Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877.Schon zur Zeit, da die Mutter noch lebte, wollte er oft zärt¬ Georg war bis in die Lippen hinein bleich geworden und "Trau' ihm nicht", rief sie ängstlich. "Er ist im Stande "Ich fürcht' ihn nicht", erwiederte Georg und seine kleine "Jesus!" klagte sie und rang die Hände; "ich könnt' es "Nun, es wird so arg nicht werden", versetzte er, seine Schon zur Zeit, da die Mutter noch lebte, wollte er oft zärt¬ Georg war bis in die Lippen hinein bleich geworden und „Trau' ihm nicht“, rief ſie ängſtlich. „Er iſt im Stande „Ich fürcht' ihn nicht“, erwiederte Georg und ſeine kleine „Jeſus!“ klagte ſie und rang die Hände; „ich könnt' es „Nun, es wird ſo arg nicht werden“, verſetzte er, ſeine <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0183" n="167"/> Schon zur Zeit, da die Mutter noch lebte, wollte er oft zärt¬<lb/> lich mit mir thun; aber ich wich ihm aus und drohte, ich<lb/> würd' es der Mutter klagen. Im vorigen Somrner jedoch<lb/> kam er eines Abends allein aus dem Wirthshaus zurück und<lb/> fing wieder an und ſagte, er würde mich heirathen. Und da<lb/> ich ihm kein Gehör gab, wollt' er Gewalt brauchen. Ich<lb/> aber hab' mich ſeiner erwehrt und hab' ihm geſagt, was ich<lb/> von ihm denke. Seitdem haßt er mich bis auf's Blut und<lb/> rächt ſich, wie er kann.“</p><lb/> <p>Georg war bis in die Lippen hinein bleich geworden und<lb/> ſeine Bruſt rang mühſam nach Athem. „Der Elende!“ ſtieß<lb/> er endlich hervor. „Und bei dem ſollteſt Du bleiben? Jetzt,<lb/> da ich das weiß, noch weniger! Du ziehſt mit mir, und er<lb/> ſoll ſehen, wie er's verhindern kann.“</p><lb/> <p>„Trau' ihm nicht“, rief ſie ängſtlich. „Er iſt im Stande<lb/> Einen zu morden, der ſchwächer iſt, als er,“</p><lb/> <p>„Ich fürcht' ihn nicht“, erwiederte Georg und ſeine kleine<lb/> Geſtalt reckte ſich ſcheinbar weit über ihr Maaß hinaus. „Er<lb/> hat mich früher von hinten angefallen und ich war nicht dar¬<lb/> auf gefaßt. Aber er ſoll mir noch einmal kommen!“</p><lb/> <p>„Jeſus!“ klagte ſie und rang die Hände; „ich könnt' es<lb/> nicht ſehen, daß Ihr aneinander geriethet.“</p><lb/> <p>„Nun, es wird ſo arg nicht werden“, verſetzte er, ſeine<lb/> Erregung niederkämpfend. „Wir wollen zu ihm — jetzt gleich<lb/> — und ihm ruhig und gemeſſen unſeren Entſchluß mittheilen.<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [167/0183]
Schon zur Zeit, da die Mutter noch lebte, wollte er oft zärt¬
lich mit mir thun; aber ich wich ihm aus und drohte, ich
würd' es der Mutter klagen. Im vorigen Somrner jedoch
kam er eines Abends allein aus dem Wirthshaus zurück und
fing wieder an und ſagte, er würde mich heirathen. Und da
ich ihm kein Gehör gab, wollt' er Gewalt brauchen. Ich
aber hab' mich ſeiner erwehrt und hab' ihm geſagt, was ich
von ihm denke. Seitdem haßt er mich bis auf's Blut und
rächt ſich, wie er kann.“
Georg war bis in die Lippen hinein bleich geworden und
ſeine Bruſt rang mühſam nach Athem. „Der Elende!“ ſtieß
er endlich hervor. „Und bei dem ſollteſt Du bleiben? Jetzt,
da ich das weiß, noch weniger! Du ziehſt mit mir, und er
ſoll ſehen, wie er's verhindern kann.“
„Trau' ihm nicht“, rief ſie ängſtlich. „Er iſt im Stande
Einen zu morden, der ſchwächer iſt, als er,“
„Ich fürcht' ihn nicht“, erwiederte Georg und ſeine kleine
Geſtalt reckte ſich ſcheinbar weit über ihr Maaß hinaus. „Er
hat mich früher von hinten angefallen und ich war nicht dar¬
auf gefaßt. Aber er ſoll mir noch einmal kommen!“
„Jeſus!“ klagte ſie und rang die Hände; „ich könnt' es
nicht ſehen, daß Ihr aneinander geriethet.“
„Nun, es wird ſo arg nicht werden“, verſetzte er, ſeine
Erregung niederkämpfend. „Wir wollen zu ihm — jetzt gleich
— und ihm ruhig und gemeſſen unſeren Entſchluß mittheilen.
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