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Rumohr, Karl Friedrich: Der letzte Savello. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 125–209. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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verschwiegen bis jetzt, daß sein Bild, seitdem ich ihn gesehen, mir unablässig vorgeschwebt. Nicht länger darf ich dir, nicht länger mir selbst verhehlen, daß er mir Antheil und Mitleid eingeflößt. Sein Antlitz ist schön, in dessen edeln Zügen glaubte ich Reue, inneren Unfrieden, eine noch ungewisse und zagende Neigung zum Besseren und Guten sich abspiegeln zu sehen. In dieser Stimmung oder Täuschung -- wer könnte sagen, ob ich hierin geirrt oder nicht! -- überraschte mich sein Geschenk, welches sehr kostbar, welches fürstlich reich ist. Wohl weiß ich, daß, Liebe erkaufen zu wollen, für edle Gemüther die erdenklich tiefste Kränkung, Schmähung, Beleidigung sei. Allein daß ein verwegener, Nichts verschonender Wüstling auf meine Gunst so hohen Preis gesetzt, erschien mir, ich bekenne es dir, als ein Zeugniß seiner Leidenschaft, minder verletzend, beinahe schmeichelnd und anlockend. -- Wenn du des Weibes Herz kenntest, Giustiniano, so würdest du wissen, daß Vieles über sie zu gewinnen vermag, wer in ihnen das Mitleid und die Eitelkeit anzuregen, sie für sich beredsam zu machen versteht. Ich selbst bin kein gewöhnliches Weib; doch ein Weib, mein Gemahl.

Und was, sagte er, denkst du mit diesen Bekenntnissen einzuleiten?

Daß es dir zukomme, antwortete sie hastig, mich zu schützen vor fremder Arglist und eigener Schwäche. Treiben wir durch Weigerung und Widersetzlichkeit diesen Feuerbrand aufs Aeußerste, wer dann stehet dir dafür

verschwiegen bis jetzt, daß sein Bild, seitdem ich ihn gesehen, mir unablässig vorgeschwebt. Nicht länger darf ich dir, nicht länger mir selbst verhehlen, daß er mir Antheil und Mitleid eingeflößt. Sein Antlitz ist schön, in dessen edeln Zügen glaubte ich Reue, inneren Unfrieden, eine noch ungewisse und zagende Neigung zum Besseren und Guten sich abspiegeln zu sehen. In dieser Stimmung oder Täuschung — wer könnte sagen, ob ich hierin geirrt oder nicht! — überraschte mich sein Geschenk, welches sehr kostbar, welches fürstlich reich ist. Wohl weiß ich, daß, Liebe erkaufen zu wollen, für edle Gemüther die erdenklich tiefste Kränkung, Schmähung, Beleidigung sei. Allein daß ein verwegener, Nichts verschonender Wüstling auf meine Gunst so hohen Preis gesetzt, erschien mir, ich bekenne es dir, als ein Zeugniß seiner Leidenschaft, minder verletzend, beinahe schmeichelnd und anlockend. — Wenn du des Weibes Herz kenntest, Giustiniano, so würdest du wissen, daß Vieles über sie zu gewinnen vermag, wer in ihnen das Mitleid und die Eitelkeit anzuregen, sie für sich beredsam zu machen versteht. Ich selbst bin kein gewöhnliches Weib; doch ein Weib, mein Gemahl.

Und was, sagte er, denkst du mit diesen Bekenntnissen einzuleiten?

Daß es dir zukomme, antwortete sie hastig, mich zu schützen vor fremder Arglist und eigener Schwäche. Treiben wir durch Weigerung und Widersetzlichkeit diesen Feuerbrand aufs Aeußerste, wer dann stehet dir dafür

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[0077] verschwiegen bis jetzt, daß sein Bild, seitdem ich ihn gesehen, mir unablässig vorgeschwebt. Nicht länger darf ich dir, nicht länger mir selbst verhehlen, daß er mir Antheil und Mitleid eingeflößt. Sein Antlitz ist schön, in dessen edeln Zügen glaubte ich Reue, inneren Unfrieden, eine noch ungewisse und zagende Neigung zum Besseren und Guten sich abspiegeln zu sehen. In dieser Stimmung oder Täuschung — wer könnte sagen, ob ich hierin geirrt oder nicht! — überraschte mich sein Geschenk, welches sehr kostbar, welches fürstlich reich ist. Wohl weiß ich, daß, Liebe erkaufen zu wollen, für edle Gemüther die erdenklich tiefste Kränkung, Schmähung, Beleidigung sei. Allein daß ein verwegener, Nichts verschonender Wüstling auf meine Gunst so hohen Preis gesetzt, erschien mir, ich bekenne es dir, als ein Zeugniß seiner Leidenschaft, minder verletzend, beinahe schmeichelnd und anlockend. — Wenn du des Weibes Herz kenntest, Giustiniano, so würdest du wissen, daß Vieles über sie zu gewinnen vermag, wer in ihnen das Mitleid und die Eitelkeit anzuregen, sie für sich beredsam zu machen versteht. Ich selbst bin kein gewöhnliches Weib; doch ein Weib, mein Gemahl. Und was, sagte er, denkst du mit diesen Bekenntnissen einzuleiten? Daß es dir zukomme, antwortete sie hastig, mich zu schützen vor fremder Arglist und eigener Schwäche. Treiben wir durch Weigerung und Widersetzlichkeit diesen Feuerbrand aufs Aeußerste, wer dann stehet dir dafür

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T10:26:17Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T10:26:17Z)

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich: Der letzte Savello. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 125–209. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_savello_1910/77>, abgerufen am 02.05.2024.