Rumohr, Karl Friedrich: Der letzte Savello. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 125–209. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.so lange er mit mir verehelicht ist, hat er mich nicht eine Stunde allein gelassen. -- Ei, sagte das Mädchen, das hat Alles früh oder spät sein Ende. Eben hörte ich ihn im Stalle mit dem Maulthiere schelten; sollte er nicht über Land reiten wollen? Ich dachte es gleich, als er mir gestern seinen Mantel zu flicken gab. Er legt ihn ja sonst im Hause nie ab. Soll ich nicht einmal nachsehen, was er im Stalle macht? Er sagt es mir vielleicht, wohin er zu reiten denkt. -- Das wird er dir nicht sagen, sprach die Hausfrau ruhig und ohne von der Arbeit aufzusehen. Hat er mir doch selbst davon kein Wort gesagt. Du wirst sehen, daß er im Stalle sich nur mit dem Thiere die Zeit vertreibt. Die Magd ging leise der Thüre zu, blickte sich mehrmals um nach der Herrin und schlüpfte, als diese nicht auf sie zu achten schien, die Treppe hinab, um in den Stall zu lugen, wo Giustiniano eben die Anschirrung seines Thieres beendigt hatte. Als sie nun ihn, das Maulthier am Zaume führend, dem Stallthore zugehen sah, fragte sie: Ei, wie denn, Herr Giustiniano, denkt Ihr uns schon zu verlassen, ein so junger Ehemann, als Ihr es seid? -- Was geht es dich an, Hexe, entgegnete er; gehe du deinen Weg und laß mich den meinen ziehen. -- Ei je, Herr, es ist doch Nichts vorgefallen? rief sie mit verstellter Besorgniß, Ihr kehrt doch den Abend noch zurück? -- Laß mich, albernes Stück; vielleicht morgen oder übermorgen, wie es kommt: denn wir Männer richten uns nicht nach unseren Launen, so lange er mit mir verehelicht ist, hat er mich nicht eine Stunde allein gelassen. — Ei, sagte das Mädchen, das hat Alles früh oder spät sein Ende. Eben hörte ich ihn im Stalle mit dem Maulthiere schelten; sollte er nicht über Land reiten wollen? Ich dachte es gleich, als er mir gestern seinen Mantel zu flicken gab. Er legt ihn ja sonst im Hause nie ab. Soll ich nicht einmal nachsehen, was er im Stalle macht? Er sagt es mir vielleicht, wohin er zu reiten denkt. — Das wird er dir nicht sagen, sprach die Hausfrau ruhig und ohne von der Arbeit aufzusehen. Hat er mir doch selbst davon kein Wort gesagt. Du wirst sehen, daß er im Stalle sich nur mit dem Thiere die Zeit vertreibt. Die Magd ging leise der Thüre zu, blickte sich mehrmals um nach der Herrin und schlüpfte, als diese nicht auf sie zu achten schien, die Treppe hinab, um in den Stall zu lugen, wo Giustiniano eben die Anschirrung seines Thieres beendigt hatte. Als sie nun ihn, das Maulthier am Zaume führend, dem Stallthore zugehen sah, fragte sie: Ei, wie denn, Herr Giustiniano, denkt Ihr uns schon zu verlassen, ein so junger Ehemann, als Ihr es seid? — Was geht es dich an, Hexe, entgegnete er; gehe du deinen Weg und laß mich den meinen ziehen. — Ei je, Herr, es ist doch Nichts vorgefallen? rief sie mit verstellter Besorgniß, Ihr kehrt doch den Abend noch zurück? — Laß mich, albernes Stück; vielleicht morgen oder übermorgen, wie es kommt: denn wir Männer richten uns nicht nach unseren Launen, <TEI> <text> <body> <div n="2"> <p><pb facs="#f0081"/> so lange er mit mir verehelicht ist, hat er mich nicht eine Stunde allein gelassen. — Ei, sagte das Mädchen, das hat Alles früh oder spät sein Ende. Eben hörte ich ihn im Stalle mit dem Maulthiere schelten; sollte er nicht über Land reiten wollen? Ich dachte es gleich, als er mir gestern seinen Mantel zu flicken gab. Er legt ihn ja sonst im Hause nie ab. Soll ich nicht einmal nachsehen, was er im Stalle macht? Er sagt es mir vielleicht, wohin er zu reiten denkt. — Das wird er dir nicht sagen, sprach die Hausfrau ruhig und ohne von der Arbeit aufzusehen. Hat er mir doch selbst davon kein Wort gesagt. Du wirst sehen, daß er im Stalle sich nur mit dem Thiere die Zeit vertreibt.</p><lb/> <p>Die Magd ging leise der Thüre zu, blickte sich mehrmals um nach der Herrin und schlüpfte, als diese nicht auf sie zu achten schien, die Treppe hinab, um in den Stall zu lugen, wo Giustiniano eben die Anschirrung seines Thieres beendigt hatte. Als sie nun ihn, das Maulthier am Zaume führend, dem Stallthore zugehen sah, fragte sie: Ei, wie denn, Herr Giustiniano, denkt Ihr uns schon zu verlassen, ein so junger Ehemann, als Ihr es seid? — Was geht es dich an, Hexe, entgegnete er; gehe du deinen Weg und laß mich den meinen ziehen. — Ei je, Herr, es ist doch Nichts vorgefallen? rief sie mit verstellter Besorgniß, Ihr kehrt doch den Abend noch zurück? — Laß mich, albernes Stück; vielleicht morgen oder übermorgen, wie es kommt: denn wir Männer richten uns nicht nach unseren Launen,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0081]
so lange er mit mir verehelicht ist, hat er mich nicht eine Stunde allein gelassen. — Ei, sagte das Mädchen, das hat Alles früh oder spät sein Ende. Eben hörte ich ihn im Stalle mit dem Maulthiere schelten; sollte er nicht über Land reiten wollen? Ich dachte es gleich, als er mir gestern seinen Mantel zu flicken gab. Er legt ihn ja sonst im Hause nie ab. Soll ich nicht einmal nachsehen, was er im Stalle macht? Er sagt es mir vielleicht, wohin er zu reiten denkt. — Das wird er dir nicht sagen, sprach die Hausfrau ruhig und ohne von der Arbeit aufzusehen. Hat er mir doch selbst davon kein Wort gesagt. Du wirst sehen, daß er im Stalle sich nur mit dem Thiere die Zeit vertreibt.
Die Magd ging leise der Thüre zu, blickte sich mehrmals um nach der Herrin und schlüpfte, als diese nicht auf sie zu achten schien, die Treppe hinab, um in den Stall zu lugen, wo Giustiniano eben die Anschirrung seines Thieres beendigt hatte. Als sie nun ihn, das Maulthier am Zaume führend, dem Stallthore zugehen sah, fragte sie: Ei, wie denn, Herr Giustiniano, denkt Ihr uns schon zu verlassen, ein so junger Ehemann, als Ihr es seid? — Was geht es dich an, Hexe, entgegnete er; gehe du deinen Weg und laß mich den meinen ziehen. — Ei je, Herr, es ist doch Nichts vorgefallen? rief sie mit verstellter Besorgniß, Ihr kehrt doch den Abend noch zurück? — Laß mich, albernes Stück; vielleicht morgen oder übermorgen, wie es kommt: denn wir Männer richten uns nicht nach unseren Launen,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-16T10:26:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-16T10:26:17Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |