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Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877.

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sie auf und rief, die Hände vor das Antlitz schlagend: "Nein!
Nein! Ich kann ihm nicht entsagen! Und wenn er mich
auch nicht mehr liebt -- ich lasse ihn nicht! Seine Leiden¬
schaft für Mimi kann nicht dauern; er wird und muß wieder
zu mir zurückkehren. Ich will Alles dulden, Alles ertragen.
Er soll mich schelten, soll mir drohen, soll mich von sich stoßen:
ich will selig sein, von seinen Füßen getreten zu werden, denn
ich kann nicht leben ohne ihn!"

Ich trat einen Schritt zurück. Dieser wilde, rasende
Ausbruch, dieser blinde Drang, auf dem kein Strahl der Er¬
kenntniß haften wollte, erkältete mich bis in's Herz hinein.
"Nun denn", sagte ich endlich, "so leben Sie wohl! Der
Himmel sei Ihnen Allen gnädig!" --

Was nun die Ereignisse später mit sich brachten, kann
ich Ihnen rasch und kurz erzählen. Ich habe es erfahren, wie
man nachgerade Alles über Menschen erfährt, die man kennt.
-- Alexis' glänzende Verhältnisse waren, wie vorauszusehen,
unhaltbar. Nach kurzer Zeit schon stockten einige bedeutende
Zahlungen. Die Speculanten wurden mißtrauisch und schwie¬
rig und forderten die unglaublichsten Erstreckungssummen.
Neue Termine wurden nicht eingehalten, Wucheranzeigen er¬
stattet und so kam das ganze Unternehmen, bei welchem sich
auch einige arge Unredlichkeiten nachweisen ließen, in's Schwan¬
ken und Stürzen und brach endlich zusammen. Nur der Um¬
stand, daß selbst Persönlichkeiten höchsten Ranges mit verwickelt

ſie auf und rief, die Hände vor das Antlitz ſchlagend: „Nein!
Nein! Ich kann ihm nicht entſagen! Und wenn er mich
auch nicht mehr liebt — ich laſſe ihn nicht! Seine Leiden¬
ſchaft für Mimi kann nicht dauern; er wird und muß wieder
zu mir zurückkehren. Ich will Alles dulden, Alles ertragen.
Er ſoll mich ſchelten, ſoll mir drohen, ſoll mich von ſich ſtoßen:
ich will ſelig ſein, von ſeinen Füßen getreten zu werden, denn
ich kann nicht leben ohne ihn!“

Ich trat einen Schritt zurück. Dieſer wilde, raſende
Ausbruch, dieſer blinde Drang, auf dem kein Strahl der Er¬
kenntniß haften wollte, erkältete mich bis in's Herz hinein.
„Nun denn“, ſagte ich endlich, „ſo leben Sie wohl! Der
Himmel ſei Ihnen Allen gnädig!“ —

Was nun die Ereigniſſe ſpäter mit ſich brachten, kann
ich Ihnen raſch und kurz erzählen. Ich habe es erfahren, wie
man nachgerade Alles über Menſchen erfährt, die man kennt.
— Alexis' glänzende Verhältniſſe waren, wie vorauszuſehen,
unhaltbar. Nach kurzer Zeit ſchon ſtockten einige bedeutende
Zahlungen. Die Speculanten wurden mißtrauiſch und ſchwie¬
rig und forderten die unglaublichſten Erſtreckungsſummen.
Neue Termine wurden nicht eingehalten, Wucheranzeigen er¬
ſtattet und ſo kam das ganze Unternehmen, bei welchem ſich
auch einige arge Unredlichkeiten nachweiſen ließen, in's Schwan¬
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[238/0254] ſie auf und rief, die Hände vor das Antlitz ſchlagend: „Nein! Nein! Ich kann ihm nicht entſagen! Und wenn er mich auch nicht mehr liebt — ich laſſe ihn nicht! Seine Leiden¬ ſchaft für Mimi kann nicht dauern; er wird und muß wieder zu mir zurückkehren. Ich will Alles dulden, Alles ertragen. Er ſoll mich ſchelten, ſoll mir drohen, ſoll mich von ſich ſtoßen: ich will ſelig ſein, von ſeinen Füßen getreten zu werden, denn ich kann nicht leben ohne ihn!“ Ich trat einen Schritt zurück. Dieſer wilde, raſende Ausbruch, dieſer blinde Drang, auf dem kein Strahl der Er¬ kenntniß haften wollte, erkältete mich bis in's Herz hinein. „Nun denn“, ſagte ich endlich, „ſo leben Sie wohl! Der Himmel ſei Ihnen Allen gnädig!“ — Was nun die Ereigniſſe ſpäter mit ſich brachten, kann ich Ihnen raſch und kurz erzählen. Ich habe es erfahren, wie man nachgerade Alles über Menſchen erfährt, die man kennt. — Alexis' glänzende Verhältniſſe waren, wie vorauszuſehen, unhaltbar. Nach kurzer Zeit ſchon ſtockten einige bedeutende Zahlungen. Die Speculanten wurden mißtrauiſch und ſchwie¬ rig und forderten die unglaublichſten Erſtreckungsſummen. Neue Termine wurden nicht eingehalten, Wucheranzeigen er¬ ſtattet und ſo kam das ganze Unternehmen, bei welchem ſich auch einige arge Unredlichkeiten nachweiſen ließen, in's Schwan¬ ken und Stürzen und brach endlich zuſammen. Nur der Um¬ ſtand, daß ſelbſt Perſönlichkeiten höchſten Ranges mit verwickelt

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Zitationshilfe: Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/254>, abgerufen am 23.11.2024.