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Rumohr, Karl Friedrich: Der letzte Savello. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 125–209. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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wartet hatte, plötzlich eine Ahnung seiner eigenen größten Gefahr. Er sah, daß alles Unheil, welches sich ereignet haben konnte, unfehlbar auf sein Haupt zurückfallen werde, und rettete sich nach kurzem Besinnen durch eilige Flucht. Seine Abwesenheit schärfte den Verdacht, erschwerte hingegen die Entdeckung der blutigen That, bis nach einigen Tagen Vermuthungen und halbdeutliche Spuren die Häscher zum Hause des Giustiniano geleiteten. Man habe, sagten die Nachbarn, in denselben Tagen Niemand darin aus- und eingehen sehen. Als auf wiederholtes Klopfen von innen her keine Antwort erfolgte, wurden die Thüren erbrochen, das Haus gewaltsam geöffnet. Als man hinaufkam, saß die schöne Frau, durch Gram und Entsetzen verändert, doch nicht entstellt, am Herde bei der Arbeit. Man fragte nach ihrem Gatten; sie antwortete ruhig, daß er verreis't sei. Nach dem Savello; da stand sie auf, drängte sich durch die Häscher und öffnete die Thüre zur Waffenkammer. Da liegt er, sprach sie; ich warte schon zwei Tage lang auf euch; schafft ihn fort, ich habe ihn lang genug gehütet.

Seit Menschengedenken hatte zu Rom kein Fall dieser Art ein größeres Aufsehen gemacht, eine lebhaftere Theilnahme erweckt. Die Untersuchung des Thatbestandes nahm wenig Zeit hinweg, weil Cassandra schon beim ersten Verhöre frei bekannte, daß sie selbst den Tod des Jünglings beschlossen, ihn ins Haus gelockt und ihrem Gatten überliefert habe. Mit Ruhe zeigte sie, daß nur

wartet hatte, plötzlich eine Ahnung seiner eigenen größten Gefahr. Er sah, daß alles Unheil, welches sich ereignet haben konnte, unfehlbar auf sein Haupt zurückfallen werde, und rettete sich nach kurzem Besinnen durch eilige Flucht. Seine Abwesenheit schärfte den Verdacht, erschwerte hingegen die Entdeckung der blutigen That, bis nach einigen Tagen Vermuthungen und halbdeutliche Spuren die Häscher zum Hause des Giustiniano geleiteten. Man habe, sagten die Nachbarn, in denselben Tagen Niemand darin aus- und eingehen sehen. Als auf wiederholtes Klopfen von innen her keine Antwort erfolgte, wurden die Thüren erbrochen, das Haus gewaltsam geöffnet. Als man hinaufkam, saß die schöne Frau, durch Gram und Entsetzen verändert, doch nicht entstellt, am Herde bei der Arbeit. Man fragte nach ihrem Gatten; sie antwortete ruhig, daß er verreis't sei. Nach dem Savello; da stand sie auf, drängte sich durch die Häscher und öffnete die Thüre zur Waffenkammer. Da liegt er, sprach sie; ich warte schon zwei Tage lang auf euch; schafft ihn fort, ich habe ihn lang genug gehütet.

Seit Menschengedenken hatte zu Rom kein Fall dieser Art ein größeres Aufsehen gemacht, eine lebhaftere Theilnahme erweckt. Die Untersuchung des Thatbestandes nahm wenig Zeit hinweg, weil Cassandra schon beim ersten Verhöre frei bekannte, daß sie selbst den Tod des Jünglings beschlossen, ihn ins Haus gelockt und ihrem Gatten überliefert habe. Mit Ruhe zeigte sie, daß nur

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T10:26:17Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T10:26:17Z)

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich: Der letzte Savello. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 125–209. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_savello_1910/87>, abgerufen am 02.05.2024.