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Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877.

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ihr sogar, sich mit auf den Vorspannswagen zu setzen, der ihn
und Georg später nach Wiener-Neustadt brachte -- und so
fuhren sie in den sinkenden Abend hinein und in die dunkelnde
Nacht, während man oben die Leiche fortschaffte und ein end¬
loser Regen vom Himmel niederströmte.


Ein sogenanntes Garnisons-Stockhaus, freundlicher Leser,
ist ein Gefängniß wie jedes andere, nur mit dem Unterschiede,
daß Diejenigen, welche sich darin befinden, alte, schadhafte
Uniformen auf dem Leibe tragen. Man findet dort Soldaten
von allen Farben und Abzeichen, und da sie sich sammt und
sonders als Glieder eines Standes fühlen, so herrscht unter
ihnen mehr Eintracht, als dies anders wo der Fall zu sein
pflegt; wie denn auch bei dem Völklein eine gewisse, durch
Aufrechthaltung der verschiedenen Rangsunterschiede bedingte
Zucht und Ordnung nicht zu verkennen ist. Trotzdem bleibt
ein solches Stockhaus immerhin ein gar wüster, trübseliger Ort,
und es darf uns nicht Wunder nehmen, daß es Georg in
jenem zu Wiener-Neustadt nicht allzu wohl um's Herz ward.
Ein mürrischer Profoß, von einer Wache begleitet, hatte ihn
bei später Nacht in dem dunklen, stark bevölkerten Raum ein¬
geschlossen, wo er sich, da für ihn noch kein Strohsack in
Bereitschaft war, neben geräuschvoll athmenden Schläfern auf

ihr ſogar, ſich mit auf den Vorſpannswagen zu ſetzen, der ihn
und Georg ſpäter nach Wiener-Neuſtadt brachte — und ſo
fuhren ſie in den ſinkenden Abend hinein und in die dunkelnde
Nacht, während man oben die Leiche fortſchaffte und ein end¬
loſer Regen vom Himmel niederſtrömte.


Ein ſogenanntes Garniſons-Stockhaus, freundlicher Leſer,
iſt ein Gefängniß wie jedes andere, nur mit dem Unterſchiede,
daß Diejenigen, welche ſich darin befinden, alte, ſchadhafte
Uniformen auf dem Leibe tragen. Man findet dort Soldaten
von allen Farben und Abzeichen, und da ſie ſich ſammt und
ſonders als Glieder eines Standes fühlen, ſo herrſcht unter
ihnen mehr Eintracht, als dies anders wo der Fall zu ſein
pflegt; wie denn auch bei dem Völklein eine gewiſſe, durch
Aufrechthaltung der verſchiedenen Rangsunterſchiede bedingte
Zucht und Ordnung nicht zu verkennen iſt. Trotzdem bleibt
ein ſolches Stockhaus immerhin ein gar wüſter, trübſeliger Ort,
und es darf uns nicht Wunder nehmen, daß es Georg in
jenem zu Wiener-Neuſtadt nicht allzu wohl um's Herz ward.
Ein mürriſcher Profoß, von einer Wache begleitet, hatte ihn
bei ſpäter Nacht in dem dunklen, ſtark bevölkerten Raum ein¬
geſchloſſen, wo er ſich, da für ihn noch kein Strohſack in
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[174/0190] ihr ſogar, ſich mit auf den Vorſpannswagen zu ſetzen, der ihn und Georg ſpäter nach Wiener-Neuſtadt brachte — und ſo fuhren ſie in den ſinkenden Abend hinein und in die dunkelnde Nacht, während man oben die Leiche fortſchaffte und ein end¬ loſer Regen vom Himmel niederſtrömte. Ein ſogenanntes Garniſons-Stockhaus, freundlicher Leſer, iſt ein Gefängniß wie jedes andere, nur mit dem Unterſchiede, daß Diejenigen, welche ſich darin befinden, alte, ſchadhafte Uniformen auf dem Leibe tragen. Man findet dort Soldaten von allen Farben und Abzeichen, und da ſie ſich ſammt und ſonders als Glieder eines Standes fühlen, ſo herrſcht unter ihnen mehr Eintracht, als dies anders wo der Fall zu ſein pflegt; wie denn auch bei dem Völklein eine gewiſſe, durch Aufrechthaltung der verſchiedenen Rangsunterſchiede bedingte Zucht und Ordnung nicht zu verkennen iſt. Trotzdem bleibt ein ſolches Stockhaus immerhin ein gar wüſter, trübſeliger Ort, und es darf uns nicht Wunder nehmen, daß es Georg in jenem zu Wiener-Neuſtadt nicht allzu wohl um's Herz ward. Ein mürriſcher Profoß, von einer Wache begleitet, hatte ihn bei ſpäter Nacht in dem dunklen, ſtark bevölkerten Raum ein¬ geſchloſſen, wo er ſich, da für ihn noch kein Strohſack in Bereitſchaft war, neben geräuſchvoll athmenden Schläfern auf

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Zitationshilfe: Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/190>, abgerufen am 24.11.2024.