Sie schritten also auf das Haus zu, vor welchem sich ein sanfter Hügel erhob. Dort wurzelte eine alte, riesige Buche und breitete ihre Aeste über einer Anzahl roh behauener Tische und Bänke aus. Aber Niemand saß daran. Es war ganz still und einsam hier; nur drinnen schien sich geschäftiges Leben zu regen. Endlich sah der Wirth aus der Thüre, in schneeweißen Hemdärmeln, ein grünes Sammtmützchen auf dem Kopfe. Er trat, die ungewohnten Gäste von der Seite an¬ blickend, heraus und brachte auf das Begehren Georgs Wein in einem großen Henkelglase, Brod und Fleisch. Das setzte er ihnen auf den Tisch, an welchem sie sich niedergelassen hatten, verlangte gleich die Bezahlung und eilte wieder in's Haus zurück. Georg schob Tertschka den Teller zu und diese zerlegte nun das Fleisch in kleine Stücke. Dann brachen sie das Brod und begannen gemeinschaftlich zu essen, wobei sich Tertschka, da der Wirth nur für Einen gesorgt hatte, des Messers als Gabel bediente. Auch den Wein genossen sie zu¬ sammen, nach einander das Glas zum Munde führend. Nach beendetem Mahle brannte Georg seine Pfeife an und sah wohlgemuth dem Rauche nach, der sich leicht und bläulich in die sonnige Luft hinein kräuselte. "Schau, Tertschka", sagte er, indem er seine Hand auf die ihre legte, "das hätten wir uns gestern früh nicht träumen lassen, daß wir heute so fröh¬ lich bei einander sitzen würden."
"Ja", erwiederte sie; "ich hätt' es nicht verhofft."
Sie ſchritten alſo auf das Haus zu, vor welchem ſich ein ſanfter Hügel erhob. Dort wurzelte eine alte, rieſige Buche und breitete ihre Aeſte über einer Anzahl roh behauener Tiſche und Bänke aus. Aber Niemand ſaß daran. Es war ganz ſtill und einſam hier; nur drinnen ſchien ſich geſchäftiges Leben zu regen. Endlich ſah der Wirth aus der Thüre, in ſchneeweißen Hemdärmeln, ein grünes Sammtmützchen auf dem Kopfe. Er trat, die ungewohnten Gäſte von der Seite an¬ blickend, heraus und brachte auf das Begehren Georgs Wein in einem großen Henkelglaſe, Brod und Fleiſch. Das ſetzte er ihnen auf den Tiſch, an welchem ſie ſich niedergelaſſen hatten, verlangte gleich die Bezahlung und eilte wieder in's Haus zurück. Georg ſchob Tertſchka den Teller zu und dieſe zerlegte nun das Fleiſch in kleine Stücke. Dann brachen ſie das Brod und begannen gemeinſchaftlich zu eſſen, wobei ſich Tertſchka, da der Wirth nur für Einen geſorgt hatte, des Meſſers als Gabel bediente. Auch den Wein genoſſen ſie zu¬ ſammen, nach einander das Glas zum Munde führend. Nach beendetem Mahle brannte Georg ſeine Pfeife an und ſah wohlgemuth dem Rauche nach, der ſich leicht und bläulich in die ſonnige Luft hinein kräuſelte. „Schau, Tertſchka“, ſagte er, indem er ſeine Hand auf die ihre legte, „das hätten wir uns geſtern früh nicht träumen laſſen, daß wir heute ſo fröh¬ lich bei einander ſitzen würden.“
„Ja“, erwiederte ſie; „ich hätt' es nicht verhofft.“
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Sie ſchritten alſo auf das Haus zu, vor welchem ſich
ein ſanfter Hügel erhob. Dort wurzelte eine alte, rieſige
Buche und breitete ihre Aeſte über einer Anzahl roh behauener
Tiſche und Bänke aus. Aber Niemand ſaß daran. Es war
ganz ſtill und einſam hier; nur drinnen ſchien ſich geſchäftiges
Leben zu regen. Endlich ſah der Wirth aus der Thüre, in
ſchneeweißen Hemdärmeln, ein grünes Sammtmützchen auf dem
Kopfe. Er trat, die ungewohnten Gäſte von der Seite an¬
blickend, heraus und brachte auf das Begehren Georgs Wein
in einem großen Henkelglaſe, Brod und Fleiſch. Das ſetzte
er ihnen auf den Tiſch, an welchem ſie ſich niedergelaſſen
hatten, verlangte gleich die Bezahlung und eilte wieder in's
Haus zurück. Georg ſchob Tertſchka den Teller zu und dieſe
zerlegte nun das Fleiſch in kleine Stücke. Dann brachen ſie
das Brod und begannen gemeinſchaftlich zu eſſen, wobei ſich
Tertſchka, da der Wirth nur für Einen geſorgt hatte, des
Meſſers als Gabel bediente. Auch den Wein genoſſen ſie zu¬
ſammen, nach einander das Glas zum Munde führend. Nach
beendetem Mahle brannte Georg ſeine Pfeife an und ſah
wohlgemuth dem Rauche nach, der ſich leicht und bläulich in
die ſonnige Luft hinein kräuſelte. „Schau, Tertſchka“, ſagte
er, indem er ſeine Hand auf die ihre legte, „das hätten wir
uns geſtern früh nicht träumen laſſen, daß wir heute ſo fröh¬
lich bei einander ſitzen würden.“
„Ja“, erwiederte ſie; „ich hätt' es nicht verhofft.“
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Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/175>, abgerufen am 14.05.2024.
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