Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877.Musiklectionen, deren sie viele hatte; an die Ausübung ihrer Wir schwiegen Beide. "Und nun sagen Sie mir", fuhr er fort, "wie es kam, Muſiklectionen, deren ſie viele hatte; an die Ausübung ihrer Wir ſchwiegen Beide. „Und nun ſagen Sie mir“, fuhr er fort, „wie es kam, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0258" n="242"/> Muſiklectionen, deren ſie viele hatte; an die Ausübung ihrer<lb/> Kunſt dachte ſie nicht mehr. Aber die Erbſchaftshoffnungen<lb/> zerfloſſen in nichts und der Baron, der dem Laſter des Trunkes<lb/> und des Spieles ergeben iſt, brauchte Geld. Ludovica mußte<lb/> es ſchaffen: durch Darlehen, die ſie auftrieb, durch Geſchenke,<lb/> die ſie erbettelte, und als es ihr nicht immer gelingen wollte,<lb/> mißhandelte er ſie — ja ging in ſeiner Niederträchtigkeit ſo<lb/> weit, ſie zwingen zu wollen, die letzten Reſte ihrer Schönheit<lb/> zu verkaufen. Das ertrug ſie nicht. Heute morgens hatte er<lb/> ſie wieder fortgeſchickt, eine Summe herbei zu ſchaffen — eine<lb/> verſchwindend kleine Summe: aber ſelbſt ihre Schweſter und<lb/> ihr Schwager, welche der Unglücklichen bis jetzt, zwar ungern<lb/> und mit Vorwürfen aller Art, aber dennoch in den äußerſten<lb/> Fällen ſtets geholfen hatten — verweigerten ſie ihr diesmal.<lb/> Sie mußte ſich nicht nach Hauſe gewagt haben, mußte lange<lb/> umhergeirrt ſein und — das Uebrige wiſſen Sie.“</p><lb/> <p>Wir ſchwiegen Beide.</p><lb/> <p>„Und nun ſagen Sie mir“, fuhr er fort, „wie es kam,<lb/> daß dieſes holde Geſchöpf, ausgeſtattet mit allen Vorzügen ihres<lb/> Geſchlechtes, welche Andere ſo vortrefflich zu verwerthen wiſſen,<lb/> ſich an Unwürdige weggeworfen; wie es kam, daß ſie in thö¬<lb/> richter Umkehrung der Verhältniſſe für Diejenigen zu ſorgen<lb/> bemüht war, welche für <hi rendition="#g">ſie</hi> zu ſorgen die Verpflichtung hatten<lb/> — bis ſie, noch in jungen Jahren, ein ſo trauriges Ende nahm?<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [242/0258]
Muſiklectionen, deren ſie viele hatte; an die Ausübung ihrer
Kunſt dachte ſie nicht mehr. Aber die Erbſchaftshoffnungen
zerfloſſen in nichts und der Baron, der dem Laſter des Trunkes
und des Spieles ergeben iſt, brauchte Geld. Ludovica mußte
es ſchaffen: durch Darlehen, die ſie auftrieb, durch Geſchenke,
die ſie erbettelte, und als es ihr nicht immer gelingen wollte,
mißhandelte er ſie — ja ging in ſeiner Niederträchtigkeit ſo
weit, ſie zwingen zu wollen, die letzten Reſte ihrer Schönheit
zu verkaufen. Das ertrug ſie nicht. Heute morgens hatte er
ſie wieder fortgeſchickt, eine Summe herbei zu ſchaffen — eine
verſchwindend kleine Summe: aber ſelbſt ihre Schweſter und
ihr Schwager, welche der Unglücklichen bis jetzt, zwar ungern
und mit Vorwürfen aller Art, aber dennoch in den äußerſten
Fällen ſtets geholfen hatten — verweigerten ſie ihr diesmal.
Sie mußte ſich nicht nach Hauſe gewagt haben, mußte lange
umhergeirrt ſein und — das Uebrige wiſſen Sie.“
Wir ſchwiegen Beide.
„Und nun ſagen Sie mir“, fuhr er fort, „wie es kam,
daß dieſes holde Geſchöpf, ausgeſtattet mit allen Vorzügen ihres
Geſchlechtes, welche Andere ſo vortrefflich zu verwerthen wiſſen,
ſich an Unwürdige weggeworfen; wie es kam, daß ſie in thö¬
richter Umkehrung der Verhältniſſe für Diejenigen zu ſorgen
bemüht war, welche für ſie zu ſorgen die Verpflichtung hatten
— bis ſie, noch in jungen Jahren, ein ſo trauriges Ende nahm?
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