen und Reichthümer wurden in Fülle von ihnen ausgetheilt; bisweilen nach Verdienst, häufiger nach Gunst. Beiden schien die Prinzessin gleich nahe zu stehen, denn von Beiden hatte sie bereits Milderung harter Urtheilssprüche, gelegentlich auch reiche Gaben und hohe Ehren durch ihre Fürbitte und Verwendung erlangt. Wer demnach sein Glück zu sichern oder es neu zu gründen bedurfte, drängte sich an ihren Hoftagen ungestüm durch die Menge, ihr nahe zu kommen, von ihr ein Wort, einen Blick aufzuhaschen. Ihr äußeres Bezeigen war ernst und feierlich; sie wünschte zu verbergen und geheim zu halten, daß sie Einfluß besitze. Doch ist es schwer, von Allen beobachtet, sein Geheimniß auf lange zu bewahren.</p><lb/> <p>Vornehmlich bemühete sich der römische Adel um die Gunst der hohen und edeln Frau. Die Unabhängig-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0010]
Margaretha, die begünstigte Tochter des fünften Karl, war durch den jüngeren Farnese, ihren zweiten Gemahl, nun auch die Nichte Paul des Dritten, pflegte daher einen Theil des Jahres in Rom Hof zu halten. Papst und Kaiser regierten jenerzeit den größern Theil der christlichen Welt nach ihrem Willen und Gutachten. Ehrenzeichen, glänzende Titel, Gewalt, Ansehen und Reichthümer wurden in Fülle von ihnen ausgetheilt; bisweilen nach Verdienst, häufiger nach Gunst. Beiden schien die Prinzessin gleich nahe zu stehen, denn von Beiden hatte sie bereits Milderung harter Urtheilssprüche, gelegentlich auch reiche Gaben und hohe Ehren durch ihre Fürbitte und Verwendung erlangt. Wer demnach sein Glück zu sichern oder es neu zu gründen bedurfte, drängte sich an ihren Hoftagen ungestüm durch die Menge, ihr nahe zu kommen, von ihr ein Wort, einen Blick aufzuhaschen. Ihr äußeres Bezeigen war ernst und feierlich; sie wünschte zu verbergen und geheim zu halten, daß sie Einfluß besitze. Doch ist es schwer, von Allen beobachtet, sein Geheimniß auf lange zu bewahren.
Vornehmlich bemühete sich der römische Adel um die Gunst der hohen und edeln Frau. Die Unabhängig-
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