Rumohr, Karl Friedrich: Der letzte Savello. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 125–209. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Papst gewährten und versprachen für diese Einbuße nur geringen Ersatz. An den Höfen indeß und wo sonst Menschen Ueberlegenheit ausüben, will der Mächtige stets Zufriedenheit, Güte und Milde zeigen, soll er daher seine Trauer, seine Bekümmernisse und Verstimmungen in der verborgensten Tiefe seines Busens einschließen. Nie verläßt ihn die Besorgniß, durch ein schnelles Wort, durch eine unbewachte Miene ihm Untergeordnete zu verletzen und abzustoßen. Klugheit und Edelmuth gebieten ihm gleich sehr, Allen Gunst und Berücksichtigung darzulegen; wohl ist es ein öffentliches, längst aufgedecktes Geheimniß; doch verleitet die Larve gnädiger Gesinnung täglich wiederum jeden Einzelnen zu Hoffnungen, welche, wenn jemals, doch stets nur höchst zufällig in Erfüllung gehen. Denn in den eigenen Angelegenheiten sehen wir Menschen durch gefärbte Brillen, lieben trügerischen Hoffnungen uns hinzugeben; woher das Beseligende in jenen leeren Merkmalen einer, selbst wo sie wahr ist, doch nur unsicheren und wandelbaren Gunst. Margaretha hatte die Künste des Hoflebens frühe ins Gesicht gefaßt, über sie nachgedacht, ihren Grund und Nutzen erforscht; sie hielt es für eine Pflicht ihrer Stellung, sie auszuüben, wenigstens darin dem Gebrauche nachzukommen. Am Morgen ihres Einzuges in die Stadt erhob sie sich früh, um, nachdem sie die Messe mit herzlicher Andacht gehört, ihren Anzug dem Tage anzupassen. Sie wählte ein Kleid von dunkelgrünem Sammet mit reicher Stickerei, welches die Arme bis auf die Hand, Papst gewährten und versprachen für diese Einbuße nur geringen Ersatz. An den Höfen indeß und wo sonst Menschen Ueberlegenheit ausüben, will der Mächtige stets Zufriedenheit, Güte und Milde zeigen, soll er daher seine Trauer, seine Bekümmernisse und Verstimmungen in der verborgensten Tiefe seines Busens einschließen. Nie verläßt ihn die Besorgniß, durch ein schnelles Wort, durch eine unbewachte Miene ihm Untergeordnete zu verletzen und abzustoßen. Klugheit und Edelmuth gebieten ihm gleich sehr, Allen Gunst und Berücksichtigung darzulegen; wohl ist es ein öffentliches, längst aufgedecktes Geheimniß; doch verleitet die Larve gnädiger Gesinnung täglich wiederum jeden Einzelnen zu Hoffnungen, welche, wenn jemals, doch stets nur höchst zufällig in Erfüllung gehen. Denn in den eigenen Angelegenheiten sehen wir Menschen durch gefärbte Brillen, lieben trügerischen Hoffnungen uns hinzugeben; woher das Beseligende in jenen leeren Merkmalen einer, selbst wo sie wahr ist, doch nur unsicheren und wandelbaren Gunst. Margaretha hatte die Künste des Hoflebens frühe ins Gesicht gefaßt, über sie nachgedacht, ihren Grund und Nutzen erforscht; sie hielt es für eine Pflicht ihrer Stellung, sie auszuüben, wenigstens darin dem Gebrauche nachzukommen. Am Morgen ihres Einzuges in die Stadt erhob sie sich früh, um, nachdem sie die Messe mit herzlicher Andacht gehört, ihren Anzug dem Tage anzupassen. Sie wählte ein Kleid von dunkelgrünem Sammet mit reicher Stickerei, welches die Arme bis auf die Hand, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0014"/> Papst gewährten und versprachen für diese Einbuße nur geringen Ersatz. An den Höfen indeß und wo sonst Menschen Ueberlegenheit ausüben, will der Mächtige stets Zufriedenheit, Güte und Milde zeigen, soll er daher seine Trauer, seine Bekümmernisse und Verstimmungen in der verborgensten Tiefe seines Busens einschließen. Nie verläßt ihn die Besorgniß, durch ein schnelles Wort, durch eine unbewachte Miene ihm Untergeordnete zu verletzen und abzustoßen. Klugheit und Edelmuth gebieten ihm gleich sehr, Allen Gunst und Berücksichtigung darzulegen; wohl ist es ein öffentliches, längst aufgedecktes Geheimniß; doch verleitet die Larve gnädiger Gesinnung täglich wiederum jeden Einzelnen zu Hoffnungen, welche, wenn jemals, doch stets nur höchst zufällig in Erfüllung gehen. Denn in den eigenen Angelegenheiten sehen wir Menschen durch gefärbte Brillen, lieben trügerischen Hoffnungen uns hinzugeben; woher das Beseligende in jenen leeren Merkmalen einer, selbst wo sie wahr ist, doch nur unsicheren und wandelbaren Gunst.</p><lb/> <p>Margaretha hatte die Künste des Hoflebens frühe ins Gesicht gefaßt, über sie nachgedacht, ihren Grund und Nutzen erforscht; sie hielt es für eine Pflicht ihrer Stellung, sie auszuüben, wenigstens darin dem Gebrauche nachzukommen. Am Morgen ihres Einzuges in die Stadt erhob sie sich früh, um, nachdem sie die Messe mit herzlicher Andacht gehört, ihren Anzug dem Tage anzupassen. Sie wählte ein Kleid von dunkelgrünem Sammet mit reicher Stickerei, welches die Arme bis auf die Hand,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0014]
Papst gewährten und versprachen für diese Einbuße nur geringen Ersatz. An den Höfen indeß und wo sonst Menschen Ueberlegenheit ausüben, will der Mächtige stets Zufriedenheit, Güte und Milde zeigen, soll er daher seine Trauer, seine Bekümmernisse und Verstimmungen in der verborgensten Tiefe seines Busens einschließen. Nie verläßt ihn die Besorgniß, durch ein schnelles Wort, durch eine unbewachte Miene ihm Untergeordnete zu verletzen und abzustoßen. Klugheit und Edelmuth gebieten ihm gleich sehr, Allen Gunst und Berücksichtigung darzulegen; wohl ist es ein öffentliches, längst aufgedecktes Geheimniß; doch verleitet die Larve gnädiger Gesinnung täglich wiederum jeden Einzelnen zu Hoffnungen, welche, wenn jemals, doch stets nur höchst zufällig in Erfüllung gehen. Denn in den eigenen Angelegenheiten sehen wir Menschen durch gefärbte Brillen, lieben trügerischen Hoffnungen uns hinzugeben; woher das Beseligende in jenen leeren Merkmalen einer, selbst wo sie wahr ist, doch nur unsicheren und wandelbaren Gunst.
Margaretha hatte die Künste des Hoflebens frühe ins Gesicht gefaßt, über sie nachgedacht, ihren Grund und Nutzen erforscht; sie hielt es für eine Pflicht ihrer Stellung, sie auszuüben, wenigstens darin dem Gebrauche nachzukommen. Am Morgen ihres Einzuges in die Stadt erhob sie sich früh, um, nachdem sie die Messe mit herzlicher Andacht gehört, ihren Anzug dem Tage anzupassen. Sie wählte ein Kleid von dunkelgrünem Sammet mit reicher Stickerei, welches die Arme bis auf die Hand,
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