Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877.Denn mich wurmet das Genippe. Wo ein Trunk nur kühlt und stillt, Und mich wurmet jede Lippe, Die nicht heißverlangend schwillt!" "Und mich wurmet jede Lippe, Die nicht heißverlangend schwillt'" tönte es im Chor. Ich beugte mich weit über die Brustwehr hinaus; denn "Und so wie der echte Zecher Keinen Tropfen je vergißt, So verschmäh' ich rascher Brecher Keine Blüthe, die da sprießt --" ich hörte nur mehr die immer leiser tönende Melodie des Jetzt überkam mich eine tiefe, wilde Sehnsucht und drohte Denn mich wurmet das Genippe. Wo ein Trunk nur kühlt und ſtillt, Und mich wurmet jede Lippe, Die nicht heißverlangend ſchwillt!“ „Und mich wurmet jede Lippe, Die nicht heißverlangend ſchwillt'“ tönte es im Chor. Ich beugte mich weit über die Bruſtwehr hinaus; denn „Und ſo wie der echte Zecher Keinen Tropfen je vergißt, So verſchmäh' ich raſcher Brecher Keine Blüthe, die da ſprießt —“ ich hörte nur mehr die immer leiſer tönende Melodie des Jetzt überkam mich eine tiefe, wilde Sehnſucht und drohte <TEI> <text> <body> <lg type="poem"> <pb facs="#f0068" n="52"/> <lg n="2"> <l>Denn mich wurmet das Genippe.</l><lb/> <l>Wo ein Trunk nur kühlt und ſtillt,</l><lb/> <l>Und mich wurmet jede Lippe,</l><lb/> <l>Die nicht heißverlangend ſchwillt!“</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>„Und mich wurmet jede Lippe,</l><lb/> <l>Die nicht heißverlangend ſchwillt'“</l><lb/> </lg> </lg> <p>tönte es im Chor.</p><lb/> <p>Ich beugte mich weit über die Bruſtwehr hinaus; denn<lb/> immer ferner und ſchwächer klang es:</p><lb/> <lg type="poem"> <l>„Und ſo wie der echte Zecher</l><lb/> <l>Keinen Tropfen je vergißt,</l><lb/> <l>So verſchmäh' ich raſcher Brecher</l><lb/> <l>Keine Blüthe, die da ſprießt —“</l><lb/> </lg> <p>ich hörte nur mehr die immer leiſer tönende Melodie des<lb/> Liedes; noch einmal den Chor fern aufrauſchen; dann war<lb/> alles ſtill.</p><lb/> <p>Jetzt überkam mich eine tiefe, wilde Sehnſucht und drohte<lb/> mir die Bruſt zu zerſprengen. Es war mir, als wäre mein<lb/> Glück an mir vorübergezogen und rufe und winke durch die<lb/> Nacht nach mir zurück mit geheimnißvollen Stimmen und<lb/> leuchtenden Händen. In unſäglichem Drange breitete ich die<lb/> Arme in der Richtung aus, in welcher der Kahn meinen<lb/> Blicken entſchwunden war. Dann warf ich mich nieder auf<lb/> das feuchte Gras, und eine glühende Thräne rann aus meinem<lb/> Auge mit dem kühlen Thau des Himmels zuſammen.“</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </body> </text> </TEI> [52/0068]
Denn mich wurmet das Genippe.
Wo ein Trunk nur kühlt und ſtillt,
Und mich wurmet jede Lippe,
Die nicht heißverlangend ſchwillt!“
„Und mich wurmet jede Lippe,
Die nicht heißverlangend ſchwillt'“
tönte es im Chor.
Ich beugte mich weit über die Bruſtwehr hinaus; denn
immer ferner und ſchwächer klang es:
„Und ſo wie der echte Zecher
Keinen Tropfen je vergißt,
So verſchmäh' ich raſcher Brecher
Keine Blüthe, die da ſprießt —“
ich hörte nur mehr die immer leiſer tönende Melodie des
Liedes; noch einmal den Chor fern aufrauſchen; dann war
alles ſtill.
Jetzt überkam mich eine tiefe, wilde Sehnſucht und drohte
mir die Bruſt zu zerſprengen. Es war mir, als wäre mein
Glück an mir vorübergezogen und rufe und winke durch die
Nacht nach mir zurück mit geheimnißvollen Stimmen und
leuchtenden Händen. In unſäglichem Drange breitete ich die
Arme in der Richtung aus, in welcher der Kahn meinen
Blicken entſchwunden war. Dann warf ich mich nieder auf
das feuchte Gras, und eine glühende Thräne rann aus meinem
Auge mit dem kühlen Thau des Himmels zuſammen.“
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |